Der Fall Ora­cle ./. ​Used­Soft

Der Fall Ora­cle ./. ​Used­Soft

oder: Wie man ei­nen Pro­zess nach ei­ner haar­sträu­ben­den Ent­schei­dung des Eu­ro­päi­schen Ge­richts­hofs am Ende doch noch ge­winnt

Vorbemerkung

Der Fall betraf die Rechtsfrage der Zulässigkeit des Handels mit Gebrauchtsoftware und ist unter dem Stichwort „UsedSoft“ bekannt geworden. Wir haben in diesem Verfahren die Klägerin Oracle vertreten.

Der Fall begann im Jahr 2005 mit dem Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung und endete nach Nichtzulassungsbeschwerde- und Revisionsverfahren vor dem BGH und Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH im Jahr 2015 mit einem Beschluss des OLG München vom 2. März 2015, in welchem UsedSoft die Kosten des Verfahrens auferlegt wurden, nachdem UsedSoft

  • bezüglich eines Teils der geltend gemachten Unterlassungsansprüche zur Vermeidung eines Urteils Unterlassungserklärungen abgegeben hatte und, nachdem der Rechtsstreit insoweit teilweise übereinstimmend für erledigt erklärt worden war,
  • sodann die Berufung gegen das erstinstanzliche Urteil zurücknahm, das der Klage von Oracle vollumfänglich stattgegeben hatte.

Das Verfahren wurde von Beginn an bis zum Schluss (2005 bis 2015) federführend von unserer Partnerin Dr. Truiken Heydn betreut.

 

Die zentralen und vieldiskutierten Entscheidungen:

EuGH, Urteil vom 3.7.2012MMR 2012, 586 – UsedSoft m. Anm. Heydn und
BGH, Urteil vom 17.7.2013MMR 2014, 232 – UsedSoft II m. Anm. Heydn
LG München I, Urteil vom 15.3.2007, Az. 7 0 7061/06, MMR 2007, 328, rechtskräftig hinsichtlich des urheberrechtlichen Unterlassungsgebots
OLG München, Beschluss vom 2.3.2015, MMR 2015, 397UsedSoft m. Anm. Heydn

Das Problem

  • Die Firma UsedSoft bot im Oktober/November 2005 „gebrauchte“ Lizenzen für die Datenbanksoftware des Mandanten an. Der Mandant hatte diesem Vertrieb nicht zugestimmt.
  • Gegenstand des Angebots waren keine Datenträger mit der Software, sondern lediglich Lizenzen, also Rechte zur Nutzung der Software. Die Software selbst bot UsedSoft nicht an; diese sollten sich die Käufer selber aus dem Internet herunterladen.
  • Nach den Lizenzverträgen des Mandanten waren die Lizenzen ausdrücklich „nicht abtretbar“.

Der Mandant

  • Ein US-amerikanischer Hersteller von u. a. Datenbanksoftware.
  • Bei der Datenbanksoftware handelt es sich um eine Client-Server-Anwendung, d. h. die Datenbank sowie die Datenbanksoftware sind auf einem Server gespeichert. Die Nutzer greifen über ihre Arbeitsplatzrechner über das Netzwerk auf die Software zu; auf den Arbeitsplatzrechnern befindet sich keine Kopie der Software.
  • Der Vertrieb der Software erfolgt zum größten Teil per Download.

Der erste Verfahrensabschnitt bis zum EuGH-Urteil (2005-2012)

  • Nachdem das Landgericht München I und das OLG München der Unterlassungsklage gegen UsedSoft wegen Urheberrechts-, Markenrechts- und Wettbewerbsrechtsverletzung stattgegeben und der BGH dem EuGH bestimmte Fragen zum EU-Urheberrecht zur Vorabentscheidung vorgelegt hatten, entschied der EuGH am 3. Juli 2012 in einem für die gesamte Softwarebranche überraschenden Grundsatzurteil, dass der Erwerber einer „gebrauchten“ Softwarelizenz unter bestimmten Voraussetzungen auch dann zur Nutzung der Software berechtigt ist, wenn die Lizenz nach dem Lizenzvertrag nicht abtretbar ist und die Software vom ursprünglichen Lizenznehmer per Download erworben wurde.
  • Daraufhin feierte sich UsedSoft bereits als Sieger des Rechtsstreits. Doch mit dem Urteil des EuGH war der Rechtsstreit noch lange nicht beendet.

Die Strategie vor dem BGH nach dem EuGH-Urteil (2012-2013)

  • Das Urteil des EuGH erschien auf den ersten Blick für den Mandanten verheerend. Allerdings ging aus dem Vorlagebeschluss des BGH vom 3. Februar 2011 (MMR 2011, 305 – UsedSoft I m. Anm. Heydn) klar hervor, dass der BGH die Auffassung des EuGH nicht teilt. Die Situation war also sehr schwierig, aber nicht völlig aussichtslos.
  • Wir mussten den BGH irgendwie dazu bringen, das Urteil des EuGH so auszulegen, dass wir den Rechtsstreit am Ende doch noch gewinnen. Da der BGH an das Urteil des EuGH gebunden ist, war das nicht leicht.
  • In einem 85 Seiten umfassenden Schriftsatz haben wir diejenigen Themen herausgearbeitet, über die der EuGH mangels Entscheidungskompetenz nicht entscheiden konnte und nicht entschieden hat, und die daher vom BGH noch zu entscheiden sind. Hierbei haben wir insbesondere hervorgehoben, dass der EuGH zu Fragen der Darlegungs- und Beweislast keine Stellung genommen hat und deshalb der BGH hierüber entscheiden muss.
  • Sodann haben wir anhand des bisherigen Sachvortrags detailliert dargelegt, dass die vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Handel mit Gebrauchtsoftware im vorliegenden Fall nicht erfüllt sind.
  • Dabei haben wir insbesondere darauf hingewiesen, dass UsedSoft die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen sämtlicher Voraussetzungen trägt, die nach dem Urteil des EuGH gegeben sein müssen, damit ein Handel mit Gebrauchtsoftware rechtmäßig ist.
  • Der BGH ist unserer Argumentation gefolgt und hat in seiner Entscheidung UsedSoft II die Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Handel mit Gebrauchtsoftware spezifiziert und entschieden, dass UsedSoft die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen dieser Voraussetzungen trägt.
  • Um UsedSoft Gelegenheit zu dieser Darlegung und Beweisführung zu geben, hat der BGH das Verfahren an das OLG München zurückverwiesen.
  • Litigation-PR: Der Rechtsstreit erregte in der IT-Branche große Aufmerksamkeit. Es wurde in den Medien immer wieder darüber berichtet. Wir haben den Mandanten daher über die Vertretung vor Gericht hinaus während des gesamten Rechtsstreits auch in Bezug auf PR-Maßnahmen beraten. Diese Beratung umfasste die Erarbeitung einer PR-Strategie unter Berücksichtigung der PR-Policies des Mandanten, das Vorbereiten und Verfassen von Pressemitteilungen für den Mandanten vor Gerichtsterminen und Urteilsverkündungen in mehreren Varianten ebenso wie das Vorgehen gegen Falschbehauptungen der Gegenseite in deren Pressemeldungen im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.

Das wiedereröffnete Berufungsverfahren vor dem OLG München (2014-2015)

  • Im wiedereröffneten Berufungsverfahren vor dem OLG München gelang es UsedSoft nicht, das Vorliegen der vom EuGH verlangten Voraussetzungen für einen rechtmäßigen Handel mit Gebrauchtsoftware darzulegen und zu beweisen.
  • Nach entsprechenden Hinweisen des Gerichts in der mündlichen Verhandlung realisierte UsedSoft, dass es trotz des scheinbar günstigen Urteils des EuGH den Rechtsstreit verlieren wird.
  • Daraufhin gab UsedSoft hinsichtlich der marken- und wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsansprüche strafbewehrte Unterlassungserklärungen ab; der Rechtsstreit wurde insofern übereinstimmend für teilweise erledigt erklärt.
  • Der – zentrale – urheberrechtliche Unterlassungsanspruch blieb jedoch zunächst noch rechtshängig, weil wir die von UsedSoft insoweit abgegebene Erklärung als nicht ausreichend ansahen.
  • Offenbar um den Erlass eines Urteils und die damit verbundene negative Berichterstattung über das Geschäftsmodell von UsedSoft in der Öffentlichkeit zu vermeiden, nahm UsedSoft nach der mündlichen Verhandlung die Berufung zurück.

Das Ergebnis

  • Durch die Zurücknahme der Berufung wurde das im erstinstanzlichen Urteil ausgesprochene Verbot, „Dritte zu veranlassen, Oracle Software zu vervielfältigen, indem Dritten durch einen vermeintlichen Erwerb von Lizenzen, insbesondere durch den Hinweis auf den aktuellen Wartungszustand, der Eindruck vermittelt wird, dass sie zur Nutzung und korrespondierenden Vervielfältigungen berechtigt seien“, rechtskräftig.
  • Mit Beschluss vom 2. März 2015 (Az. 6 U 2759/07) entschied das OLG München, dass UsedSoft die Verfahrenskosten zu tragen hat.
  • Zur Begründung hielt das OLG München zunächst fest, dass die marken- bzw. wettbewerbsrechtliche Beurteilung des Streitfalls maßgeblich der urheberrechtlichen Zulässigkeit des beanstandeten Verhaltens folgt und führte auf dieser Grundlage u. a. aus, dass die Beklagtenpartei ihrer Darlegungslast „nicht im Ansatz nachgekommen“ sei und deshalb ohne die übereinstimmende Teilerledigungserklärung betreffend das marken- bzw. wettbewerbsrechtliche Verbot „voraussichtlich unterlegen“ wäre.
  • Besonders erfreulich – nicht nur für den Mandanten, sondern auch für andere Softwarehersteller, die das Verfahren mit großem Interesse verfolgt haben – waren die Ausführungen des OLG München, Oracle mache zu Recht geltend, dass UsedSoft im Einzelnen hätte vortragen müssen, dass,
    • der Mandant seine Zustimmung zum Download der betreffenden Softwarelizenzen gegen Zahlung eines Entgelts erteilt hat (BGH a.a.O. Rn. 58 ff. – UsedSoft II),
    • der Mandant seinen Erwerbern ein Recht zur zeitlich unbegrenzten Nutzung der jeweiligen Programmkopie eingeräumt hat (BGH a.a.O. Rn. 61 – UsedSoft II),
    • die Nutzung von Updates der Software im jeweiligen konkreten Einzelfall von einem zwischen dem Mandanten und dem ursprünglichen Erwerber abgeschlossenen Wartungsvertrag gedeckt ist (BGH a.a.O. Rn. 62 – UsedSoft II),
    • der Ersterwerber seine eigene Programmkopie zum Zeitpunkt des Weiterverkaufs unbrauchbar macht, auf seinem Server mithin keine Vervielfältigung mehr erhalten bleibt (BGH a.a.O. Rn. 63 – 65 – UsedSoft II), so dass eine unzulässige Aufspaltung der Lizenzen ausgeschlossen ist, und
    • im jeweiligen Einzelfall sichergestellt ist, dass der Nacherwerber die Programmkopie nur in dem dem Ersterwerber vertraglich gestatteten – bestimmungsgemäßen – Umfang nutzt (BGH a.a.O. Rn. 68 – UsedSoft II).

     

  • Damit steht rechtskräftig fest: Das Geschäftsmodell von UsedSoft ist jedenfalls so, wie es im Jahr 2005 in Bezug auf die Lizenzen von Oracle betrieben wurde, rechtswidrig.

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