Aktuelle Entscheidungen zum Anspruch auf immateriellen Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO

Aktuelle Entscheidungen zum Anspruch auf immateriellen Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO

29.01.2025 Arbeitsrecht

In unserem Beitrag vom 31.07.2024 sind wir auf das EuGH-Urteil vom 20.06.2024 in den Rechtssachen C‑182/22 und C‑189/22 (Scalable Capital GmbH) zum datenschutzrechtlichen Schadensersatz nach Art. 82 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eingegangen. Neuere Entscheidungen aus der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit in diesem Kontext geben nun Anlass zu einer Fortsetzung:

1. LAG Düsseldorf, Urteil vom 10.04.2024 – 12 Sa 1007/23

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 10.04.2024 festgestellt, dass eine Google-Recherche durch den Arbeitgeber zur Feststellung der Eignung eines Bewerbers zulässig sein kann. Dem Kläger wurde gleichwohl ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Höhe von 1.000,00 Euro zugesprochen, weil der Arbeitgeber seiner Informationspflicht gemäß Art. 14 DSGVO nicht nachgekommen war.

2. BAG, Urteil vom 20.06.2024 – 8 AZR 91/22

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 20.06.2024 entschieden, dass ein Anspruch auf Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO kumulativ einen Verstoß gegen die DSGVO, das Vorliegen eines Schadens und einen Kausalzusammenhang zwischen Verstoß und Schaden voraussetzt. Dabei kann auch die objektiv begründete Befürchtung, personenbezogenen Daten könnten missbräuchlich verwendet worden sein (oder künftig verwendet werden), für sich genommen einen „immateriellen“ Schaden im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen. Ob eine Verletzung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO einen Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen vermag, blieb offen. Der Kläger konnte keinen Schaden i.S.d. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darlegen.

3. BAG, Urteil vom 20.06.2024 – 8 AZR 124/23

In einem weiteren Urteil des BAG vom 20.06.2024 ging es ebenfalls um einen nicht erfüllten Auskunftsanspruch bzgl. der Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO sowie eine Kopie dieser Daten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Das BAG stellte fest, dass der Schadenersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO, insbesondere im Fall eines immateriellen Schadens, eine Ausgleichsfunktion hat. Eine auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO gestützte Entschädigung in Geld soll den aufgrund des DSGVO-Verstoßes konkret erlittenen Schaden vollständig ausgleichen, aber keine zusätzliche Abschreckungs- oder Straffunktion erfüllen. Ob die Verletzung der Rechte aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO einen Verstoß i.S.v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellt, blieb auch hier offen. Ein Schaden i.S.d. Art. 82 Abs. 1 DSGVO wurde nicht darlegt.

4. BAG, Urteil v. 25.07.2024 – 8 AZR 225/23

Im Urteil des BAG vom 25.07.2024 – 8 AZR 225/23 ging es um die vom Arbeitgeber veranlasste Überwachung eines Arbeitnehmers durch Privatdetektive. Die stichprobenartige Überwachung erfolgte aufgrund des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit. Ob die Überwachung der Aufdeckung einer Straftat i.S.v. § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG bezweckt hat, ob diese Norm den unionsrechtlichen Anforderungen des Art. 88 DSGVO genügt und wie ihr Verhältnis zu § 26 Abs. 3 BDSG ausgestaltet ist, blieb offen. Die Observation war rechtswidrig, weil nicht erforderlich. Der Kläger konnte einen immateriellen Schaden i.S.v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darlegen. Der Arbeitgeber wurde zur Zahlung von immateriellem Schadenersatz i.H.v. 1.500,00 Euro nebst Prozesszinsen verurteilt.

5. BSG, Urteil vom 24.09.2024 – B 7 AS 15/23 R

Auch das Bundessozialgericht (BSG) hat sich positioniert und in einem Urteil vom 24.09.2024 klargestellt, dass ein Anspruch auf Schadenersatz nach Artikel 82 DSGVO nur dann besteht, wenn ein Schaden nachvollziehbar dargelegt werden kann. Streitgegenstand war eine Schadensersatzforderung wegen eines Verstoßes gegen Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Das BSG betont, dass der Zweck der DSGVO, ein hohes Niveau des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten, in sein Gegenteil verkehrt würde, wenn die pauschale Behauptung eines Nachteils oder Schadens stets ausreichen würde, um einen Ersatzanspruch zu begründen. Ein abstrakter Kontrollverlust über die eigenen personenbezogene Daten stellt nicht automatisch einen immateriellen Schaden im Sinne von Artikel 82 DSGVO dar. Hinzukommen muss zumindest eine objektiv begründete Befürchtung, dass die Daten, über die der Anspruchsteller die Kontrolle verloren hat, missbräuchlich verwendet wurden oder künftig verwendet werden. Ein Anspruch auf Schadenersatz nach Art 82 DSGVO wurde verneint. 

Fazit:

Die genannten Urteile, die durch die Rechtsprechung des EuGH maßgeblich beeinflusst sind, tragen zur Weiterentwicklung des Beschäftigtendatenschutzes bei.

Die Urteile verdeutlichen,

  • dass Verstöße gegen die DSGVO ernst zu nehmen sind.
  • dass mit einem Schadenersatzprozess eher zu rechnen ist als mit einem Bußgeldverfahren.
  • das Erfordernis eines konkreten Schadens und die entsprechende Darlegungslast der Klagepartei.
  • dass der Schaden keinen bestimmten Grad an Erheblichkeit haben muss und es somit keine „Bagatellgrenze“ gibt.
  • dass für die Annahme eines immateriellen Schadens negative Gefühle wie z.B. Ärger, Unmut, Unzufriedenheit, Sorge oder Angst genügen können, wenn sie als begründet anzusehen sind.
  • dass den Tatsachengerichten bei der Bemessung der Höhe eines Schadenersatzes nach § 287 Abs. 1 ZPO ein weiter Ermessensspielraum zusteht, innerhalb dessen sie die Besonderheiten jedes einzelnen Falls zu berücksichtigen haben (Die Höhe des Arbeitsentgelts des Anspruchstellers gehört allerdings nicht dazu.)

Autor

Harald Krüger
Harald Krüger

Partner, Fach­an­walt für Ar­beits­recht

TCI Rechts­an­wäl­te Mün­chen

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