Aktuelles zur Bewertung von Konzepten im Vergabeverfahren

Aktuelles zur Bewertung von Konzepten im Vergabeverfahren

(VK Westfalen, Beschl. vom 01.02.2023 – VK 1-49/22)

31.03.2023 Vergaberecht

Die Abfrage von Konzepten im Vergabeverfahren bietet die Möglichkeit, Aspekte der Qualität und Innovationsfähigkeit besser berücksichtigen zu können, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht allein anhand konkreter Leistungsmerkmale und des Preises beurteilt werden kann oder soll. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn bestimmte Aspekte der Leistung einen hohen Grad an Fachkunde und Kreativität des Bieters und/oder eine intensive Auseinandersetzung mit konkreten Besonderheiten des Auftraggebers erfordert (z.B. bei der Ausschreibung eines komplexen und auf die individuellen Kundenbedürfnisse anzupassenden IT-Fachverfahrens).

Die Gestaltung von Konzeptkriterien sowie die Bewertung eingereichter Konzepte der Bieter gehören jedoch zu den schwierigeren Aufgaben bei der Vorbereitung und Durchführung umfangreicher Vergabeverfahren. Eine aktuelle Entscheidung der Vergabekammer Westfalen (Beschluss vom 01.02.2023 – VK 1-49/22) verdeutlicht, dass insbesondere eine in sich schlüssige und transparente Methodik und Dokumentation bei der Bewertung von Konzepten unabdingbar ist.

Der Beschluss der Vergabekammer Westfalen vom 01.02.2023 – VK 1-49/22

Die Vergabekammer Westfalen hatte über einen Nachprüfungsantrag eines Bieters zu entscheiden, der mit der Bewertung seines Konzepts zur Betreuung und Beratung von Flüchtlingen nicht einverstanden war. Die Auftraggeberin, eine nordrhein-westfälische Universitätsstadt, hatte Beratungs- und Betreuungsdienstleistungen im Zusammenhang mit Flüchtlingen ausgeschrieben. Dabei sollten Bieter u.a. ein „Konzept zur Betreuung und Beratung“ einreichen.

Zur Bewertung des Konzepts wurde mit den Vergabeunterlagen ein abgestufter Erwartungshorizont veröffentlicht. Maßgeblich war danach, ob die Ausführungen des Bieters nachvollziehbar sind und „inhaltlich mit Blick auf die beschriebene Zielsetzung eine zuverlässige und kompetente Betreuung und Beratung der zugewanderten Menschen in jeder Hinsicht erwarten lassen“.

Der Antragsteller hatte im Gegensatz zum erstplatzierten Bieter (dem Beigeladenen) nicht die volle Punktzahl für das eingereichte Konzept erhalten. Der Antragsteller war der Auffassung, dass sein Konzept nicht nachvollziehbar bewertet worden sei und dass die Auftraggeberin gegen das Transparenzgebot verstoßen habe. Er beantragte daher die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und die Neubewertung seines Konzepts.

Die Vergabekammer wies den Antrag zurück. Allerdings seien nicht alle Bewertungsaspekte in einer den Anforderungen des § 8 VgV genügenden Form vollständig in der Vergabeakte dokumentiert worden. Sowohl bei den Konzepten des Antragsstellers als auch der Beigeladenen erlaube die Dokumentation der Bewertung durch die Antragsgegnerin keine Überprüfung der vorgenommenen Bewertung für bestimmte Konzeptteile. Weder das Bewertungsprotokoll noch die im Verfahren ergänzten Erwägungen würden durchgehend nachvollziehbar erkennen lassen, welche Vor- und Nachteile der einzelnen Angebote die Antragsgegnerin gegenübergestellt habe.

Diese Mängel seien aber letztlich nicht ausschlaggebend, da der Antragsteller nicht in eine realistische Zuschlagsnähe käme. Im Übrigen sei die Bewertung vertretbar, in sich konsistent und nachvollziehbar anhand der aufgestellten Bewertungskriterien bewertet worden.

Bedeutung der Entscheidung für Vergabestellen

Auch wenn die Entscheidung hier zugunsten der öffentlichen Auftraggeberin ausgefallen ist, verdeutlicht sie die Bedeutung einer in sich schlüssigen und transparenten Methodik und Dokumentation bei der Bewertung von Konzepten. Insbesondere die festgestellten Dokumentationsmängel hinsichtlich einzelner Bewertungsaspekte hätten bei einem engeren Abstand zwischen den beteiligten Bietern zu einer Aufhebung des Vergabeverfahrens durch die Vergabekammer führen können.

Bereits in der Vorbereitung einer Ausschreibung sollten daher hinsichtlich ggf. geforderter Bieterkonzepte frühzeitig Überlegungen zu den folgenden Aspekten erfolgen:

Welche inhaltlichen Aspekte sollen in den Konzepten jeweils aufgegriffen werden?

Zwar müssen und sollten den Bietern nicht sämtliche inhaltlichen Einzelheiten eines Konzepts vorgegeben werden. Im Rahmen der Konzepte sollen im Regelfall gerade auch die Kreativität des Bieters und die Fähigkeit zur Schwerpunktsetzung unter Berücksichtigung der konkreten Maßgaben der Leistungsbeschreibung bewertet werden. Allerdings ist für eine Vergleichbarkeit der eingereichten Konzepte und für eine Transparenz der Bewertung erforderlich, dass die wesentlichen zu betrachtenden Fragen klar aus den Vergabeunterlagen hervorgehen. Dabei kann und sollte auch auf weitere Inhalte Leistungsbeschreibung Bezug genommen werden.

Welche Aspekte sollen für die Bewertung der Konzepte heranzogen werden?

Im Hinblick auf die Bewertung des Konzepts hat der Auftraggeber einen weiten Beurteilungsspielraum. Nach der Rechtsprechung kann grundsätzlich sogar auf eine konkrete Darstellung von Bewertungsaspekten insgesamt verzichtet werden und z.B. anhand von Schulnoten bewertet werden. Dies führt aber umgekehrt zu deutlich höheren Anforderungen hinsichtlich der Dokumentation der eigentlichen Bewertungsentscheidungen (s.u.).

Um die vergaberechtliche Angreifbarkeit der Wertungsentscheidungen zu reduzieren und die Bewertung transparenter zu gestalten, sollten u.E. im Regelfall bereits in den Vergabeunterlagen bestimmte inhaltliche Qualitätsmerkmale definiert werden, die für die Bewertung der Konzepte ausschlaggebend sind. Dies hat auch den praktischen Vorteil, dass Bieter mit Rügen hinsichtlich der Bewertungsmethodik und der konkreten Qualitätsmerkmale selbst im späteren Verfahren präkludiert sind, da diese Aspekte bereits innerhalb der Rügefrist nach § 160 Abs. 3 GWB, d.h. im Regelfall bereits kurz nach Veröffentlichung der Unterlagen gerügt werden müssten.

Möglich und in der Praxis verbreitet ist etwa die Bereitstellung eines Erwartungshorizonts mit bestimmten qualitativen Mindestanforderungen je Notenstufe bzw. Punktespanne (z.B. 0 – 3 Punkte, 4 – 7 Punkte, 8 – 10 Punkte). Die Bewertungsaspekte sollten allerdings einen hinreichenden Bewertungsspielraum des Auftraggebers beibehalten. Insbesondere sollte vermieden werden, die Bewertung lediglich daran zu knüpfen, dass bestimmte Aspekte in dem Konzept enthalten sind. Eine echte qualitative Differenzierung ist in diesem Fall kaum noch möglich.

Bei der späteren Auswertung der Angebote ist im Hinblick auf die eingereichten Konzepte insbesondere folgendes zu beachten:

  • Die tatsächliche Bewertung muss sich eng an der in den Vergabeunterlagen festgelegten Methodik orientieren. Insbesondere müssen die Bewertungsentscheidungen auf Basis der veröffentlichen Bewertungsmaßstäbe erfolgen. Für die Bieter dürfen die für die Wertung herangezogenen Aspekte im Hinblick auf das Transparenzgebot nicht überraschend sein.
  • Auch im Übrigen muss die Begründung der Bewertung in einem sachlichen Zusammenhang zum konkreten Leistungsgegenstand stehen. Liegen objektiv sachfremde Erwägungen der Wertungsentscheidung zugrunde, ist der Beurteilungsspielraums des Auftraggebers überschritten.
  • Die Entscheidung der VK Westfalen verdeutlicht zudem, dass im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens sämtliche Aspekte, die zu einer Auf- oder Abwertung des Konzepts geführt haben, nachvollziehbar aus der Vergabeakte hervorgehen müssen. Dies gilt umso mehr, je weniger konkret die Bewertungsmaßstäbe in den Vergabeunterlagen dargelegt wurde. Die Erwägungen können zwar im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens noch ergänzt werden, eine gänzlich unzureichende oder nicht nachvollziehbare Dokumentation lässt sich aber in diesem Stadium nicht mehr heilen.
  • Inhaltlich ist zudem erforderlich, dass die eingereichten Konzepte auch zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Die Bewertung eines Konzepts erfolgt nie rein isoliert, sondern auch unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile gegenüber den anderen eingereichten Konzepten. Im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot ist zudem entscheidend, dass Aspekte, die bei dem Konzept eines Bieters zur Auf- oder Abwertung geführt haben, auch gleichermaßen bei der Bewertung der weiteren Konzepte berücksichtigt werden.

Bei Berücksichtigung dieser Maßgaben kann die Abfrage von Konzepten insbesondere bei komplexen Ausschreibungsgegenständen ein entscheidendes Mittel sein, um die inhaltliche Qualität der Angebote besser einschätzen und bewerten zu können und so „die Spreu vom Weizen zu trennen“.

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