Darf der Arbeitgeber nach dem Impfstatus eines Arbeitnehmers fragen?

Anlässlich der Covid-19 Pandemie wird zurzeit kaum ein Thema kontroverser diskutiert, als das Recht des Arbeitgebers, nach dem Impfstatus der Arbeitnehmer zu fragen.  Ein solches Auskunfts- oder Fragerecht ist – momentan – weder gesetzlich festgelegt, noch ist es in der neuesten Fassung der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (Corona-ArbSchV) enthalten, die am 10. September 2021 in Kraft getreten ist und voraussichtlich bis zum 24. November 2021 gelten wird.

Die Befürworter eines Fragerechts argumentieren, dass die Kenntnis vom Impfstatus ein entscheidendes Kriterium ist, um z.B. ein differenziertes betriebliches Hygienekonzept zu etablieren, das es (auch) zulässt, bestimmte Maßnahmen (Maskenpflicht, Abstandsgebote usw.) in einzelnen Abteilungen oder Arbeitsbereichen oder in Besprechungs- und Pausenräumen, in denen sich ausschließlich immunisierte Personen aufhalten, zu lockern oder sogar entfallen lassen.

Die Gegner weisen darauf hin, dass es sich beim Impfstatus um ein Gesundheitsdatum handelt, für dessen Verarbeitung gemäß Art. 9 Abs. 2 DSGVO bzw. Art. 88 DSGVO in Verbindung mit §§ 22, 26 Abs. 3 Satz 1 BDSG besonders hohe Anforderungen gelten. Da der Impfstatus keine Aussage über eine akute Infektion bzw. eine unmittelbar bestehende Gefahr enthält, sei die Verarbeitung dieser Information bei Abwägung der schutzwürdigen Interessen regelmäßig unzulässig. Die in § 23 a i. V. m. § 23 Abs. 3 IfSG enthaltene Ausnahme für bestimmte Arbeitgeber wie z. B. Krankenhäuser, einen Impfnachweis anfordern zu dürfen, sei nicht verallgemeinerungsfähig. 

Auf der Internetseite des BMAS heißt es dazu relativ eindeutig (Stand: 27.09.2021):

„Es ist den Beschäftigten grundsätzlich freigestellt, ob sie ihren Impf- oder Genesungsstatus dem Arbeitgeber mitteilen wollen oder nicht. […]. Die SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung unterscheidet nicht zwischen geimpften und nicht geimpften Beschäftigten und enthält auch keine Verpflichtung der Beschäftigten, dem Arbeitgeber Auskunft über ihren Impf- beziehungsweise Genesungsstatus zu erteilen.“

Allerdings wurde auf der Gesundheitsministerkonferenz (GMK) vom 21.09.2021 nun folgender Beschluss gefasst:

„Die Länder werden spätestens ab dem 1. November 2021 denjenigen Personen keine Entschädigungsleistungen gemäß § 56 Absatz 1 IfSG mehr gewähren, die als Kontaktpersonen oder als Reiserückkehrer aus einem Risikogebiet bei einem wegen COVID-19 behördlich angeordneten Tätigkeitsverbot oder behördlich angeordneter Absonderung keinen vollständigen Impfschutz mit einem auf der Internetseite des Paul-Ehrlich-Instituts (www.pei.de/impfstoffe/covid-19) gelisteten Impfstoff gegen COVID-19 vorweisen können, obwohl für sie eine öffentliche Empfehlung für eine Schutzimpfung nach § 20 Absatz 3 IfSG vorliegt.“

Begründet wird dies damit, dass inzwischen eine allgemeine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission für eine Impfung gegen COVID-19 vorliegt und auch ausreichende Mengen Impfstoff zur Verfügung stehen, um allen Bürgerinnen und Bürgern in Deutschland eine Impfung gegen COVID-19 anbieten zu können. Daher gebe es zukünftig keine Entschädigung mehr auf Kosten der Allgemeinheit, wenn im Falle einer Quarantäneanordnung kein vollständiger Impfschutz vorliegt.

Was bedeutet das für die betriebliche Praxis?

Der Anspruch eines von einer Quarantäneanordnung betroffenen Arbeitnehmers auf eine Entschädigungsleistung richtet sich zwar gegen das Bundesland, in dem die Quarantäne erlassen worden ist, § 66 Abs. 1 S. 1 IfSG. Ausgezahlt wird die Entschädigung aber gemäß § 56 Abs. 5 S. 1 IfSG vom Arbeitgeber „für die zuständige Behörde“. Der Arbeitgeber ist also quasi als „Zahlstelle“ im Verwaltungsverfahren tätig.

Da somit der Arbeitgeber das Risiko trägt, über den Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers zu entscheiden und in Vorleistung gehen zu müssen, aber nur denjenigen Betrag erstattet zu bekommen, den die zuständige Landesbehörde schlussendlich als Entschädigung festsetzt, muss unseres Erachtens an die Stelle der hoheitlichen Befugnisse, die die zuständige Behörde ermächtigen, nach dem Impfstatus zu fragen, gemäß § 241 Abs. 2 BGB eine Auskunftspflicht des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber treten, weil insoweit ein berechtigtes, billigenswertes und schutzwürdiges Interesse des Arbeitgebers an der der Information besteht.

Und sollte es, wie aktuelle Umfragen befürchten lassen, dazu kommen, dass ungeimpfte Arbeitnehmer eine Quarantäne vor dem Arbeitgeber verschweigen und unter Verstoß gegen die Quarantäneanordnung trotzdem ins Büro gehen, kommt (bei Vorliegen der weiteren Voraussetzungen) sogar eine fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses in Betracht.

Aufsatz zu Vertragsklauseln zum IT-Projektmanagement von Dr. Truiken Heydn und Marion Schultz

In der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Computer und Recht (CR) ist ein Aufsatz mit dem Titel „Vertragsklauseln zum IT-Projektmanagement“ erschienen, den unsere Partnerin Dr. Truiken Heydn zusammen mit Frau RAin Marion Schultz verfasst hat (CR 2021, 145). Darin wird eingehend untersucht, warum ca. 20% aller IT-Projekte abgebrochen und nur weniger als 50% erfolgreich abgeschlossen werden: Der Auftragnehmer ist häufig unsicher in Bezug auf den Leistungsumfang und die Mitwirkungsfähigkeit des Auftraggebers, und der Auftraggeber kennt die Gaps zwischen den Funktionalitäten der einzuführenden Standardsoftware und seinen Anforderungen nicht. Daraus resultiert eine mangelhafte Kommunikation in Bezug auf die Leistungsbeschreibung und die Mitwirkungen des Auftraggebers, die nicht selten das Scheitern von Projekten zur Folge hat.

Die Verfasserinnen stellen in dem Aufsatz dar, wie die Verantwortungsbereiche der Parteien und die Abhängigkeiten zwischen Mitwirkung und Leistungserbringung klar definiert werden können und schlagen hierfür konkrete Vertragsklauseln vor. 

Unsere Partnerin Dr. Truiken Heydn dankt Frau Kollegin Marion Schultz für die schöne Zusammenarbeit.

Vortrag zur Umsetzung der Digitale Inhalte Richtlinie von Dr. Truiken Heydn auf den Kölner Tagen IT-Recht

Unsere Partnerin Dr. Truiken Heydn referiert am 25. März 2021 auf den virtuell stattfindenden Kölner Tagen IT-Recht zum Regierungsentwurf zur Umsetzung der Digitale Inhalte Richtlinie. Der Vortrag behandelt die Rechtsbehelfe bei Mängeln einschließlich gerichtlicher Geltendmachung, Verjährung, Beweislastumkehr und den Regress in der Vertriebskette.

otto-schmidt.de/seminare/online-seminare/koelner-tage-it-recht(öffnet in neuem Tab)

Keine Verantwortlichkeit eines Pressefotografen für unberechtigte Veröffentlichungen Dritte

Zugrundeliegender Sachverhalt

Betrachtet werden soll ein Beschwerdeverfahren vor dem Landgericht Bielefeld gegen einen Beschluss des Amtsgerichts Bielefeld vom 23.07.2020. In diesem war der Antragsgegner ein Berufsfotograf und Inhaber eines Presseausweises, der von TCI Rechtsanwälte Mainz vertreten wurde. Er hatte von einer Nachrichtenagentur den Auftrag erhalten, Fotos für einen Beitrag zu dem Thema „Coronavirus in Berlin, Besucher am Brandenburger Tor, Reichstag, Tiergarten und Unter den Linden“ zu liefern. An demselben Tag fuhr der Antragsteller im Bereich des Brandenburger Tores, eine Sonnenbrille tragend auf seinem Skateboard. Der Antragsgegner nahm ein Bild des Antragstellers auf, auf dem dieser scharf fokussiert, mit unscharfem Hintergrund zu sehen ist, ohne dass dieser dies bemerkte.

Der Antragsgegner lieferte das Foto an die auftraggebende Agentur, die das Bild auf ihrer Internetseite veröffentlichte. Im Anschluss wurde das Bild zudem auf der Internetseite zwei weiterer Nachrichtensender veröffentlicht und auf einer Plattform zum Erwerb gegen eine Lizenz, unter Angabe der Urheberschaft des Antragsgegners, angeboten.

Der Antragsteller wollte dem Antragsgegner die Verbreitung, das Verbreiten lassen, Zurschaustellung und/oder Zurschaustellen lassen verbieten lassen. Sowohl das Ausgangsgericht als auch das Beschwerdegericht wiesen den Antrag ab und gaben dem Antragsgegner recht.

Die Entscheidung

Die Gerichte gingen zutreffenderweise davon aus, dass durch den Antragsgegner keine rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen wurde, sodass ebenfalls keine Wiederholunggefahr entstand. Eine solche hätte vorausgesetzt, dass entgegen § 22 KUG ein Verbreiten oder öffentliches zur Schau stellen, ohne Einwilligung des Abgebildeten stattfand, ohne dass gemäß § 23 KUG eine andere Rechtfertigung hierfür vorlag.

Das Landgericht Bielefeld stellte fest, dass ein Verstoß gegen § 22 Satz 1 KUG stattfand. Obwohl der Antragsgegner das Bild nicht selbst zur Schau stellte, sondern lediglich an die Auftraggebende Agentur weiterleitete, lag damit bereits ein Verbreiten des Bildes vor, ohne dass der Antragsteller als Abgebildeter hierin einwilligte. Denn die Weitergabe führte bereits zu einem Verlust der Kontrolle darüber, ob und wie das Bild in die Öffentlichkeit gelangte. Hieran ändere sich gemäß der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch aufgrund der Bedeutung des Grundrechts der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG nichts (BVerfG, Beschluss vom 23.06.2020 – 1 BvR 176/17).

Zugleich betonte das Landgericht Bielefeld, dass der Antragsgegner durch § 23 KUG gerechtfertigt gewesen sei, weil der Abgebildete einen Teil der Öffentlichkeit darstelle, der der Zeitgeschichte angehöre. Bei der Auslegung dieses Begriffes sei eine Abwägung zwischen den entgegenstehenden Rechten der Parteien vorzunehmen. Hier finde daher eine Abwägung zwischen dem Persönlichkeitsrecht des Antragstellers und mit der Pressefreiheit statt. Im Hinblick auf den Informationsbedarf der Öffentlichkeit umfasse der Begriff des Zeitgeschehens alle Fragen von allgemeinem gesellschaftlichem Interesse, wobei es den Medien nach dem Kern ihrer Pressefreiheit zugewiesen sei, nach eigenen publizistischen Kriterien zu entscheiden, was sie des öffentlichen Interesses für Wert erachten und was nicht (BGH, Urteil vom 09.04.2019 – VI ZR 533/16, Rn. 9). Es stehe den Medien frei, ihre Berichte über dieses Zeitgeschehen in zulässigem Rahmen mit Bildern von Alltagsszenen der Gegenwart zu illustrieren (BGH, Urteil vom 09.04.2019 – VI ZR 533/16, Rn. 9).

Laut dem Landgericht Bielefeld handele es sich bei den Auswirkungen des weltweiten Auftretens von Corona-Viren auf den Alltag der Menschen ohne Frage um ein zentrales Zeitgeschehen dieser Tage. Als Fotograph habe der Antragsgegner aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG das Recht zu dieser Illustration beizutragen und hierzu den Antragsteller als beispielhaften Teilnehmer an dem öffentlichen Leben in Berlin abzulichten, um zu dem Medienbericht zum Thema „Coronavirus in Berlin, Besucher an Brandenburger Tor, Reichstag, Tiergarten und Unter den Linden“ beizutragen. Vorliegend handele es sich bei dem Antragsteller zwar um eine der Öffentlichkeit weitestgehend unbekannte Person, deren Privatleben insofern schützenswerter sei, er sei als Teilnehmer am öffentlichen Passantenverkehr in Berlin aber lediglich in Sozialsphäre betroffen. Zudem gebe weder das konkrete Foto noch das vorgegebene Thema der Nachrichtenagentur Anlass dazu, eine abwertende Haltung gegenüber dem Antragsteller einzunehmen.

Das Landgericht Bielefeld betont, dass die weiteren Veröffentlichungen des Fotos unerheblich seien. Es sei nicht dem Antragsgegner zuzurechnen, dass nach einer rechtmäßigen Aufnahme des Bildes und einer rechtmäßigen Weitergabe des Bildes an die Agentur ohne das Einverständnis des Abgelichteten weitere Veröffentlichungen stattgefunden haben. Eine unmittelbare Beeinträchtigung habe nicht durch den Antragsgegner stattgefunden. Aber auch eine Verantwortung als mittelbarer Handlungsstörer komme nicht in Betracht. Dadurch, dass die Weitergabe durch den Antragsgegner rechtmäßig erfolgte, trage er keine Verantwortung dafür, wenn die Nachrichtenagentur aufgrund eigenständiger Entscheidung das Bild außerhalb der Grenzen des § 23 KUG und insofern rechtswidriger Weise weiterveröffentliche.

Ähnlich wie das Landgericht Bielefeld hat bereits das BVerfG im zuvor genannten Beschluss vom 23.06.2020 – 1 BvR 1716/17 – die Rechte von Journalisten gestärkt und Ihnen ebenfalls nicht, Dritte beeinträchtigendes, Handeln von Agenturen oder Presseredaktionen zugerechnet und aufgebürdet.

In dem Fall, über den das Verfassungsgericht zu entscheiden hatte, war der betroffene Journalist wegen unbefugten Verbreitens eines Bildnisses verurteilt worden, weil er ein Bild eines Abgebildeten unverpixelt weitergegeben hatte und die Presseredaktion es dann ebenfalls unverpixelt weiterveröffentlichte.

Das BVerfG entschied hier, dass Journalisten und Pressefotografen bei der Weitergabe von Bildmaterial von Presseredaktionen zwar möglicherweise dazu verpflichtet sind, auf die Umstände, unter denen die Bildaufnahmen entstanden sind, hinzuweisen, angesichts der presserechtlich gebotenen Prüfung und Verantwortung der veröffentlichenden Redaktion aber nicht schon bei der Weitergabe von Fotos dazu verpflichtet sind, diese zu verpixeln.

Eigene Stellungnahme

Den Beschlüssen des BVerfG, sowie des Landgerichts Bielefeld ist zuzustimmen. Durch diese werden die Rechte selbstständig tätiger Journalisten und Fotografen gestärkt, ohne dass die Rechte abgelichteter Personen unbillig missachtet werden. Zum einen haben Dritte im Zweifelsfall mit der Agentur ohnehin liquidere Haftungsgegner, zum anderen könnten Journalisten und Fotografen letztlich nicht mehr ihrer Arbeit nachgehen, wenn sie bei jedem Auftrag befürchten müssten, durch ein Fehlverhalten der Agentur selbst in die Haftung zu geraten. Hierdurch würde die Pressearbeit, die stark von selbstständig tätigen Journalisten und Fotografen abhängig ist, deutlich erschwert werden.

Journalisten, die Bilder lediglich an Presseredaktionen weitergeben, werden auf diese Weise entlastet. Diese dagegen haben die besseren Mittel zur Überprüfung des konkret rechtmäßigen Handelns, oft sogar eine eigene Rechtsabteilung und müssen natürlich weiterhin verantwortlich bleiben, damit die Persönlichkeitsrechte Dritter ausreichend berücksichtigt werden. 

(Dieser Beitrag wurde mit Unterstützung von RA Joscha Falkenhagen erstellt.)

Gibt es einen Anspruch auf Homeoffice?

Ein Vergleich der aktuellen Rechtslage, unter Bezugnahme des Urteils des ArbG Augsburg vom 07.05.2020 – 3 Ga 9/20, mit einem vorgelegten Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS).

Derzeit steigt die Anzahl der Corona-Neuinfektionen in Deutschland wieder rapide an. Für Arbeitgeber stellt sich damit die Frage, wie der gesetzlich vorgeschriebene Schutz der Mitarbeiter gewährleistet wird, der Betrieb aber zugleich noch funktionstüchtig bleiben kann. Manch ein Arbeitnehmer wird sich dagegen mehr denn je die Frage stellen, ob er einen Anspruch auf Homeoffice hat, um einer möglichen Ansteckungsgefahr innerhalb des Betriebs zu entgehen.

Derzeitige Gesetzeslage

Eine gesetzliche Regelung, die Arbeitgeber ausdrücklich dazu verpflichtet Arbeitnehmern die Tätigkeit im Homeoffice zu gewähren, gibt es nicht. Den Arbeitgebern obliegt eine besondere Fürsorge- und Schutzpflicht. Wie sie ihre Mitarbeiter vor Gefahren, wie zurzeit durch Corona, schützen, ist ihnen überlassen.

Vor dem Arbeitsgericht Augsburg klagte ein 63 Jahre alter Arbeitnehmer, der durch ein ärztliches Attest ein erhöhtes Risiko durch eine Sars-CoV-2-Infektion nachwies und sich bis dahin ein Büro mit einer weiteren Mitarbeiterin teilte, sowie montags jeweils 90 Minuten Unterricht gab. Er wollte seinen Arbeitgeber gerichtlich dazu verpflichten, ihm die Tätigkeit im Homeoffice zu gestatten oder ihm jedenfalls ein Einzelbüro zur Verfügung zu stellen, da sein Risiko ansonsten zu hoch sei.

Das Gericht wies die Klage mit der Begründung ab, dass es keinen gesetzlichen Anspruch darauf gebe, im Homeoffice zu arbeiten oder ein Einzelbüro zu erhalten. Der Arbeitgeber sei dazu verpflichtet die Gesundheit und das Leben seiner Mitarbeiter zu schützen und entsprechende Schutzvorkehrungen zu schaffen. Dies müsse aber nicht durch die Gestattung der Tätigkeit im Homeoffice geschehen oder in einem Einzelbüro geschehen. Auch in einem Büro mit mehreren Mitarbeitern sei es möglich die Mitarbeiter ausreichend zu schützen.

Durch die Entscheidung wird noch einmal bestätigt, dass die Tätigkeit im Homeoffice derzeit nur dann möglich ist, wenn der Arbeitgeber dies ausdrücklich gestattet.

Gesetzesentwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil erstellte Anfang Oktober einen Gesetzesentwurf für das „Mobile Arbeit Gesetz“ vor. Mit diesem schlug er einen Anspruch auf mindestens 24 Tage Homeoffice im Jahr für Arbeitnehmer vor, falls deren Tätigkeit dies erlaube. Der Entwurf sah also vor, dass der Arbeitgeber konkrete betriebliche Gründe vorweisen sollte, wegen denen die beantragte Tätigkeit nicht möglich sei. Außerdem hätte der Betriebsrat ein erzwingbares Mitbestimmungsrecht in Bezug auf die Einführung und Ausgestaltung der mobilen Arbeit erhalten sollen.

Inzwischen hat das Kanzleiamt die Initiative wieder gestoppt, weil der Koalitionsvertrag keinen Anspruch auf Homeoffice vorsehe und eine Einigung zwischen den Bundesministerien derzeit noch nicht erzielt werden könne. Arbeitnehmer, deren Arbeitgeber Homeoffice nicht unterstützen, sollten sich daher noch keine zu großen Hoffnungen machen.

EU-Recht als möglicher Antrieb der Entwicklung

Dennoch zeigt sich: Der neue Trend zum mobilen Arbeiten bringt Dynamik in die Diskussion um ein entsprechendes Gesetz. Der Entwurf des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales wurde zum Teil damit begründet, dass Deutschland die EU-Richtlinie 2019/1158 zur „Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige“ noch bis zum 02.08.2022 umsetzen muss.

Diese Richtlinie sieht unter anderem vor, dass solche Arbeitnehmer, die Pflege von Angehörigen leisten müssen oder Kinder im Alter unter acht Jahren haben, flexible Arbeitsbedingungen, zu denen ausdrücklich auch Telearbeit gehören kann, beim Arbeitgeber beantragen dürfen. Arbeitgeber sollen gemäß der EU-Richtline dann dazu verpflichtet werden sollen, bei der Entscheidung über den Antrag nicht nur die Belange des Betriebes, sondern auch die der Arbeitnehmer zu berücksichtigen.  

Auch wenn die EU-Richtlinie die Mitgliedsstaaten ebenfalls nicht dazu verpflichtet ein Recht auf Homeoffice einzuführen, so ist doch davon auszugehen, dass die Diskussion um ein solches Recht spätestens bei der Ausgestaltung der Umsetzung der Richtlinie wiederaufkommen wird. In Zukunft ist daher in diesem Rechtsbereich noch mit Veränderungen zu rechnen.

(Der Beitrag wurde mit Unterstützung von RA Joscha Falkenhagen erstellt.)

Gesetzgeber erschwert Abmahnungen

Der Bundesrat billigte am 9. Oktober 2020 das „Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs“, das der Bundestag am 10. September 2020 verabschiedet hatte. Mit dieser Novelle des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) werden künftig Abmahnungen erschwert, war es doch erklärtes Ziel des Gesetzgebers, dem Abmahnmissbrauch die Grundlage zu entziehen und insbesondere Selbständige sowie kleinere und mittlere Unternehmen vor den Folgen unnötiger und wettbewerbsschädlicher Massenabmahnungen zu schützen.

I.

Das Gesetz stellt künftig erhöhte Anforderungen an die Abmahn- und Klagebefugnis. Wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche können nur „Mitbewerber, die Waren oder Dienstleistungen in nicht unerheblichem Maße und nicht nur gelegentlich vertreiben oder nachfragen“ geltend machen, somit nur Mitbewerber, die tatsächlich aktiv geschäftlich tätig sind.

Darüber hinaus sind Wirtschaftsverbände nur noch dann abmahn- und klagebefugt, wenn sie in einer Liste der „qualifizierten Wirtschaftsverbände“ eingetragen wurden. Diese Eintragung ist an bestimmte Voraussetzungen geknüpft: Dem Wirtschaftsverband müssen nachweislich mindestens 75 Mitgliedsunternehmen angehören, ferner muss eine erhebliche Anzahl dieser Mitgliedsunternehmen Waren oder Dienstleistungen gleicher oder verwandter Art auf demselben Markt vertreiben und der Gesetzesverstoß muss die Interessen dieser Mitglieder berühren.

II.

Ferner will das Gesetz finanzielle Fehlanreize beseitigen. In einem neuen § 8 c UWG wird die „missbräuchliche Geltendmachung von Ansprüchen“ in Form von Beispielen konkretisiert. So ist eine missbräuchliche Geltendmachung wettbewerbsrechtlicher Ansprüche im Zweifel anzunehmen, wenn die Geltendmachung der Ansprüche vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder von Kosten der Rechtsverfolgung oder die Zahlung einer Vertragsstrafe entstehen zu lassen,

  • ein Mitbewerber eine erhebliche Anzahl von Verstößen gegen die gleiche Rechtsvorschrift durch Abmahnungen geltend macht, wenn die Anzahl der geltend gemachten Verstöße außer Verhältnis zum Umfang der eigenen Geschäftstätigkeit steht oder wenn anzunehmen ist, dass der Mitbewerber das wirtschaftliche Risiko seines außergerichtlichen oder gerichtlichen Vorgehens nicht selbst trägt,
  • ein Mitbewerber den Gegenstandswert für eine Abmahnung unangemessen hoch ansetzt,
  • offensichtlich überhöhte Vertragsstrafen vereinbart oder gefordert werden,
  • eine vorgeschlagene Unterlassungsverpflichtung offensichtlich über die abgemahnte Rechtsverletzung hinausgeht,
  • mehrere Zuwiderhandlungen, die zusammen hätten abgemahnt werden können, einzeln abgemahnt werden oder
  • wegen einer Zuwiderhandlung, für die mehrere Zuwiderhandelnde verantwortlich sind, die Ansprüche gegen die Zuwiderhandelnden ohne sachlichen Grund nicht zusammen geltend gemacht werden.

Diese Beispiele haben allerdings lediglich Indizwirkung, die widerlegt werden kann.

III.

Der Anspruch auf Kostenerstattung eines Mitbewerbers für eine Abmahnung entfällt, wenn es sich um Verstöße gegen gesetzliche Informations- und Kennzeichnungspflichten im Internet handelt oder um Datenschutzverstöße von Unternehmen mit weniger als 250 Beschäftigten. In diesen Fällen ist bei einer erstmaligen Abmahnung auch die Geltendmachung einer Vertragsstrafe ausgeschlossen, wenn der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt.

IV.

Abgemahnte Unternehmen sollen missbräuchliche Abmahnungen durch die Schaffung mehrerer Regelbeispiele leichter darlegen können. Dazu zählen die massenhafte Versendung von Abmahnungen durch Mitbewerber, ebenso wie Fälle, in denen eine offensichtlich überhöhte Vertragsstrafe verlangt wird oder Mitbewerber einen unangemessen hohen Gegenstandswert ansetzen.

Die Abmahnung ist nunmehr explizit in § 13 UWG geregelt, die Wirksamkeit auch an inhaltliche Vorgaben geknüpft.

Sollte sich eine Abmahnung als ungerechtfertigt herausstellen oder nicht die erforderlichen Informationen enthalten, können die Betroffenen vom Abmahnenden die Erstattung ihrer Kosten für die erforderliche Rechtsverteidigung verlangen. Vor Ausspruch einer Abmahnung muss nunmehr die Berechtigung einer Abmahnung im Einzelfall sehr sorgfältig geprüft werden, um finanzielle Risiken zu vermeiden.

V.

Ein neuer § 13 a UWG enthält jetzt explizit Regelungen zur Vertragsstrafe. Vertragsstrafen dürfen künftig eine Höhe von 1.000 Euro nicht überschreiten, wenn ein unerheblicher Verstoß vorliegt und der Abgemahnte in der Regel weniger als 100 Mitarbeiter beschäftigt. Damit soll Abmahnungen, die allein das Ziel der Generierung von Vertragsstrafen verfolgen, die Grundlage entzogen werden.

VI.

Schließlich wird auch die Wahl des Gerichtsstands zukünftig eingeschränkt. Der Gerichtsstand der unerlaubten Handlung, auch „fliegender Gerichtsstand“ genannt, ermöglichte dem Kläger bislang bei nicht ortsgebundenen Rechtsverletzungen, sich das für ihn passende Gericht auszusuchen. Künftig gilt insbesondere auch bei Rechtsverletzungen im Internet und im elektronischen Geschäftsverkehr, bei denen der fliegende Gerichtsstand bislang eine besonders große Rolle spielte, einheitlich der allgemeine Gerichtsstand des Beklagten, der vorher abgemahnt wurde.

Das Gesetz zur Stärkung des fairen Wettbewerbs stößt durchaus auch auf kritische Stimmen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen, die die gesetzlichen Vorgaben bei DSGVO, Impressum, Verbraucherinformationen oder Produktkennzeichen mit viel Aufwand und Mühe umgesetzt haben, ärgern sich, wenn Mitbewerber, die es damit nicht so genau nehmen, weder die Kosten der Rechtsverfolgung erstatten müssen noch mit einer Vertragsstrafe belegt werden können. Einerseits verstärkt der Gesetzgeber den Verbraucherschutz, andererseits werden Verstöße von kleinen und mittleren Unternehmen dagegen durch die Neuregelung des UWG zu Bagatellen deklariert. Unternehmen müssen aufgrund der erheblich höheren Risiken künftig vermehrt damit rechnen, auf Abmahnkosten sitzenzubleiben.

Das Gesetz wurde der Bundesregierung zugeleitet, die es dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung vorlegt. Anschließend kann es im Bundesgesetzblatt verkündet werden. Es soll zu großen Teilen am Tag danach in Kraft treten.

TCI Rechtsanwälte berät die Nimbus Beteiligungsgesellschaft im IT- und Datenschutzrecht bei dem Erwerb eines Teils des Kerngeschäfts der EISENMANN

Die Transaktion: Nimbus erwirbt das gesamte Service- Ersatzteilgeschäft des Geschäftsbereich Paint&Assembly der EISENMANN-Gruppe und führt auch das Projekt- und Retrofit-Geschäft fort.

Die mit dem Insolvenzverwalter Joachim Exner erzielte Investorenlösung umfasst neben dem gesamten Service- Ersatzteilgeschäft auch die Fortführung des Projekt- und Retrofit-Geschäftes der Eisenmann-Sparte Paint&Assembly. „Mit dem Verkauf bleiben nicht nur ein wesentlicher Teil des Kerngeschäfts und der Technologie von Eisenmann sondern auch 110 Arbeitsplätze erhalten“, betonte Exner. „Er stellt vor allem auch sicher, dass die weltweit über 500 Eisenmann-Lackieranlagen weiter mit Service und Ersatzteilen bedient werden – und zwar über die gesamte Produktpalette.“

Erwerber ist der niederländische Beteiligungsfonds Nimbus, die u.a. auch am Anlagenbauer für Oberflächentechnik Sturm Gruppe, Salching, beteiligt ist. Nimbus ist auf die Übernahme von Unternehmen in Turn-Around-Situationen spezialisiert „Nimbus ist ein Investor, der strategisch hervorragend zu Eisenmann passt“, betonte Exner. „Die Gruppe verfügt über ausgeprägtes Branchen-Know-how im Anlagebau.“

Unter Federführung des langjährigen Beraters von Nimbus, Rechtsanwalt und Notar Oliver Thum, haben Stephan Schmidt, TCI Rechtsanwälte Mainz (IT-Recht und Datenschutz), Georg Melzer, Frankfurt am Main (Arbeitsrecht), Markus Fünning, Kanzlei PLUTA, Ulm (Insolvenzrecht) und Florian Heim, Wunderlich & Heim, München (IP-Recht), die als Asset Deal strukturierten Akquisitionen auf Seiten von Nimbus beraten.

Insolvenzverwalter Exner wurde von einem Team von Clifford Chance, Frankfurt a.M. beraten.

Thum, Melzer und Schmidt stehen Nimbus regelmäßig schon seit langem in den deutschen Transaktionen von Nimbus beratend zur Seite. Fünning war das erste Mal auf Seiten von Nimbus tätig, Heim wurde als Berater der Sturm Gruppe für die komplexen patent- und lizenzrechtlichen Themen dieser Transaktion mandatiert.

Die Datenschutzerklärung des Schiedsgerichts

In der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift für Schiedsverfahren (SchiedsVZ) ist ein Beitrag unserer Partnerin Dr. Truiken Heydn mit dem Titel „Die Datenschutzerklärung des Schiedsgerichts“ erschienen (SchiedsVZ 2020, 242). Unsere Partnerin Dr. Truiken Heydn ist in internationalen und nationalen Schiedsverfahren als Schiedsrichterin tätig. Die DSGVO gilt nach allgemeiner Meinung auch in Schiedsverfahren. Der Beitrag enthält ein Muster einer Datenschutzerklärung eines Schiedsgerichts und soll Schiedsgerichten, die mit dem Datenschutzrecht weniger vertraut sind, eine Hilfestellung bieten, ein Schiedsverfahren datenschutzrechtskonform durchzuführen.

On-Premise-Lizenzen oder Cloud-Abonnements: 7 wichtige rechtliche Aspekte

Immer mehr Unternehmen tendieren zu Cloud-Anwendungen und verabschieden sich von den klassischen On-Premise-Lizenzen. Bei dieser Entscheidung spielen meist technische und finanzielle Aspekte die Hauptrolle. Oft ist den Entscheidern aber nicht bewusst, dass der Wechsel auf eine Cloud-Lösung für das Unternehmen auch entscheidende rechtliche Änderungen mit sich bringt.  So sollte u.a. auf die folgenden Punkte geachtet werden:

  • Vertragstyp: Bei den meisten On-Premise-Lizenzen handelt es sich um Kauflizenzen. Demgegenüber unterfallen Cloud-Abonnements grundsätzlich dem Mietrecht
  • Insolvenz des Anbieters: Im Unterschied zu Kauf-Lizenzen sind Abonnement-Lizenzen nicht insolvenzfest.
  • Vertragsbeendigung bei Cloud-Services: Der Erwerb einer Kauflizenz bei On-Premise-Nutzung gilt auf Dauer, der Anwender kann die Software also zeitlich unbeschränkt nutzen. Demgegenüber endet das Nutzungsrecht für den Cloud-Service mit der Vertragsbeendigung. Ein Zugriff des Kunden auf den Service ist dann ausgeschlossen. Das kann insbesondere Probleme Hinblick auf Archivierungspflichten des Unternehmens mit sich bringen.
  • Beendigungsunterstützung: Nutzer eines Cloud-Services benötigen im Regelfall die Unterstützung des Anbieters bei der Migration der Anwendung bzw. der Daten im Falle der Vertragsbeendigung. In den wenigsten Cloud-Verträgen findet sich jedoch eine Verpflichtung des Anbieters, den Kunden hierbei zu unterstützen.
  • Aufsichtsrechtliche Anforderungen an Cloud-Verträge: Für regulierte Branchen gelten besondere aufsichtsrechtliche Anforderungen.  Zu nennen sind hier unter anderem die EBA-Guidelines, die MA-Risk oder die BAIT. Der Anwender ist gehalten, die entsprechenden Anforderungen in seinem Vertrag mit dem Cloud-Anbieter abzubilden. Für Unternehmen aus anderen Branchen gelten diese Anforderungen zwar nicht unmittelbar, sie können aber als Orientierungsmaßstab für Best Practices herangezogen werden.  Bei den Standardverträgen der meisten Cloud-Anbieter kann nicht davon ausgegangen werden, dass sie den aufsichtsrechtlichen Anforderungen in allen Punkten entsprechen; hier muss gegebenenfalls nachverhandelt werden.
  • Datenschutzrecht: Bei Cloud-Services stellen sich besondere datenschutzrechtliche Probleme. Das gilt insbesondere dann, wenn der Cloud-Anbieter personenbezogene Daten außerhalb der EU in einem Drittland (insbesondere in den USA) verarbeitet oder speichert. Die Probleme haben sich angesichts der jüngsten Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Schrems II) noch verschärft. Besondere Probleme macht auch der sog. US-Cloud-Act, auf dessen Grundlage US- Behörden auf Daten in US-Clouddiensten zugreifen dürfen.
  • Anwendbares Recht: Vielen Anwendern ist nicht bewusst, dass der Cloud-Vertrag gegebenenfalls nicht dem deutschen Recht, sondern ausländischen Recht unterfällt. So kann z.B. irisches oder luxemburgisches Recht anwendbar sein. Diese Rechtsordnungen können sich in vielen wichtigen Punkten vom deutschen Recht unterscheiden. Dies bedeutet, dass entsprechende Verträge auch von ausländischen Juristen geprüft werden müssen, was die rechtliche Prüfung deutlich erschwert. Kommt es zu einem Rechtsstreit, dann ist dieser im gegebenenfalls im Auslandebenfalls im Ausland zu führen, was für den Anwender deutliche Nachteile und im Regelfall erhebliche Zusatzkosten mit sich bringt.

Fazit: Ein Wechsel von On-Premise-Lizenzen in die Cloud bedeutet im Regelfall nicht nur einen Austausch der technischen Plattform, sondern zieht meist erhebliche rechtliche Änderungen nach sich. Für den Kunden bedeutet dies in der Regel, dass er rein faktisch eine deutlich höhere Abhängigkeit zum Anbieter gerät, wobei Rechte des Kunden in den Standardverträgen der Anbieter zumeist vergleichsweise schwach ausgeprägt sind.

Bloße Verständnisfrage, reine Äußerung rechtlicher Zweifel oder eine Rüge im Sinne des § 160 Abs. 3 GWB

Die Frage, wie eine Vergaberüge formuliert sein muss und unter welchen Umständen bereits eine Frage als Rüge anzusehen ist, ist von erheblicher Bedeutung. In einem Beschluss vom 28. Mai 2020 hat die 1. Vergabekammer des Bundes (VK Bund) nunmehr die wesentlichen Maßgaben für diese Frage dargelegt. Zudem enthält die Entscheidung Hinweise zu der Form von Nichtabhilfemitteilungen und dem Lauf der Frist für die Einreichung eines Nachprüfungsantrages.

Sachverhalt

Der öffentliche Auftraggeber (AG) führte eine Ausschreibung im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb aus. Im Laufe des Vergabeverfahrens teilte der Antragsteller (AS) dem AG mit, dass die Vergabeunterlagen aus seiner Sicht in mehrfacher Hinsicht fehlerhaft seien. U.a. teilte der Bieter mit, dass er eine zeitliche Machbarkeit bezweifle und eine ordentliche Vergabe ohne belastbare Abklärung für fraglich halte. Jeder der Hinweise endete mit dem Satz:

„Wie stellt sich der AG im Wettbewerbsverfahren verantwortlich zu dieser Problematik?“

Der AG beantwortete die Fragen, änderte die Vergabeunterlagen in den meisten Fällen jedoch nicht ab. Nachdem die Wertung der Angebote beendet war, wurde der AS darüber informiert, dass sein Angebot nicht das wirtschaftlichste sei und der Zuschlag an den Beigeladenen erteilt werde. Dies rügte der AS erfolglos, woraufhin der AS die Einleitung eines Nachprüfungsverfahrens beantragte.  

Entscheidung

Der Nachprüfungsantrag wurde verworfen. So führte die 1. Vergabekammer des Bundes aus, dass der Nachprüfungsantrag bereits gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB unzulässig sei. Die im Vergabeverfahren gestellten Fragen seien Rügen im Sinne des § 160 Abs. 3 GWB. Für die Frage, ob es sich um Rügen oder Bieterfragen handelt, komme es nicht darauf an, wie der Antragsteller selbst seine Schreiben verstanden wissen wollte. Ob ein konkretes Bieterverhalten eine Rüge darstellt, sei von den Vergabenachprüfungsinstanzen objektiv zu beurteilen und stehe nicht zur Disposition der Beteiligten.

Der erforderliche Inhalt einer ordnungsgemäßen Rüge ergäbe sich aus deren Zweck. Eine Rüge soll dem AG frühzeitig Gelegenheit geben, ein vergaberechtswidriges Verhalten zu erkennen und dieses ggf. zu beseitigen, um die Vergabe rasch zum Abschluss zu bringen und ein zeit- und kostenaufwändiges Nachprüfungsverfahren zu vermeiden.  Mit einer Rüge bringe ein Bieter eine Beanstandung zum Ausdruck. Ein Rüge liege deshalb bereits dann vor, wenn der Bieter die Tatsachen, auf die die Beanstandung gestützt wird, nachvollziehbar benennt und aus der Rüge deutlich wird, dass es sich aus Sicht des Bieters um einen Vergaberechtsverstoß handelt, dessen Abhilfe begehrt wird.

Auch im Hinblick auf einer Nichtabhilfemitteilung ist nicht die konkrete Bezeichnung als solche entscheidend: Es reicht vielmehr aus, wenn ein Auftraggeber zu einzelnen Rügen konkret Stellung nimmt und mit seiner Stellungnahme keine Änderungen der Vergabeunterlagen in Aussicht stellt. Denn bereits dann ist einem Bieter unmissverständlich klar, dass er sein Angebot auf unveränderter Grundlage abzugeben hat, weil der Auftraggeber seinen Beanstandungen trotz ausdrücklicher Würdigung nicht nachgekommen ist.

Auch zum Lauf der 15-Tage-Frist für die Einreichung des Nachprüfungsantrags gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB enthält der Beschluss konkrete Maßgaben: Es komme dabei nicht darauf an, ob dem Bieter bewusst sei, dass er eine Nichtabhilfemitteilung erhalten habe und damit die Frist für die Einreichung eines Nachprüfungsantrags zu laufen begonnen hat. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 4 GWB enthalte eine Rechtsbehelfsfrist. Der Beginn solcher Fristen setze nicht die individuelle Kenntnis des Betroffenen voraus, sondern eine entsprechende Rechtsbehelfsbelehrung. Wenn der Bieter bereits in der Bekanntmachung auf § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 4 GWB und die damit verbundenen Rechtsfolgen hingewiesen worden seisei es deshalb unerheblich, ob ihm der Lauf der Frist konkret bewusst war.