Der Widerrufsbutton kommt – Deutscher Gesetzentwurf liegt vor

Im Online-Handel wird es ab Juni 2026 eine elektronische Widerrufsfunktion, den sog. Widerrufsbutton, geben. Damit sollen Verbraucherrechte gestärkt werden. Aber was bedeutet das für Unternehmen?

Widerrufsbutton: Verbraucherfreundliche Innovation oder neues Risiko für Unternehmer?

Mit der Umsetzung der geänderten EU-Verbraucherrechte-Richtlinie 2023/2673 plant der deutsche Gesetzgeber die Einführung einer elektronischen Widerrufsfunktion, wie aus einem aktuellen Gesetzentwurf hervorgeht. Der Entwurf wurde am 17. Oktober im Bundestag in erster Lesung debattiert und geht jetzt den Weg durch das parlamentarische Verfahren.

Verbraucherinnen und Verbraucher sollen Verträge künftig genauso einfach widerrufen können, wie sie sie online abgeschlossen haben – per Klick auf einen sogenannten Widerrufsbutton.

Was als Fortschritt im digitalen Verbraucherschutz angekündigt wird, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als komplexes Vorhaben mit zahlreichen rechtlichen Unsicherheiten auf Seiten der Unternehmen.

Die Anforderungen an Gestaltung, Platzierung und technische Umsetzung des Buttons sind hoch – und die Folgen bei Verstößen erheblich.

Neue Pflicht für alle Online-Anbieter

Nach dem Gesetzentwurf soll ein neuer § 356a BGB eingeführt werden.

Unternehmer, die Fernabsatzverträge über eine Online-Benutzeroberfläche schließen, sollen eine elektronische Widerrufsfunktion bereitstellen. Diese muss gut lesbar, während des Laufs der Widerrufsfrist auf der Online-Benutzeroberfläche ständig verfügbar, leicht zugänglich und hervorgehoben platziert sein.

Doch was genau bedeuten diese Anforderungen? Reicht ein Text-Link im Footer? Muss es ein Button sein? Muss die Funktion auch dann angezeigt werden, wenn die Widerrufsfrist längst abgelaufen ist? Oder wäre dies gar eine abmahnfähige Irreführung?

Der Gesetzgeber bleibt hier vage – mit erheblichen Risiken für die unternehmerische Praxis und den Wettbewerb.

Wird die Widerrufsfunktion falsch oder unzureichend umgesetzt, drohen voraussichtlich Abmahnungen durch Mitbewerber und Verbände, Bußgelder sowie unter bestimmten Umständen eine Verlängerung der Widerrufsfrist um bis zu zwölf Monate und 14 Tage.

Technische Umsetzung mit juristischen Fallstricken

Die Vorgaben gehen weit über eine einfache „Schaltfläche“ hinaus. Unternehmen müssen z.B. auch sicherstellen, dass eine Eingangsbestätigung unverzüglich verschickt wird und dass die Kommunikation des Widerrufs nachvollziehbar dokumentiert werden kann.

Problematisch ist insbesondere die Beweislastverteilung: Der Verbraucher muss nachweisen, dass er den Widerruf rechtzeitig abgesendet hat – was schwierig werden kann, wenn die technische Bestätigung verzögert oder gar nicht erfolgt.

Mehr Bürokratie statt echten Mehrwerts?

Ziel der Reform ist es, Verbraucherinnen und Verbrauchern einen niedrigschwelligen Zugang zum Widerruf zu bieten. Doch ob das wirklich nötig ist, darf bezweifelt werden. Schon heute können Verbraucher ihren Widerruf formfrei, etwa per E-Mail, erklären und die hohen Rücksendequoten der Online-Händler zeigen, dass Verbraucher sehr gut wissen, wie sie den Widerruf erklären können.

Statt einer echten Erleichterung entsteht für Unternehmen ein erheblicher bürokratischer und technischer Aufwand – zumal viele Anbieter längst kundenfreundliche Rücksendeprozesse über ihre Onlineshops etabliert haben.

Die Kostenannahmen der Bundesregierung, wonach die Umsetzung nur rund 240 Euro pro Unternehmen betragen soll, sind daher kaum realistisch. Neben der technischen Implementierung kommen rechtliche Prüfungen, anwaltliche Beratung und Anpassungen sämtlicher Informationspflichten hinzu.

Anpassung der Widerrufsbelehrung

Die Einführung der elektronischen Widerrufsfunktion hat (natürlich) auch eine Anpassung der Widerrufsbelehrung zur Folge. Erneut müssen juristische Texte angepasst und die Änderung genau nachverfolgt werden, damit keine Fehler entstehen. Auf Unternehmen kommt damit im Bereich des Widerrufsrechtes viel Arbeit zu.

Handlungsbedarf und Ausblick

Bis zum 19. Dezember 2025 müssen die nationalen Regelungen in Kraft treten, anwendbar sind sie, wenn die Umsetzung fristgerecht erfolgt, ab dem 19. Juni 2026. Unternehmen sollten die verbleibende Zeit nutzen, um ihre Systeme rechtzeitig anzupassen und die rechtlichen Implikationen zu prüfen.

Das ist ja noch lange hin…?

Der 19. Juni 2026 klingt noch weit entfernt. Da hier aber neue Funktionen auf der Webseite etabliert und evtl. sogar mit den Kundenkonten verknüpft werden müssen, dürfte ein hoher IT-Aufwand hinter der Umsetzung stecken. Die Anpassung der rechtlichen Texte dürfte dabei noch die geringste Rolle einnehmen.

Die Anpassungen sollten also frühzeitig in bestehende oder neue Projekte eingeplant werden.

Aufsatz zu Details

Welche Auswirkungen das Gesetz zur Einführung des Widerrufsbuttons auf die Praxis hat und welche Fragen noch offen sind, hat Martin Rätze ausführlich in der Zeitschrift Wettbewerb in Recht und Praxis WRP dargestellt.

Den Aufsatz können Sie hier herunterladen.

Fazit

Die elektronische Widerrufsfunktion wird kommen, das steht fest. Der Gesetzentwurf liegt nun vor. Inhaltlich dürfte sich im parlamentarischen Verfahren nur noch wenig bis nichts daran ändern, sodass mit diesem für eine grundsätzliche Vorbereitung gearbeitet werden kann. Die letzten Details werden aber erst bekannt sein, wenn der Bundestag das Gesetz verabschiedet hat.

Gerne unterstützen wir Sie bei der Umsetzung der neuen gesetzlichen Vorgaben in Ihrem Shop. Sprechen Sie uns gerne an.

Schadenersatz wegen Google Fonts? Jetzt muss der EuGH entscheiden

Erinnern Sie sich? Vor einiger Zeit schwappte eine Welle von Abmahnungen über Deutschland, weil Betreiber von Webseiten Google Fonts einsetzten. Gezahlt werden sollten niedrige Beträge. Einer, der gezahlt hat, klagte jetzt auf Rückzahlung. Eine der zentralen Fragen: Gibt es Schadenersatz auch bei missbräuchlichem Verhalten?

Hintergrund des Verfahrens

Ausgangspunkt des Rechtsstreits ist der massenhafte Versand von Abmahnungen wegen der dynamischen Einbindung von Google Fonts. Der Beklagte hatte mithilfe eines Webcrawlers automatisiert Webseiten aufgerufen, die Schriften über Google-Server luden. Durch diese Art der Einbindung der Google-Fonts wurde die jeweilige IP-Adresse an Google in die USA übermittelt wurde.

Anschließend verschickte der Beklagte über seinen Rechtsanwalt standardisierte Schreiben an die Betreiber der betroffenen Seiten, in denen er 170 Euro als „Schmerzensgeld“ forderte.

Ein Webseiten-Betreiber zahlte den Betrag, verlangte jedoch nach Bekanntwerden der Massenabmahnung (es wurden über 100.000 (!) solcher Abmahnungen verschickt) die Rückerstattung.

Die Vorinstanzen entschieden unterschiedlich: Das AG Hannover sprach dem Kläger 70 Euro zu, das LG Hannover schließlich den vollen Betrag. Das LG sah in dem Vorgehen eine vorsätzliche sittenwidrige Entschädigung. Interessant: Beklagter war nicht nur der, der den Webcrawler einsetzte, sondern auch sein Rechtsanwalt, der letztlich die Abmahnungen verschickte.

Dabei entschied das Landgericht, dass ein Anspruch auf Schadenersatzersatzanspruch bestand, denn

  1. mit der Weitergabe der dynamischen IP-Adresse des Beklagten an Google USA war kein personenbezogenes Datum betroffen;
  2. es war kein Schaden kein entstanden und
  3. – selbst wenn es einen Schaden gegeben hätte -, wäre der Ersatzanspruch wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen.

Gegen die Entscheidung des Landgerichts legten die Beklagten Revision ein, sodass die Sache beim BGH (Beschl. vom 28.08.2025 – VI ZR 258/24) landete.

Dieser stellte fest, dass der Fall über das nationale Recht hinaus Fragen der unionsrechtlichen Auslegung der DSGVO aufwirft. Daher legte er dem EuGH drei komplexe Fragen zur Vorabentscheidung vor.

Ist die IP-Adresse ein personenbezogenes Datum?

In der ersten Frage geht es um die Frage, ob dynamische IP-Adressen personenbezogene Daten sind.

Konkret möchte der BGH wissen, ob bereits dann ein personenbezogenes Datum vorliegt, wenn irgendein Dritter – etwa der Internetzugangsanbieter – über Zusatzwissen verfügt, das eine Identifizierung erlaubt.

Oder ob es darauf ankommt, ob der übermittelnde Verantwortliche (hier der Webseitenbetreiber) oder der Empfänger (hier Google) selbst über rechtliche und tatsächliche Mittel verfügt, die Identität desjenigen zu bestimmen, dessen IP-Adresse übermittelt wurde.

Der BGH stellt damit die bislang herrschende relative Betrachtungsweise in Frage und deutet eine mögliche objektive Auslegung an.

Schaden trotz bewusster Provokation?

Die zweite Vorlagefrage betrifft die Auslegung des Art. 82 Abs. 1 DSGVO, wonach jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen die DSGVO ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadensersatz hat. Der EuGH soll klären, ob ein immaterieller Schaden auch dann vorliegen kann, wenn die betroffene Person den Verstoß bewusst und ausschließlich provoziert, um Schadensersatz geltend machen zu können.

Der BGH verweist auf die jüngere EuGH-Rechtsprechung, wonach bereits die begründete Befürchtung einer missbräuchlichen Verwendung personenbezogener Daten einen immateriellen Schaden darstellen kann. Unklar bleibt aber, ob dieser Ansatz auch gilt, wenn der Betroffene die Datenübermittlung absichtlich herbeiführt – wie im vorliegenden Fall, in dem über 100.000 Webseiten automatisiert besucht wurden.

Das LG Hannover hatte einen Schaden verneint, da der Beklagte seine IP-Adresse freiwillig preisgegeben habe und keine tatsächliche Beeinträchtigung vorliege.

Schaden ist nicht gleich Schaden

Allerdings muss aus Sicht des BGH geklärt werden, was ein Schaden ist. Im deutschen Recht verstehen Juristen darunter „jede unfreiwillige Einbuße an materiellen und immateriellen Gütern in Folge eines bestimmten Ereignisses“. Dieses Verständnis schließt einen Schadensersatz aus, wenn es sich um eine freiwillige Einbuße handelt.

Aber: Die DSGVO verweist für den Begriff des immateriellen Schadens nicht auf das jeweilige nationale Recht, sodass eine sog. autonome unionsrechtliche Auslegung vorzunehmen ist. Und dies darf nur der EuGH.

In der Vergangenheit hat der EuGH schon häufiger die Gelegenheit bekommen, sich zum Schadensbegriff zu äußern. So reicht beispielsweise der bloße Verstoß gegen die DSGVO nicht aus, vielmehr ist der Eintritt eines Schadens aufgrund dieses Verstoßes erforderlich. Dabei kann aber ein Kontrollverlust ausreichend sein. Und – sehr wichtig – die betroffene Person trägt die Beweislast für den Eintritt des Schadens.

Grundsätzlich, so der BGH, könnte man also durch die (unzulässige) Datenübertragung an Google ein solcher Kontrollverlust eingetreten sein – und damit ein ersatzfähiger Schaden.

Dieser Überlegung kann aber entgegenstehen, dass der Beklagte es ganz gezielt auf die Übertragung der Daten in die USA angelegt hat.

Eine solche Provokation zum Gesetzesverstoß war bisher noch nicht Gegenstand der Rechtsprechung des EuGH, weswegen der BGH diese Frage vorlegt.

Rechtsmissbrauch und unionsrechtliche Grenzen

Schließlich möchte der BGH vom EuGH wissen, ob in Fällen dieser Art ein Anspruch auf Ersatz immaterieller Schäden wegen Rechtsmissbrauchs ausgeschlossen werden kann. Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH ist eine missbräuchliche Berufung auf Unionsrecht unzulässig, auch im Verhältnis zwischen Privaten.

Der BGH bittet um Klärung, ob bereits die bewusste Schaffung der Voraussetzungen für einen Datenschutzverstoß – verbunden mit dem Ziel, sich daraus finanzielle Vorteile zu verschaffen – als missbräuchliches Verhalten im Sinne des Unionsrechts zu qualifizieren ist. Offen ist zudem, ob ein solches Verhalten nur dann als rechtsmissbräuchlich gilt, wenn die finanzielle Motivation allein ausschlaggebend war, oder ob auch „gemischte“ Beweggründe – etwa ein behauptetes Datenschutzinteresse – ausreichen.

Bedeutung für Praxis und Datenschutzrecht – nicht nur beim Einsatz von Google Fonts

Die Vorlageentscheidung ist für die Praxis von erheblicher Relevanz. Zum einen berührt sie die grundlegende Frage, wann technische Identifikatoren wie dynamische IP-Adressen personenbezogene Daten darstellen.

Diese Frage ist insbesondere für Webseiten-Betreiber relevant, z.B. auch für den Einsatz des Google Tag Managers und der Notwendigkeit des Einholens einer Einwilligung.

Zum anderen betrifft das Verfahren den zunehmenden Trend zu „Abmahn- und Schadensersatzaktionen“ im Datenschutzrecht. Sollte der EuGH auch bei provozierten Datenschutzverstößen einen Schadensersatzanspruch bejahen, könnte dies zu einer neuen Welle von Abmahnung als Einnahmequelle für Betroffene führen.

Verneint der EuGH hingegen die Ersatzfähigkeit oder erkennt einen Missbrauch an, würde dies den Versuch unterbinden, aus gezielten DSGVO-Verletzungen finanzielle Vorteile zu ziehen.

Ausblick

Bis zur Entscheidung des EuGH bleibt offen, ob die Übermittlung einer dynamischen IP-Adresse bereits an sich ein personenbezogenes Datum ist und ob bewusst provozierte Datenschutzverstöße einen ersatzfähigen immateriellen Schaden begründen können. Die Entscheidung des BGH verdeutlicht, dass das Verhältnis von Datenschutz und Rechtsmissbrauch im Rahmen der DSGVO bisher weiterhin ungeklärt ist. Der EuGH erhält erneut die Gelegenheit, Grundsatzfragen des europäischen Datenschutzrechts zu beantworten.

Bei Fragen zum Datenschutz unterstützen wir Sie gerne.

BGH erklärt Coaching-Vertrag für nichtig: Brisante Auswirkungen für die gesamte Coaching-Branche

Der Bundesgerichtshof hat ein richtungsweisendes Urteil zur Nichtigkeit eines Coaching-Vertrags gefällt – mit weitreichenden Folgen für die gesamte Coaching-, Trainings- und Weiterbildungsbranche. Erstmals wurde höchstrichterlich entschieden, dass ein nicht zugelassener Fernunterrichtsvertrag nach dem Fernunterrichtsschutzgesetz (FernUSG) nichtig ist. Das Urteil zwingt viele Anbieter zur kritischen Prüfung ihres Geschäftsmodells.

I. Das Urteil

Hintergrund des Urteils: Was war passiert?

Im Zentrum des Rechtsstreits beim BGH (Urt. v. 12.06.2025, III ZR 109/24) stand ein hochpreisiges Business-Coaching-Programm („9-Monats-Business-Mentoring-Programm Finanzielle Fitness“) zu einem Gesamtpreis von 47.600 Euro.

Der Kläger hatte die Hälfte dieser Kosten bereits bezahlt.

Die Beklagte – ein Coaching-Unternehmen – bot eine Kombination aus Videolektionen, Live-Calls, Hausaufgaben und Einzel-Coachings an.

Eine behördliche Zulassung gemäß § 12 Abs. 1 FernUSG lag nicht vor.

Der Kläger kündigte den Vertrag vorzeitig und verlangte die Rückzahlung der bereits gezahlten 23.800 Euro. Während das Landgericht noch zugunsten der Beklagten entschied und die Klage auf Rückzahlung abwies, hob das OLG Stuttgart dieses Urteil auf und verurteilte die Beklagte zur Rückzahlung.

Der BGH bestätigte nun diese Entscheidung in letzter Instanz.

Die Kernaussage des Urteils: Fernunterricht ohne Zulassung = Nichtigkeit

Der BGH stellte klar: Das streitgegenständliche Mentoring-Programm ist Fernunterricht im Sinne des FernUSG.

Es liegt eine entgeltliche Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten vor (§ 1 Abs. 1 FernUSG), bei der eine überwiegende räumliche Trennung zwischen Lehrenden und Lernenden besteht – auch bei synchronem Online-Unterricht.

Hinzu kam die Überwachung des Lernerfolgs, etwa durch Hausaufgaben und Feedbackmöglichkeiten in Calls oder Gruppen.

Da für das Programm keine Zulassung durch die Staatliche Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) vorlag, erklärte der BGH den Vertrag gem. § 7 Abs. 1 FernUSG für nichtig.

Relevanz für die Branche: Wer ist betroffen?

Die Coaching-Szene hat in den letzten Jahren einen enormen Boom erlebt – insbesondere im Bereich Online-Coaching, Mindset-Training, Business-Mentoring und Persönlichkeitsentwicklung.

Genau diese Formate stehen nun im Fokus, denn:

Sobald ein Coaching-Vertrag die Kriterien des Fernunterrichts nach § 1 FernUSG erfüllt, ist eine behördliche Zulassung zwingend erforderlich.

Fehlt diese, ist der Vertrag nichtig – mit gravierenden finanziellen und rechtlichen Folgen.

Wichtige Klarstellungen durch den BGH

Das Urteil enthält mehrere grundsätzliche Aussagen, die besonders für Anbieter von Coaching- und Online-Programmen von Bedeutung sind:

1. Coaching = Wissensvermittlung

Das § 1 Abs. 1 FernUSG sieht zunächst vor, dass Fernunterricht eine Vermittlung von Kenntnissen und Fähigkeiten voraussetzt.

Im vorliegenden Fall hatte der BGH nicht zu entscheiden, ob auch eine individuelle und persönliche Beratung unter den Anwendungsbereich des FernUSG fällt, da nach seiner Einschätzung im vorliegenden Fall die Wissensvermittlung deutlich im Vordergrund stand. Selbst wenn der Coaching-Anbieter sein Angebot als „individuelle Begleitung“ oder „Mindset-Arbeit“ vermarktet, liegt laut BGH in vielen Fällen eine Wissensvermittlung vor – etwa zu Marketing, Vertrieb oder Geschäftsmodellen.

Offen bleibt aber die Frage, ob Coaching-Angebote aus dem Anwendungsbereich fallen, wenn es nicht und nur untergeordnet um Wissensvermittlung geht, sondern stattdessen um individuelle Beratung.

2. Überwiegende räumliche Trennung und Online Seminare

Ein wichtiges Tatbestandsmerkmal für die Annahme eines zulassungspflichtigen Fernunterrichtsvertrages ist die überwiegende räumliche Trennung.

Dabei ist die Frage, ob auch synchron durchgeführte Online-Veranstaltungen (z.B. eine Zoom- oder Teamssitzung) unter den Begriff der „räumlichen Trennung“ fallen oder nur eine asynchrone Darbietung des Unterrichts erfolgt (z.B. durch aufgezeichnete Videos).

Das Berufungsgericht hatte angenommen, dass nur die asynchrone Darstellung unter das FernUSG fällt.

Der BGH konnte diese Frage offenlassen, da in dem zu entscheidenden Fall überwiegend eine asynchrone Darbietung erfolgte.

Die Beklagte stellte Lehrvideos zur Verfügung und verteilte Hausaufgaben. Die zusätzlich angebotenen Online-Meetings wurden aufgezeichnet und anschließend den Teilnehmern zur Verfügung gestellt. Damit galten auch diese als asynchroner Unterricht, weil sie zeitversetzt zu einem beliebigen Zeitpunkt angeschaut werden können und eine synchrone Teilnahme damit entbehrlich machten.

Ob auch nicht aufgezeichnete Live-Sessions zu der „überwiegenden räumlichen Trennung“ i.S.d. FernUSG zählen, kann damit noch nicht abschließend beantwortet werden.

Da aktuell aber mehrere Verfahren bei den Instanzgerichten anhängig sind, dürfte diese Frage wohl auch zeitnah geklärt werden.

Die Zulassungsstelle, ZFU, sieht jedenfalls ausschließlich live durchgeführte Online-Seminare (also ohne Aufzeichnung) als nicht zulassungspflichtig an, wie sie in ihren FAQ schreibt. Im Rahmen einer klarstellenden Information zu BGH-Urteil hat die ZFU zudem bestätigt, diese Praxis beizubehalten. Auch hierbei ist zu beachten, dass eine zusätzliche Aufzeichnung und Zurverfügungstellung, wiederum zu einer Einstufung als asynchroner Unterricht führen kann. Hierbei ist jedoch zu beachten, dass die zivilrechtliche Beurteilung der Nichtigkeit durch die Gerichte zunächst unabhängig von der Beurteilung durch die Behörde sein kann.

3. Kontrolle des Lernerfolges

Eine weitere Voraussetzung, um in den Anwendungsbereich des FernUSG zu kommen, ist die zusätzlich notwendige Kontrolle des Lernerfolges. Dieses Kriterium legt der BGH sehr weit aus.

Eine Kontrolle des Lernerfolges liegt bereits dann vor, wenn der Lernende nach dem Vertrag den Anspruch hat, zum Beispiel in einer begleitenden Unterrichtsveranstaltung durch mündliche Fragen zum erlernten Stoff eine individuelle Kontrolle des Lernerfolgs durch den Lehrenden oder seinen Beauftragten zu erhalten, so das Gericht. Dabei genügt eine einzige Lernkontrolle.

Es muss also keine Kontrolle durch den Lehrenden geben, z.B. in Form einer Prüfung. Ein Lernkontrolle liegt nach der Rechtsprechung des BGH auch dann vor, wenn der Teilnehmer im Anschluss an einen Vortrag Fragen stellen kann und damit individuell für sich selbst überprüfen kann, ob er das Erlernte verstanden hat oder ob es „sitzt“.

In dem entschiedenen Fall war im Vertrag vereinbart, dass die Teilnehmer sowohl in den Online-Meetings als auch per Mail sowie in einer Facebook-Gruppe Fragen stellen durften.

Auch bei diesem Tatbestandsmerkmal kommt es nach Ansicht des BGH nicht darauf an, dass diese Kontrolle tatsächlich stattfindet, soweit sie vertraglich vereinbart ist und damit angeboten wird.

4. ZFU-Zulassungspflicht auch bei gewerblichen Kunden

Besonders brisant: Das FernUSG findet auch bei Kunden, die Unternehmer sind, Anwendung.

Der Schutz des Gesetzes gilt also nicht nur für Verbraucher (§ 13 BGB), sondern auch für Selbstständige, Gründer oder Unternehmen, die Coaching-Angebote buchen.

Konsequenzen bei fehlender Zulassung

Wer ein zulassungspflichtiges Coaching-Programm ohne ZFU-Zulassung anbietet, muss mit folgenden Rechtsfolgen rechnen:

  • Nichtigkeit des Vertrags (§ 7 Abs. 1 FernUSG)
  • Rückzahlungspflicht bereits erhaltener Vergütungen (§ 812 BGB)
  • Grundsätzlich kein Anspruch auf Wertersatz (es sei denn, dieser wird schlüssig dargelegt – was laut BGH sehr hohe Anforderungen erfüllt)
  • Potenzielle Rückabwicklungen von Altverträgen – auch Jahre später

II. Was Coaching-Anbieter jetzt tun sollten

Das Urteil setzt neue Maßstäbe – ein „Weiter so“ ist für viele Anbieter rechtlich riskant. Anbieter sollten daher dringend prüfen lassen, ob ihre Angebote unter das FernUSG fallen.

Wichtige Prüfkriterien:

  • Vermittlung von Kenntnissen/Fähigkeiten (auch „Mindset“, Vertrieb, Marketing, Positionierung)
  • Räumliche Trennung
  • Überwachung des Lernerfolgs (Hausaufgaben, Feedback, Fragestunden, Gruppenbetreuung)

Schritt 2: Zulassungspflicht feststellen

Nicht alle Programme sind zulassungspflichtig. Es gibt Ausnahmen – etwa reine Freizeitangebote. Doch die Hürden dafür sind hoch. Programme zur Existenzgründung, Umsatzsteigerung, Persönlichkeitsentwicklung oder finanziellem Erfolg fallen in der Regel nicht unter die Ausnahme.

Schritt 3: Alternative Formate/Leistungsinhalte prüfen

Anhand der Kriterien zur Einordnung kann überlegt werden, ob alternative Formate in Betracht kommen, die nicht dem Fernunterrichtsgesetz unterfallen.

Zudem kann vor allem bei Angeboten an Unternehmen, bei denen es um Schulungen von Mitarbeitern oder Dritten geht, überlegt werden, ob die Leistungsinhalte anders aufgesetzt werden. Denkbar wäre, dass nicht der Fernunterricht als Gesamtleistung angeboten wird, sondern Einzelleistungen (wie Erstellung eines Schulungskonzepts, Abhalten von Vorträgen), die dann der Auftraggeber als Veranstalter in sein Angebot einbindet (z.B. indem er die Technik für die Online-Schulung stellt).

Schritt 4: ZFU-Zulassung beantragen

Ist das Angebot zulassungspflichtig, ist ein Antrag bei der Staatlichen Zentralstelle für Fernunterricht (ZFU) zu stellen. Das Verfahren ist formalistisch, aber nicht unüberwindbar. Anbieter benötigen unter anderem:

  • Lehrplan
  • Lernzieldefinitionen
  • Kontrollmechanismen für Lernerfolg
  • Vertragsunterlagen nach gesetzlichem Standard

Ein begleitender Rechtsberater kann hier entscheidend zur Beschleunigung beitragen und helfen, häufige Fallstricke zu vermeiden.

Die Zulassung ist mit Gebühren verbunden, die nach der von der ZFU veröffentlichten Tabelle mindestens 1.050 Euro betragen.

III. Widerrufsrecht

Widerrufsrecht bei Fernunterrichtsverträgen mit Verbrauchern

Wer Fernunterrichtsverträge mit Verbrauchern abschließt, muss darüber hinaus beachten, dass diesen gemäß § 4 Abs. 1 FernUSG ein Widerrufsrecht zusteht und dann die Verbraucher darüber entsprechend zu belehren sind.

Fehlt die Widerrufsbelehrung, verlängert sich die Widerrufsfrist von 14 Tagen auf ein Jahr und 14 Tage. Außerdem kann der Verbraucher dann widerrufen und erhält sein Geld vollständig zurück.

Verbraucher oder Unternehmer als Kunde – schwierige Abgrenzung

Ob es sich bei einem Coaching-Vertrag um ein Vertrag mit einem Unternehmer oder einem Verbraucher handelt, ist nicht immer leicht zu ermitteln.

Ein Vertrag mit einem Studierenden, der auf ein Coaching von Lernmethoden gerichtet ist, ist ein Vertrag mit einem Verbraucher und es ist über das Widerrufsrecht zu belehren. Das ist ein klarer Fall.

Schwieriger wird es aber, wenn es sich um ein Existenzgründungs-Coaching handelt. Hier ist genau darauf zu schauen, in welcher Phase der Existenzgründung man sich befindet.

Vereinfacht gesagt: Geht es in dem Coaching um die Frage, ob man sein eigenes Business gründen sollte, dann ist darin regelmäßig ein Vertrag mit einem Verbraucher zu sehen und man muss über das Widerrufsrecht belehren.

Geht es dagegen darum, ein schon in Gründung befindliches Unternehmen zu pushen, dann dürfte bereits die Schwelle zum Vertrag mit einem Unternehmen überschritten sein und es bedarf keiner Belehrung über das Widerrufsrecht.

Diese Abgrenzung ist aber immer eine Einzelfallabwägung. Pauschale Aussagen können dazu nicht getroffen werden.

IV. Weitere Folgen

Abmahnungen drohen

Neben den Auswirkungen auf den Coaching-Vertrag drohen auch wettbewerbsrechtliche Konsequenz. So wie andere Normen, die eine Zulassung für eine bestimmte Tätigkeitverlangen, dürfte auch § 12 FernUSG eine Marktverhaltungsregelung i.S.d. § 3a UWG sein, sodass auch Abmahnungen nach dem UWG drohen.

Wer darüber hinaus den Eindruck erweckt, eine Zulassung zu besitzen, obwohl dies nicht den Tatsachen entspricht, kommen auch Abmahnungen wegen irreführender Werbung nach § 5 UWG in Betracht.

Auch wer im konkreten Fall nicht über das Widerrufsrecht informiert, obwohl er dies müsste, kann dafür abgemahnt werden.

Anspruchsberechtigt wären Mitbewerber, Verbraucherzentralen und Wirtschaftsverbände wie die Wettbewerbszentrale.

BUẞGELDER DROHEN

Außerdem drohen Bußgelder. Wer als Veranstalter einen Fernlehrgang vertreibt oder vertreiben lässt, der nicht zugelassen ist, begeht eine Ordnungswidrigkeit, die mit Geldbuße bis zu 10.000 Euro bedroht ist (§ 21 FernUSG).

V. Fazit: Jetzt handeln – bevor die Rückforderungen kommen

Das Urteil des BGH ist ein Weckruf für die Coaching-Branche. Die Argumentation der Vorinstanzen, das FernUSG finde bei „Coaching“-Formaten keine Anwendung, wurde durch das oberste Zivilgericht unmissverständlich zurückgewiesen.

Coaches, Trainer und Online-Akademien, die ihr Geschäftsmodell absichern wollen, sollten jetzt handeln:

  • Lassen Sie Ihr Angebot rechtlich prüfen
  • Klären Sie die Zulassungspflicht
  • Beantragen Sie ggf. die ZFU-Zulassung

Denn: Wer jetzt nicht reagiert, riskiert nicht nur Rückzahlungsansprüche, sondern auch Reputationsschäden – in einer Branche, die stark auf Vertrauen und Seriosität angewiesen ist.

VG Hannover: Google Tag Manager nur mit Einwilligung zulässig

Cookie-Banner beschäftigen immer wieder die Aufsichtsbehörden und die Gerichte. Das VG Hannover hat nun noch einmal formale Aspekte hervorgehoben. Außerdem hat es entschieden, dass der Google Tag Manager nur eingesetzt werden darf, wenn der User ausdrücklich eingewilligt hat.

Das VG Hannover (Urt. v. 19.03.2025, 10 A 5385/22) hat eine Entscheidung zur datenschutzrechtlichen Bewertung des Einsatzes des Google Tag Managers (GTM) sowie zur Gestaltung von Cookie-Bannern getroffen.

Gegenstand des Verfahrens war die Frage, ob der Betrieb eines journalistischen Onlineportals datenschutzkonform gestaltet ist, insbesondere hinsichtlich der Einholung von Einwilligungen für Cookies, Drittanbietertracking und den Einsatz des GTM.

Die Entscheidung befasst sich detailliert mit den Voraussetzungen an eine freiwillige und informierte Einwilligung im Sinne von § 25 TTDSG und Art. 6 Abs. 1 lit. a DSGVO.

Hinweis: Das TTDSG heißt mittlerweile TDDDG, in dem Verfahren war jedoch die Rechtslage vom 23.11.2022 maßgeblich. Inhaltlich hat sich allerdings in den hier relevanten Punkten das Gesetz nicht geändert, sodass das Urteil ohne Weiteres auf die aktuelle Rechtslage übertragbar ist.

Google Tag Manager auf Webseite

Die Klägerin, ein regionales Verlagshaus, betreibt ein journalistisches Onlineangebot über ihre Webseite, das sich über Abonnements und Werbung finanziert. Auf der Webseite setzte sie eine Vielzahl von Cookies und Drittdiensten ein, unter anderem Google Analytics, Facebook Pixel sowie den Google Tag Manager.

Der Landesbeauftragte für den Datenschutz Niedersachsen (LfD) hatte ihr nach einer technischen Überprüfung untersagt, bestimmte Dienste ohne wirksame Einwilligung der Nutzer einzusetzen.

Dabei bemängelte der LfD insbesondere, dass der Google Tag Manager bereits beim erstmaligen Laden der Seite aktiv war und Daten an Server von Google in den USA übermittelte, ohne dass die Nutzer zuvor eine ausdrückliche Einwilligung erteilten. Der LfD ordnete die Klägerin an, auf ihrer Webseite wirksame Einwilligungen für die Nutzung von Cookies einzuholen bzw. umzusetzen.

Gegen diese Anordnung klagte sie vor dem Verwaltungsgericht.

Die Klägerin verteidigte sich damit, dass der Google Tag Manager lediglich als technisches Hilfsmittel diene, um weitere Skripte nachzuladen, und dass insofern keine datenschutzrechtlich relevante Datenverarbeitung vorliege.

Zudem bestritt sie, dass der LfD überhaupt zuständig sei, da es sich beim TDDDG nicht um eine datenschutzrechtliche Vorschrift handle.

Entscheidung des Gerichts: LfD ist zuständig

Das VG Hannover hat die Klage des Verlagshauses abgewiesen.

Dabei stellte es zunächst klar, dass der Landesdatenschutzbeauftragte für die Kontrolle der Einhaltung des § 25 TTDSGG sehr wohl zuständig sei.

Bei § 25 TTDSGG handele es sich um eine „andere datenschutzrechtliche Bestimmung“ im Sinne des § 20 Abs. 1 des Niedersächsischen Datenschutzgesetztes. Auch wenn das TTDSG neben datenschutzrechtlichen Zielen auch das Kommunikationsgeheimnis schütze, bestehe ein enger inhaltlicher Zusammenhang zur DSGVO. Der Zugriff auf Endgeräte und die damit verbundene Verarbeitung personenbezogener Daten seien regelmäßig nicht voneinander zu trennen. Ein Auseinanderfallen der Aufsichtsverantwortlichkeiten wäre daher systemwidrig und praktisch nicht handhabbar.

Die Frage der Zuständigkeit für die Einhaltung des TTDSG ist sehr wichtig. Dieses Gesetz trat erst lange Zeit nach der DSGVO in Kraft. Geht also eine Landesdatenschutzbehörde aus diesem Gesetz gegen ein Unternehmen vor, muss zunächst innerhalb der Landesdatenschutzgesetze geprüft werden, ob die Behörde überhaupt zur Überwachung des TTDSG berufen ist.

Für Niedersachsen hat dies nun das VG Hannover geklärt. Für andere Bundesländer hat die Entscheidung zu dieser Frage aber keine Bedeutung.

Ausgestaltung des Cookie-Banners

Im Zentrum der Entscheidung stand die rechtliche Einordnung des eingesetzten Cookie-Banners und die Behandlung des Google Tag Managers.

Nach der Überzeugung des Gerichts entsprach die Gestaltung des Banners nicht den Anforderungen an eine informierte und freiwillige Einwilligung.

Bei Aufruf der Webseite zeigte sich zunächst die „erste Ebene“ des Banners. Auf dieser konnten die Nutzer zwischen „alle Cookies akzeptieren“ oder einem Wechsel in die Einstellungen wählen. Eine direkte Ablehnungsoption fehlte auf dieser Ebene.

Wer den Weg über die Einstellungen wählte, sah sich mit Unter-Ebenen, komplexen Drop-Down-Menüs sowie Voreinstellungen konfrontiert.

Die Nutzer wurden nach Ansicht des Gerichts somit faktisch dazu gedrängt, die Einwilligung zu erteilen. Außerdem machten die verschiedenen Unterebenen und Kategorien den Eindruck, dass der Nutzer die Art der Datenverarbeitung nicht wesentlich beeinflussen konnte.

Erschwerend kam hinzu: Bei Ablehnung der Einwilligung erschien das Banner bei jedem Seitenaufruf erneut, während bei Zustimmung das Surfen ungehindert möglich war.

Das Gericht bewertete diese Gestaltung als sogenanntes „Dark Pattern“, also als manipulative Nutzerführung. Diese Ausgestaltung führte – auch in Verbindung mit der unterschiedlichen farblichen Ausgestaltung der Optionen – dazu, dass das Gericht die Freiwilligkeit der abgegebenen Einwilligungen verneinte. Damit waren diese nicht wirksam – weder im Sinne des § 25 TTDSG noch im Sinne der DSGVO.

Google Tag Manager nur mit Einwilligung?

Besondere Aufmerksamkeit widmet das Urteil dem Einsatz des Google Tag Managers. Das Gericht stellt klar, dass es sich dabei nicht um eine bloße technische Infrastruktur handelt, die als neutrale Plattform lediglich andere Skripte nachlädt.

Vielmehr werde durch die Einbindung des GTM bereits selbst ein Zugriff auf das Endgerät des Nutzers vorgenommen, und es finde eine Datenübertragung in die USA statt – namentlich durch den Abruf des Skripts gtm.js von Google-Servern. Dabei würden unter anderem IP-Adressen und Geräteeigenschaften übermittelt.

Die Tatsache, dass der GTM selbst keine konkreten Analysedienste ausführt, sei unerheblich. Die Verarbeitung personenbezogener Daten beginne bereits mit dem ersten Aufruf des Google-Skripts, was eine Einwilligungspflicht nach § 25 TTDSG auslöse.

Auch der Versuch der Klägerin, sich auf die Ausnahmeregelung des § 25 Abs. 2 TTDSG zu berufen, blieb erfolglos. Danach ist keine Einwilligung erforderlich, wenn die Speicherung von Informationen in der Endeinrichtung des Endnutzers oder der Zugriff auf bereits in der Endeinrichtung des Endnutzers gespeicherte Informationen unbedingt erforderlich ist, damit der Anbieter eines digitalen Dienstes einen vom Nutzer ausdrücklich gewünschten digitalen Dienst zur Verfügung stellen kann.

Der GTM sei weder technisch erforderlich noch ausdrücklich vom Nutzer gewünscht. Das Gericht betonte, dass die Einbindung des GTM in keiner Weise notwendig sei, um die Grundfunktionalität der Webseite – etwa das Abrufen redaktioneller Inhalte – zu ermöglichen. Vielmehr diene der GTM ausschließlich der flexiblen Nachladung von Marketing- und Trackingdiensten und sei daher typischerweise mit einer datenschutzrechtlich relevanten Verarbeitung verbunden.

Konsequenzen für die Praxis

Das Urteil des VG Hannover ist ein deutliches Signal an Betreiber von Webseiten und Onlineplattformen: Die Nutzung des Google Tag Managers – selbst ohne unmittelbar nachgeladene Tracking-Skripte – stellt nach Auffassung des Gerichts eine einwilligungspflichtige Maßnahme im Sinne des TTDSG dar.

Auch andere Behörden, wie etwa die LfDI NRW, sehen das so.

Webseitenbetreiber sollten daher sicherstellen, dass der GTM erst dann geladen wird, wenn eine entsprechende Einwilligung des Nutzers vorliegt. Dies erfordert eine technische Implementierung, die das Nachladen des GTM abhängig von der Zustimmung durch den Nutzer steuert.

Ebenso wichtig ist eine datenschutzkonforme Gestaltung des Einwilligungsbanners. Die Entscheidung stellt klar, dass Nutzer nicht durch Design, Farbe, Platzierung oder technische Hürden zur Zustimmung gedrängt werden dürfen. Eine einfache, gleichwertige Möglichkeit zur Ablehnung der Einwilligung sollte bereits auf der ersten Ebene des Banners vorhanden sein.

Die Information über Zwecke, Umfang und Empfänger der Datenverarbeitung muss zudem klar und verständlich bereitgestellt werden.

Lösung und Handlungsempfehlung

Webseitenbetreiber, die auf den Google Tag Manager zurückgreifen, sollten kurzfristig prüfen, ob dieser bereits vor einer erteilten Einwilligung ausgelöst wird. Ist dies der Fall, drohen aufsichtsbehördliche Maßnahmen.

Technisch kann dies durch eine bedingte Script-Ausführung über eine Consent-Management-Plattform (CMP) realisiert werden. Dabei wird das Skript des GTM erst dann geladen, wenn der Nutzer in die Verwendung entsprechender Cookies und Drittanbieter-Technologien eingewilligt hat.

Zugleich sollte der Consent-Banner angepasst werden: Eine „Ablehnen“-Schaltfläche sollte auf gleicher Ebene und mit gleicher visueller Gewichtung wie die Zustimmungsoptionen angeboten werden.

Das wiederholte Erscheinen des Banners bei Ablehnung sollte ebenso vermieden werden.

Fazit

Das Urteil des VG Hannover bestätigt hinsichtlich der Ablehnen-Funktion auf der ersten Ebene die Auffassung vieler Aufsichtsbehörden. Die Entscheidung zeigt auch: Selbst scheinbar neutrale Dienste wie der GTM sind datenschutzrechtlich relevant, wenn sie auf Endgerätedaten zugreifen oder die Kommunikation mit Drittstaaten initiieren. Betreiber digitaler Angebote sollten daher nicht nur ihr Einwilligungsbanner, sondern auch die gesamte technische Architektur ihrer Webseite datenschutzrechtlich überprüfen.

Einen Überblick über die Anforderungen an die Einwilligung nach TTDSG haben wir auch hier für Sie zusammengestellt.

Barrierefreiheitserklärung nach BFSG – Was gehört hinein und was nicht?

Update: Liste mit den aktuell zuständigen Landesbehörden ergänzt

Das BFSG tritt am 28. Juni 2025 in Kraft. Ab diesem Stichtag müssen verschiedene Produkte und Webseiten barrierefrei zur Verfügung gestellt werden. Aktuell gibt es große Missverständnisse bezüglich des Inhalts der „Barrierefreiheitserklärung“, die von Unternehmen bereitgestellt werden muss. Wir erläutern die Details.

Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – Neue Pflichten für Unternehmen

In unserem Detailbeitrag zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) erfahren Sie die Grundlagen, insbesondere für wen das Gesetz gilt.

Außerdem haben wir einen Leitfaden „FAQ – Barrierefreie Webseiten“ erstellt, in dem wir die Umsetzung des BFSG auch aus technischer Sicht erläutern.

Barrierefreiheitserklärung nach dem BFSG

Neben der technischen Umsetzung verlangt das BFSG auch die Erteilung von Informationen gemäß Anlage 3 zu dem Gesetz. In den letzten Wochen hat sich hierfür der Begriff „Barrierefreiheitserklärung“ etabliert.

Das ist etwas misslich, da dieser Begriff eigentlich schon für eine andere Erklärung „belegt“ ist, was im Zusammenhang mit dem BFSG zu vielen Missverständnissen führt.

Das BFSG verpflichtet Dienstleistungserbringer, dass diese

„die Informationen nach Anlage 3 Nummer 1 erstellt hat und diese Informationen für die Allgemeinheit in barrierefreier Form zugänglich gemacht hat; für die Zugänglichmachung sind die Vorgaben der nach § 3 Absatz 2 zu erlassenden Rechtsverordnung maßgebend.“

Das Gesetz verweist also ausschließlich auf die Anlage 3 Nr. 1, die wie folgt lautet:

Der Dienstleistungserbringer gibt zu seiner Dienstleistung im Sinne des § 1 Absatz 3 in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder auf andere deutlich wahrnehmbare Weise an, wie sie die Barrierefreiheitsanforderungen der nach § 3 Absatz 2 zu erlassenden Rechtsverordnung erfüllt. Die entsprechenden Informationen umfassen eine Beschreibung der geltenden Anforderungen und decken, soweit für die Bewertung von Belang, die Gestaltung und die Durchführung der Dienstleistung ab.

Neben den Anforderungen an die Verbraucherinformation nach Artikel 246 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch enthalten die Informationen, soweit anwendbar, jedenfalls folgende Elemente:
a) eine allgemeine Beschreibung der Dienstleistung in einem barrierefreien Format;
b) Beschreibungen und Erläuterungen, die zum Verständnis der Durchführung der Dienstleistung erforderlich sind;
c) eine Beschreibung, wie die Dienstleistung die einschlägigen in der nach § 3 Absatz 2 zu erlassenden Rechtsverordnung aufgeführten Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt;
d) die Angabe der zuständigen Marktüberwachungsbehörde.

Von dieser für die Privatwirtschaft relevanten Vorgabe ist die Barrierefreiheitserklärung nach § 12b des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) zu unterscheiden.

Barrierefreiheitserklärung nach dem Behindertengleichstellungsgesetz

Das BGG ist ein schon etwas älteres Gesetz aus dem Jahr 2002, das die Anforderungen an die Barrierefreiheit regelt, die von Trägern der öffentlichen Gewalt eingehalten werden müssen. Hierzu zählen beispielsweise Dienststellen der Bundesverwaltung.

Für privatwirtschaftliche Unternehmen gilt das BGG grundsätzlich nicht.

§ 12b Abs. 1 BGG verpflichtet öffentliche Stellen des Bundes, eine Erklärung zur Barrierefreiheit auf ihrer Webseite zu veröffentlichen.

Die Inhalte dieser Erklärung legt § 12b Abs. 2 BGG fest:

1. Für den Fall, dass ausnahmsweise keine vollständige barrierefreie Gestaltung erfolgt ist,

  • die Benennung der Teile des Inhalts, die nicht vollständig barrierefrei gestaltet sind,
  • die Gründe für die nicht barrierefreie Gestaltung sowie
  • gegebenenfalls einen Hinweis auf barrierefrei gestaltete Alternativen,

2. eine unmittelbar zugängliche barrierefrei gestaltete Möglichkeit, elektronisch Kontakt aufzunehmen, um noch bestehende Barrieren mitzuteilen und um Informationen zur Umsetzung der Barrierefreiheit zu erfragen,

3. einen Hinweis auf das Schlichtungsverfahren nach § 16, der

  • die Möglichkeit, ein solches Schlichtungsverfahren durchzuführen, erläutert und
  • die Verlinkung zur Schlichtungsstelle enthält.

Für öffentliche Stellen des Bundes sind demnach ausdrücklich dazu verpflichtet, nicht-barrierefreie Teile des Webseiteninhalts zu benennen.

Keine Auflistung nicht-barrierefreier Teile nach BFSG

Die Informationspflicht nach BFSG kennt keine Verpflichtung, die nicht-barrierefreien Teile der Dienstleistungen (also z.B. der Webseite) aufzuführen.

In der Gesetzesbegründung zum BFSG heißt es hierzu ausdrücklich:

Diese vom Dienstleister zu erstellenden Informationen entsprechen weitgehend der Barrierefreiheitserklärung, wie sie § 12 b BGG vorsieht. Die Richtlinie (EU) 2019/882 sieht allerdings nicht vor, dass der Dienstleistungserbringer in seinen Informationen auch angibt, welche Teile seiner Dienstleistung nicht barrierefrei sind und wie die Nichtkonformität begründet wird. Dies ist nicht erforderlich, da der Dienstleistungserbringer grundsätzlich verpflichtet ist, vollständige Barrierefreiheit herzustellen.

Wer die nicht-barrierefreien Teile seiner Webseite in der Erklärung auflistet, bietet zum einen Mitbewerbern, Verbraucherzentralen und qualifizierten Wirtschaftsverbänden eine Grundlage für Abmahnungen.

Außerdem wird damit öffentlich dokumentiert, dass man gegen das Gesetz verstößt und somit auch vorsätzlich handelt. Dies dürfte bei der Verhängung eines möglichen Bußgeldes eine entscheidende Rolle spielen.

Folgen einer nicht-barrierefreien Webseite

Das Gesetz sieht mehrerer (gleichzeitig) bestehende Verpflichtungen vor, wenn die Dienstleistung nicht den Vorgaben des BFSG und der zugehörigen BFSGV entspricht:

  1. Verbot des Angebots und der Erbringung der Dienstleistung (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BFSG)
  2. Ergreifung der erforderlichen Korrekturmaßnahmen, um die Konformität der Dienstleistung herzustellen (§ 14 Abs. 4 S. 1 BFSG)
  3. Information der Marktüberwachungsbehörde(n), dass die Dienstleistung nicht den Anforderungen der BFSGV genügt (§ 14 Abs. 4 S. 2 BFSG)

Die Behörde kann dann ein mehrstufiges Verfahren einleiten, das im schlimmsten Fall zur Untersagung der Erbringung der Dienstleistung führen kann. Im Fall von Webseiten bedeutet dies, dass die nicht barrierefreien Teile der Webseite abgeschaltet werden müssen.

Außerdem drohen Bußgelder.

Wer hilft bei der Erstellung der Barrierefreiheitserklärung?

Wenn Sie Ihre Webseite von einer Agentur betreuen lassen, ist deren Unterstützung für die Erstellung der Barrierefreiheitserklärung nach BFSG unerlässlich. Dabei geht es nicht darum, dass die Agentur Rechtsberatung durchführt, sondern dass sie klar benennt, mit welchen technischen Mitteln die Barrierefreiheit hergestellt wurde.

Daneben sollte auch immer rechtlicher Rat bei der Erstellung eingeholt werden. Da neben den technischen Anforderungen auch die rechtlichen Vorgaben an die Information zu erfüllen sind.

Da die Erklärung sehr individuell zu erstellen ist, insbesondere was die Beschreibung der angebotenen Dienstleistung, die Beschreibung, die zum Verständnis der Dienstleistung sowie die konkrete technische Umsetzung der Anforderungen an die Barrierefreiheit betrifft, dürfte es keine passenden Standardmuster geben, die man übernehmen kann.

Letztlich ist die Anlage 3 zum BFSG das „Muster“, welches vom Unternehmen entsprechend auszufüllen ist.

Wo gehört die Barrierefreiheitserklärung hin?

Die Anlage 3 zum BFSG schreibt vor, dass die Informationen entweder in den AGB oder „auf andere deutlich wahrnehmbare Weise“ anzugeben sind.

Nach unserer Auffassung gehören die speziellen Informationen zum BFSG nicht in die AGB. Vielmehr sollte hierfür eine eigene Seite bereitgehalten und im Footer der Webseite verlinkt werden.

Update: Zuständige Marktüberwachungsbehörden nach dem BFSG

Die Bundesländer haben einen Staatsvertrag geschlossen, mit dem eine zentrale Marktüberwachungsbehörde in Sachsen-Anhalt geschaffen werden soll. Dieser Staatsvertrag wurde aber noch nicht von allen Bundesländern ratifiziert, sodass diese Behörde noch nicht eingerichtet wurde.

Allerdings haben manche Bundesländer eigene Marktüberwachungsbehörden benannt, die für den Übergangszeitraum bis zur Einrichtung der zentralen Behörde für die Überwachung nach dem BFSG zuständig sind.

In der nachfolgenden Übersicht finden Sie die Marktüberwachungsbehörden der Länder, die wir aufgrund von Veröffentlichungen in den jeweiligen Gesetzblättern ausfindig machen konnten.

Bundeslandzuständige BehördeRechtsgrundlage
Baden-Württembergkeine zuständige Behörde gefunden
BayernFür die Regierungsbezirke Unterfranken, Oberfranken, Mittelfranken und Oberpfalz ist das Gewerbeaufsichtsamt bei der Regierung von Oberfranken in Coburg zuständig.
Behördenname: Regierung von Oberfranken – Gewerbeaufsichtsamt

Für die Regierungsbezirke Schwaben, Oberbayern und Niederbayern ist das Gewerbeaufsichtsamt bei der Regierung von Niederbayern in Landshut zuständig.
Behördenname: Regierung von Niederbayern – Gewerbeaufsichtsamt
https://www.gewerbeaufsicht.bayern.de/marktueberwachung/bfsg.htm
Berlinkeine zuständige Behörde gefunden
Brandenburgkeine zuständige Behörde gefunden
Bremenkeine zuständige Behörde gefunden
Hamburgkeine zuständige Behörde gefunden
HessenRegierungspräsidium GießenVerordnung über Zuständigkeiten nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
(BFSGZV)
Mecklenburg-Vorpommernkeine zuständige Behörde gefunden
Niedersachsenkeine zuständige Behörde gefunden
Nordrhein-Westfalenkeine zuständige Behörde gefunden
Rheinland-Pfalzdas für die sozialen Angelegenheiten zuständige MinisteriumLandesverordnung über die Zuständigkeit nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz*
SaarlandMinisterium für Arbeit, Soziales, Frauen und GesundheitVerordnung
über die Zuständigkeit zur Überprüfung der
Konformität von Produkten und Dienstleistungen
nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
SachsenLandesdirektion SachsenBarrierefreiheitsstärkungs-Zuständigkeitsverordnung
Sachsen-AnhaltLandesamt für Verbraucherschutz Sachsen-AnhaltVerordnung über Zuständigkeiten nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz
Schleswig-Holsteindas für Soziales zuständige MinisteriumLandesverordnung
zur Bestimmung der Marktüberwachungsbehörde nach dem
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (MübBFSGVO)
Thüringenkeine zuständige Behörde gefunden

* In Rheinland-Pfalz ist die Zuständigkeit gerade unklar. In der Landesrechtsprechungsdatenbank steht, dass die Zuständigkeitsverordnung durch § 2 Abs. 3 des Gesetzes vom 17. Juni 2025 aufgehoben wurde. In diesem Gesetz heißt es aber:

„§ 2 Inkrafttreten

(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.

(2) Der Tag, an dem der Staatsvertrag nach seinem Artikel 13 in Kraft tritt, wird vom fachlich zuständigen Ministerium im Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt gemacht.

(3) Gleichzeitig tritt die Landesverordnung über die Zuständigkeit nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz vom 26. Juni 2024 (GVBl. S. 290, BS 86-17) außer Kraft.“

Wir meinen, dass sich das „gleichzeitig“ aus Absatz 3 auf den Zeitpunkt in Absatz 2 bezieht. Da der Staatsvertrag noch nicht in Kraft getreten ist, bleibt das für die sozialen Angelegenheiten zuständige Ministerium weiterhin die Marktüberwachungsbehörde in Rheinland-Pfalz.

Nennung der zuständigen Behörde

Bis zum Inkrafttreten des Staatsvertrages über die gemeinsame Marktüberwachungsbehörde muss die für das jeweilige Bundesland zuständige Marktüberwachungsbehörde in der Erklärung zur Barrierefreiheit genannt werden.

Fazit

Unternehmen, die vom BFSG betroffen sind, haben ab dem 28. Juni 2025 nicht nur die grundsätzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit zu erfüllen, sondern auch die Informationen nach Anlage 3 – für die sich der Begriff der Barrierefreiheitserklärung durchgesetzt hat – zu erteilen.

Dabei ist darauf zu achten, dass man sich mit dieser Erklärung nicht selbst an den „Pranger“ stellt und öffentlich erklärt, dass man das Gesetz nicht beachtet.

Wir unterstützen Sie gerne bei der Erstellung Ihrer Barrierefreiheitserklärung.

In einem ausführlichen Aufsatz in der Fachzeitschrift WRP haben wir uns detailliert mit den Vorgaben für barrierefreie Webseiten auseinandergesetzt. Den Aufsatz können Sie hier im Volltext lesen:

Barrierefreie Webseiten – Ein Überblick über die Auswirkungen des BFSG

Noch 2 Monate – Webseiten und Barrierefreiheit nach dem BFSG

Am 28. Juni 2025 tritt das Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) in Kraft und bringt insbesondere für Webseiten-Betreiber zahlreiche Änderungen mit sich. Ziel des BFSG ist es, die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen zu verbessern und die EU-Richtlinie 2019/882 umzusetzen.

Wen betrifft das Gesetz?

Das BFSG richtet sich primär an Unternehmen im B2C-Bereich, insbesondere Dienstleister im elektronischen Geschäftsverkehr – wozu neben klassischen Online-Shops auch zahlreiche weitere Angebot auf Webseiten gelten.

Solche Dienstleister sind aber ausgenommen, wenn sie Kleinstunternehmen sind. Das bedeutet, sie haben weniger als zehn Beschäftigte und einem Jahresumsatz oder einer Bilanzsumme von maximal 2 Millionen Euro.

Wichtig: Auch Unternehmen, die nicht unmittelbar unter das BFSG fallen – etwa Agenturen oder IT-Dienstleister, die Webseiten und andere digitale Lösungen für Anbieter von B2C-Leistungen entwickeln –, sollten die Anforderungen des BFSG kennen und in ihren Leistungen umsetzen.

Ihre Kunden sind verpflichtet, barrierefreie Lösungen anzubieten. Damit diese „Zulieferer“ weiterhin wettbewerbsfähig bleiben und den Anforderungen ihrer Auftraggeber entsprechen, müssen auch sie ihre Produkte und Dienstleistungen entsprechend barrierefrei gestalten.

Warum Barrierefreiheit wichtig ist

Barrierefreie Webseiten und Dienstleistungen ermöglichen es Unternehmen, neue Zielgruppen zu erschließen – nicht nur Menschen mit Behinderungen, sondern auch ältere Menschen oder Personen mit temporären Einschränkungen.

Zusätzlich steigert Barrierefreiheit die Benutzerfreundlichkeit (UX) und stärkt das Image eines Unternehmens nachhaltig.

Was sind die Anforderungen?

Webseiten müssen klar strukturiert, und sollten mit Screenreadern kompatibel und vollständig über die Tastatur bedienbar sein. Hohe Kontraste, Alternativtexte für Bilder und barrierefreie Formulare sind ebenso essenziell.

Außerdem muss auf der Website eine Barrierefreiheitserklärung veröffentlicht werden – natürlich barrierefrei.

Konsequenzen bei Verstößen

Unternehmen, die die Anforderungen nicht umsetzen, drohen Bußgelder in Höhe von bis zu 100.000 Euro. Zuständig für die Überwachung ist die neue Marktüberwachungsstelle der Länder für die Barrierefreiheit von Produkten und Dienstleistungen mit Sitz in Magdeburg.

Daneben drohen wettbewerbsrechtliche Abmahnungen.

Unser Leitfaden

In unserem Leitfaden, den wir gemeinsam mit Ria Weyprecht – Inhaberin und Gründerin der Agentur stolperfrei.digital – erstellt haben, erklären wir Ihnen, wie Sie Barrierefreiheit auf Ihrer Webseite herstellen können.

Den Leitfaden können Sie hier als pdf herunterladen.

Wann gilt eine Kündigung als zugegangen?

Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bringt Klarheit in eine der häufigsten Streitfragen im Arbeitsrecht: Wie gelingt der Nachweis der Zustellung der Kündigung? Diese Frage ist besonders relevant, da der Zugang nicht nur für die Einhaltung von Kündigungsfristen und den Beginn der Klagefrist von zentraler Bedeutung ist, sondern auch dafür, ob die Kündigung überhaupt wirksam ist.

Sachverhalt: Der Streit um den Zugang der Kündigung

Im zugrundeliegenden Fall hatte ein Arbeitgeber einer Mitarbeiterin gekündigt. Allerdings stand die Frage im Raum, ob die Kündigung der Mitarbeiterin überhaupt zugegangen war.

Denn eins steht fest: Erhält der zu kündigende Mitarbeiter die Kündigung nicht, dann ist diese nicht wirksam und das Arbeitsverhältnis infolgedessen auch nicht gekündigt.

Der Arbeitgeber hatte behauptet, dass zwei Mitarbeiterinnen das Kündigungsschreiben gemeinsam in einen Briefumschlag gesteckt hätten und dass eine von diesen den Umschlag dann zur Post gebracht hätte. Dort soll sie den Versand als Einwurf-Einschreiben veranlasst haben.

Die Entscheidung des BAG

Das BAG (Urt. v. 30.01.2025, 2 AZR 68/24) stellt klar, dass eine schriftliche Kündigung in dem Moment als zugegangen gilt, in dem sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt und unter gewöhnlichen Umständen mit einer Kenntnisnahme gerechnet werden kann.

Allerdings ist der Arbeitgeber für den Zugang eines Kündigungsschreibens beweisbelastet. Das bedeutet, er muss konkret nachweisen, dass die Kündigung auch tatsächlich in den Briefkasten der Mitarbeiterin eingeworfen wurde – oder noch besser: dass die Kündigung persönlich übergeben wurde.

Einwurf-Einschreiben ist kein Beweis

Die Versendung der Kündigung mittels Einwurf-Einschreiben ist für die Erbringung dieses Beweises nicht ausreichend.

Dem Arbeitgeber half auch ein Ausdruck der Sendungsverfolgung nicht weiter, weil bei dieser wesentliche Informationen fehlten.

Im Urteil heißt es hierzu:

„Der Ausdruck des Sendungsstatus, auf dem dieselbe Sendungsnummer wie auf dem Einlieferungsbeleg sowie das Zustelldatum vermerkt sind, bietet ebenfalls keine ausreichende Gewähr für einen Zugang.

In diesem Fall lässt sich weder feststellen, wer die Sendung zugestellt hat noch gibt es ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass das vom Bundesgerichtshof beschriebene oder das jeweils gültige Verfahren der Deutschen Post AG für die Zustellung der eingelieferten Postsendung tatsächlich eingehalten wurde.

Der Sendungsstatus ist kein Ersatz für den Auslieferungsbeleg.

Er sagt nichts darüber aus, ob der Zusteller tatsächlich eine besondere Aufmerksamkeit auf die konkrete Zustellung gerichtet hat, die den Schluss rechtfertigen würde, dass die eingelieferte Sendung in den Briefkasten des Empfängers gelangt ist.“

Außerdem ließ sich dem Sendungsstatus auch nicht entnehmen, an wen der Brief überhaupt zugestellt wurde: an die Empfängerin persönlich oder an eine andere im Haushalt lebende Person oder nur durch Einwurf in den Briefkasten? Es war noch nicht einmal die Adresse der Zustellung vermerkt. Auch die Uhrzeit der vermeintlichen Zustellung fehlte. Darüber hinaus fanden sich im Sendungsstatus auch keine Angaben zur der Person, die das Schreiben zugestellt hat.

Kein Beweis – keine Kündigung

Da der Arbeitgeber die Zustellung der Kündigung also nicht nachweisen konnte, war die Kündigung insgesamt als unwirksam anzusehen.

Praktische Auswirkungen für Unternehmen

Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für Arbeitgeber.

Arbeitgeber, die Mitarbeitern kündigen wollen, müssen sicherstellen, dass die Kündigung auch innerhalb der Kündigungsfrist zugestellt wird.

Ein Einwurf-Einschreiben ist hierfür ungeeignet.

Praxishinweis: Fehler bei der Zustellung der Kündigung vermeiden

Damit eine Kündigung rechtssicher zugeht, sollten Arbeitgeber folgende Punkte beachten:

  • Nachweis der Zustellung: Der Einwurf sollte bestenfalls durch Zeugen oder Boten dokumentiert werden.
  • Keine elektronischen Mittel: Eine Kündigung per E-Mail oder Fax reicht im Arbeitsrecht nicht aus, da sie nicht das gesetzliche Schriftformerfordernis erfüllt. Auch eine „Vorabübermittlung“ der Kündigung per Mail hilft nicht weiter, da auch dies kein Nachweis darstellt, dass die Kündigung noch korrekt zugestellt wurde.
  • Zeitpunkt des Einwurfs: Idealerweise sollte der Einwurf in den Briefkasten vormittags erfolgen, um sicherzustellen, dass der Empfänger noch am selben Tag Kenntnis nehmen kann. Wird die Kündigung erst 23 Uhr in den Briefkasten eingeworfen, ist in der Regel nicht mehr von einem Zugang am gleichen Tag auszugehen. Das kann Folgen für die Kündigungsfrist haben.

Fazit

Die Zustellung einer Kündigung sollte bestenfalls per Boten erfolgen. Diese holen das Schreiben beim Arbeitgeber an und nehmen es auch zur Kenntnis, bevor es in den Umschlag gesteckt wird. Anschließend begeben sie sich zur Zustelladresse und dokumentieren die korrekte Zustellung der Sendung. Dem Arbeitgeber übermitteln sie dann diese Dokumentation.

Hierdurch hat der Arbeitgeber nicht nur eine ausreichende Dokumentation. Er kann im Prozess den Boten auch als Zeugen für die Zustellung benennen.

Bei Fragen rund um Kündigungen und bei Kündigungsschutzklagen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

BGH: Mitbewerber dürfen Verstöße gegen die DSGVO abmahnen

Seit die DSGVO 2018 in Kraft getreten ist, wird darüber gestritten, ob Mitbewerber und Verbraucherverbände Verstöße gegen die DSGVO abmahnen können. Nun hat der Bundesgerichtshof (BGH) diese Frage abschließend geklärt.

Der BGH (Urt. v. 27.03.2025, I ZR 186/17, I ZR 222/19 und ZR 223/19) hat entschieden, dass sowohl Verbraucherschutzverbände (wie z.B. die Verbraucherzentralen) als auch Mitbewerber Verstöße gegen die DSGVO abmahnen können. Damit steigt das Risiko für Unternehmen, die sich (bewusst oder unbewusst) nicht an die Vorschriften zum Datenschutz halten.

Verbraucherzentrale gegen Facebook

In dem einen Verfahren klagte der vzbv gegen die Meta Platform Ireland Limited, die das soziale Netzwerk Facebook betreibt. Inhaltlich ging es darum, dass Facebook seine Nutzer nicht ausreichend über Umfang und Zweck der Erhebung und Verwendung ihrer personenbezogenen Daten unterrichtet hatte.

Nachdem der EuGH bereits entschieden hatte, dass Verbraucherschutzverbände DSGVO-Verstöße auch im Wege von Unterlassungsklagen verfolgen können, folgte der BGH nun dieser Einschätzung.

In der Pressemitteilung des BGH heißt es dazu:

„Art. 80 Abs. 2 DSGVO bildet eine geeignete Grundlage für die Verfolgung von Verstößen gegen die Datenschutz-Grundverordnung durch Verbände nach dem Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und dem Unterlassungsklagengesetz.

Den genannten Verbraucherverbänden steht daher nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG und § 3 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UKlaG die Befugnis zu, gegen Verletzungen von Informationspflichten gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 DSGVO in Verbindung mit Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO wegen Verstößen gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb und gegen ein Verbraucherschutzgesetz im Sinne von § 2 Abs. 1 und 2 Satz 1 Nr. 13 UKlaG sowie der Verwendung einer unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingung gemäß § 1 UKlaG im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten vorzugehen.

Unschädlich ist insoweit, dass der Kläger seine Klage unabhängig von der konkreten Verletzung von Datenschutzrechten einer betroffenen Person und ohne Auftrag einer solchen Person erhoben hat. Da von einer Einrichtung im Sinne von Art. 80 Abs. 2 DSGVO nicht verlangt werden kann, dass sie diejenige Person im Voraus individuell ermittelt, die von einer Verarbeitung von Daten, die mutmaßlich gegen die Bestimmungen der Datenschutz-Grundverordnung verstößt, konkret betroffen ist, ist die Benennung einer Kategorie oder Gruppe von identifizierbaren natürlichen Personen für die Erhebung einer solchen Verbandsklage ausreichend.

Es genügt außerdem, wenn sich die Einrichtung darauf beruft, dass die Verletzung der Rechte dieser Person anlässlich einer Verarbeitung personenbezogener Daten geschieht und auf einer Missachtung der Pflicht beruht, die dem Verantwortlichen gemäß Art. 12 Abs. 1 Satz 1 und Art. 13 Abs. 1 Buchst. c und e DSGVO obliegt, weil im Streitfall nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Kläger mit seiner Klage rein hypothetische Verstöße geltend macht.“

Werden die Informationen gemäß Art. 13 DSGVO dem Nutzer nicht mitgeteilt, liegt darin ein Verstoß gegen § 5a Abs. 1 UWG, da eine wesentliche Information vorenthalten wird.

Arzneimittelversand über Amazon

In den zwei anderen Verfahren stritten sich konkurrierende Apotheke über die Zulässigkeit des Vertriebs von Arzneimitteln über die Plattform Amazon.

Hier ging es zum einen um die Frage, ob Mitbewerber sich gegenseitig wegen DSGVO-Verstößen abmahnen können. Und zum anderen ging es um die Frage, ob die Daten, die ein Kunde bei der Bestellung von Arzneimitteln bei Amazon eingibt, Gesundheitsdaten i.S.d. Art. 9 DSGVO darstellen.

Beide Fragen hat der BGH in seiner Entscheidung bejaht. In der Pressemitteilung dazu heißt es:

Die Verarbeitung und Nutzung der von Kunden der Beklagten bei der Onlinebestellung eines Arzneimittels über den Account eines Apothekers beim Amazon-Marketplace eingegebenen Daten wie der Name des Kunden, die Lieferadresse und die für die Individualisierung des bestellten Medikaments notwendigen Informationen verstößt, wenn sie – wie im Streitfall – ohne ausdrückliche Einwilligung der Kunden erfolgt, gegen Art. 9 Abs. 1 DSGVO. Bei den Bestelldaten handelt es sich um Gesundheitsdaten im Sinne dieser Vorschrift und zwar auch dann, wenn das Arzneimittel keiner ärztlichen Verschreibung bedarf.

Art. 9 Abs. 1 DSGVO ist eine Marktverhaltensregelung im Sinne von § 3a UWG, so dass der Verstoß gegen diese Vorschrift von einem Mitbewerber gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 UWG im Wege einer wettbewerbsrechtlichen Klage vor den Zivilgerichten verfolgt werden kann. Die Bestimmungen zum Erfordernis der Einwilligung in die Verarbeitung personenbezogener Daten dienen dem Schutz der Persönlichkeitsrechtsinteressen der Verbraucher gerade auch im Zusammenhang mit ihrer Marktteilnahme. Die Verbraucher sollen frei darüber entscheiden können, ob und inwieweit sie ihre Daten preisgeben, um am Markt teilnehmen und Verträge abschließen zu können.

Auch in diesen Verfahren hatte der BGH zuvor den EuGH eingeschaltet.

Fazit

Bisher liegt nur die Pressemitteilung des BGH vor, die Veröffentlichung der Entscheidungen im Volltext mit ausführlicher Begründung dürfte in den nächsten Tagen erfolgen.

Aber schon jetzt lässt sich sagen, dass das Thema Datenschutz noch mehr Gewicht bekommt. Das Risiko, wegen Verstößen gegen die DSGVO in Anspruch genommen zu werden, steigt durch diese Entscheidungen des BGH.

Und es besteht die Gefahr, dass das Risiko noch weiter steigt: Der Generalanwalt beim EuGH hat in seinen Schlussanträgen im Verfahren C-655/23 die Auffassung geäußert, dass auch betroffenen Personen gegen ein Unternehmen Unterlassungsansprüche zustehen, wenn dieses gegen die DSGVO verstoßen hat.

Bei allen Fragen rund um das Thema Datenschutz und Datensicherheit unterstützen wir Sie gerne.

Geplante UWG-Änderung: Diese Werbemaßnahmen werden bald verboten!

Der rechtliche Rahmen für Werbung und Unternehmenskommunikation wird erneut verschärft. Werbeaussagen zu Umweltschutz und Nachhaltigkeit – sogenannte Green Claims – sowie zur Produktqualität sollen strenger reguliert werden, das geht aus einem Entwurf aus dem Justizministerium hervor.

Warum soll das UWG geändert werden?

Das Bundesjustizministerium hat einen Diskussionsentwurf zur Änderung des UWG veröffentlicht.
Mit den vorgeschlagenen Änderungen soll Richtlinie (EU) 2024/825 zur Stärkung der Verbraucher für den ökologischen Wandel durch besseren Schutz gegen unlautere Praktiken und durch bessere Informationen umgesetzt werden.

Ein besonderes Augenmerk liegt dabei auf Greenwashing und umweltbezogenen Werbeaussagen. Die neuen Vorschriften sollen für mehr Transparenz sorgen und Verbrauchern ermöglichen, informierte Kaufentscheidungen zu treffen.

Welche Werbemaßnahmen werden künftig verboten?

  1. Vage oder unbelegte Umweltaussagen

Allgemeine Begriffe wie „klimaneutral“, „nachhaltig“ oder „umweltfreundlich“ sind künftig nur noch erlaubt, wenn sie klar definiert und mit klaren Spezifizierungen belegt werden. Unternehmen müssen entweder auf wissenschaftlich fundierte Umweltstandards zurückgreifen oder detaillierte Umsetzungspläne veröffentlichen.

  1. Irreführende Nachhaltigkeitssiegel

Nur staatlich anerkannte oder von unabhängigen Dritten zertifizierte Umwelt- und Nachhaltigkeitssiegel dürfen weiterhin verwendet werden. Eigene, nicht überprüfbare Label sind künftig unzulässig. Außerdem müssen die Bewertungskriterien zugänglich sein.

  1. Kompensation von Treibhausgasemissionen

Verboten wird die Werbung mit einer Aussage, die sich auf die Kompensation von Treibhausgasemissionen gründet. Man darf zukünftig also nicht mehr z.B. mit „klimaneutral“ werben, wenn diese Klimaneutralität nur durch Ausgleichszahlungen erreicht wird.

  1. Unwahre Angaben zur Haltbarkeit und Reparierbarkeit

Unternehmen dürfen keine überzogenen Versprechungen zur Langlebigkeit oder Reparaturfähigkeit von Produkten machen. Zudem ist es unzulässig, Waren mit absichtlich verkürzter Haltbarkeit zu bewerben oder deren Reparierbarkeit falsch darzustellen.

  1. Umweltaussagen, die sich auf das gesamte Produkt oder Unternehmen beziehen, werden verboten, wenn sich die Umweltaussage nur auf einen Teil bezieht.

Werbung mit irrelevanten Informationen

Es soll auch ein neuer Irreführungstatbestand eingeführt werden: Die Werbung mit einem Vorteil für den Verbraucher, der irrelevant ist und sich nicht aus einem Merkmal des Produktes oder der Geschäftstätigkeit ergibt, ist künftig unzulässig.

Wann genau ein Vorteil irrelevant ist, muss im Einzelfall ermittelt werden. Erwägungsgrund 5 der Richtlinie nennt die folgenden zwei Beispiele:

  • Werbung mit „glutenfrei“ bei abgefülltem Wasser
  • Werbung mit dem Wort „kunststofffrei“ für Papierblätter

Welche Folgen hat die UWG-Änderung für Unternehmen?

Unternehmen sollten ihre Marketingunterlagen (Website, Flyer, Darstellung in sozialen Medien etc.) prüfen und ggfs. überarbeiten. Schon heute können Werbeaussagen mit Umweltbezug irreführend sein, zukünftig wird dies aber noch weiter verschärft.

Die Risiken bei Verstößen sind hoch: Es drohen Abmahnungen und Reputationsverluste.

Besonders betroffen sind Branchen, die stark mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsversprechen werben, wie z.B. die Lebensmittel-, Möbel-, Mode- und Elektronikindustrie.

Wie können Unternehmen sich vorbereiten?

  • Werbemaßnahmen überprüfen: Bestehende Marketingkampagnen und Produktkennzeichnungen auf rechtskonforme Aussagen prüfen.
  • Nachweise sichern: Umwelt- und Nachhaltigkeitsaussagen mit belastbaren Studien, Zertifizierungen und öffentlich einsehbaren Berichten untermauern. Wer nach der Änderung des UWG mit Umweltaussagen werben will, sollte sich früh vorbereiten, da entsprechende Zertifizierungen Zeit benötigen.
  • Zertifizierte Siegel verwenden: Falls eigene Labels genutzt werden, sollten diese durch Siegel anerkannter Zertifizierungssysteme ersetzt werden. Eigene Labels sind künftig unzulässig!
  • Klare und wahre Produktangaben machen: Informationen zu Haltbarkeit, Reparierbarkeit und Software-Updates korrekt und transparent kommunizieren.
  • Rechtliche Beratung einholen: Eine frühzeitige Prüfung kann helfen, teure Verstöße zu vermeiden.

Ab wann gelten die neuen Vorgaben?

Noch ist ausreichend Zeit, sich auf die Änderungen vorzubereiten. Die EU-Richtlinie muss bis zum 27. März 2026 umgesetzt werden und die neuen Vorschriften müssen dann ab dem 27. September 2026 angewendet werden.

Durch die vorgezogene Bundestagswahl wird das Diskussionspapier aus dem Justizministerium erst nach der Wahl seinen Weg in den Bundestag finden. Da es sich um eine Umsetzung einer EU-Richtlinie handelt, kann man das aktuelle Papier aber jetzt schon als Orientierungshilfe nutzen. Wir gehen nicht davon aus, dass es noch wesentliche, inhaltliche Änderungen geben wird.

Sollte es dennoch nicht zu einer (rechtzeitigen) Umsetzung kommen, wären die Gerichte verpflichtet, das bestehende nationale Recht europarechtskonform auszulegen. Insbesondere hinsichtlich der irreführenden Verwendung von Green Claims stellt dies keine große Herausforderung dar. So hat der BGH (Urt. v. 27.06.2024, I ZR 98/23) schon nach geltendem Recht die Werbung mit dem Wort „klimaneutral“, wenn keine weiteren Erklärungen dazu erfolgen.

Die Richtlinie findet zwar keine unmittelbare Anwendung. Da es sich aber um eine Präzisierung der bestehenden Unlauterkeitstatbestände handelt, können die nationalen Gerichte die Vorgaben aus der Richtlinie grundsätzlich auch in den allgemeinen Irreführungstatbestand hineinlesen.

Fazit: Jetzt vorbereiten, um künftige Abmahnungen zu vermeiden!

Die geplante UWG-Änderung bringt tiefgreifende Änderungen für die Werbung sowie die Unternehmenskommunikation. Wer weiterhin mit Umwelt- und Nachhaltigkeitsversprechen werben möchte, muss künftig strengere Nachweispflichten erfüllen. Unternehmen sollten sich frühzeitig anpassen, um rechtliche Risiken zu minimieren und das Vertrauen der Verbraucher zu erhalten.

Die OS-Plattform wird abgeschafft – Was bedeutet das für Unternehmen?

Im Jahr 2016 wurde die OS-Plattform der EU-Kommission zur außergerichtlichen Streitbeilegung geschaffen. Online-Unternehmen müssen seitdem auf diese Plattform hinweisen und verlinken. Dies sorgte für massive Abmahnwellen. Nun die gute Nachricht: Die Plattform – und mit ihr die Pflicht zur Verlinkung – wird abgeschafft. Was bedeutet das für Sie?

Hintergrund

Die OS-Plattform und die zugrunde liegende ODR-Verordnung (VO 524/2013) ist eine Säule eines Systems zur außergerichtlichen Streitbeilegung. Die zweite Säule ist die am gleichen Tage verkündete ADR-Richtlinie (RL 2013/11/EU).

In der Richtlinie werden die Grundlagen gelegt, dass die Mitgliedstaaten der EU nationale Schlichtungsstellen schaffen, an die sich ein Verbraucher wenden kann, wenn er Probleme mit einem Unternehmen hat.

Diese Schlichtungsstellen sollen die Streitigkeiten schnell, effizient und kostengünstig (für den Verbraucher) klären und somit Gerichtsverfahren unnötig machen. Diese Richtlinie bleibt weiterhin bestehen.

Die OS-Plattform soll dem Verbraucher eine Möglichkeit bieten, sich bei grenzüberschreitenden Problemen an eine Schlichtungsstelle zu wenden. Dabei hat die OS-Plattform selbst keine Schlichtungen vorgenommen. Sie hat lediglich eingehende Beschwerden an das jeweilige Unternehmen bzw. die jeweils zuständige nationale Schlichtungsstelle weitergeleitet.

Lediglich 2 % aller über die Plattform eingereichten Beschwerden wurden überhaupt an eine nationale Schlichtungsstelle weitergeleitet – was 200 Beschwerden pro Jahr bedeutet.

Die Sinnhaftigkeit dieser Plattform wurde von Anfang an kritisiert.

Abschaffung der OS-Plattform zum 20. Juli 2025

Nun wird die OS-Plattform zum 20. Juli 2025 abgeschafft, das regelt die am 30.12.2024 veröffentlichte Verordnung 2024/3228. Damit verbunden fällt auch die Pflicht für Online-Unternehmen weg, auf diese Plattform zu verlinken.

Einstellung der Beschwerdemöglichkeit am 20. März 2025

Art. 2 Abs. 2 der VO 2024/3228 legt fest, dass die Einreichung von Beschwerden auf der OS-Plattform bereits am 20. März 2025 eingestellt wird.

Ab diesem Tag können Verbraucher also keine Beschwerden mehr einreichen.

Informationspflicht zur OS-Plattform besteht noch bis 20. Juli 2025

Allerdings besteht für Online-Unternehmen noch bis zum 20. Juli 2025 die Pflicht, auf die OS-Plattform hinzuweisen. Einen Mehrwert hat diese Informationspflicht ab dem 20. März aber nicht mehr, da der Verbraucher diese Plattform dann nicht mehr nutzen kann.

Je nachdem, wie Unternehmen aktuell ihre Informationspflicht erfüllen, müsste dieser Hinweis angepasst werden. Wird in dem Hinweis explizit darauf hingewiesen, dass Verbraucher die OS-Plattform nutzen können, um eine Beschwerde einzureichen, wäre diese Information ab dem 20. März falsch.

Ab dem 20. Juli 2025 sollte der Hinweis auf die OS-Plattform von der Website und aus den AGB (und allen anderen Stellen) entfernt werden.

Hinweis auf Teilnahme an Schlichtungsverfahren muss weiter erteilt werden!

Von dem Hinweis auf die OS-Plattform ist die Information zu unterscheiden, ob das Unternehmen bereit oder verpflichtet ist, an außergerichtlicher Streitbeilegung teilzunehmen. Diese Informationspflicht kommt aus § 36 VSBG bzw. der oben erwähnten ADR-Richtlinie und bleibt bestehen!

Aktuell finden sich im Impressum und in den AGB häufig Texte wie dieser:

Plattform der EU zur außergerichtlichen Online Streitbeilegung: http://ec.europa.eu/consumers/odr/

Wir sind nicht bereit oder verpflichtet, an Streitbeilegungsverfahren vor einer Verbraucherschlichtungsstelle teilzunehmen.

Der erste Satz muss also ab 20. Juli 2025 entfernt werden. Der zweite Satz muss aber zwingend bestehen bleiben! Allerdings stehen auch hierbei Änderungen an. Aus dem Bundesministerium der Justiz gibt es seit Oktober 2024 einen Referentenentwurf, nach dem auch diese zweite Informationspflicht weitgehend abgeschafft werden soll. Durch die vorgezogene Bundestagswahl ist allerdings fraglich, ob es noch zu dieser Änderung kommen wird.

Kündigung von Unterlassungserklärungen prüfen

Gerade in den Anfangsjahren der OS-Plattform gab es zahlreiche Abmahnungen zu dem Thema, etwa weil gar nicht auf die Plattform hingewiesen wurde oder der Link nicht klickbar war. Aufgrund dieser Abmahnungen gaben viele Unternehmen eine Unterlassungserklärung ab. Diese verpflichtet – vereinfacht gesagt – bis in alle Zukunft auf die Plattform zu verlinken.

Trotz Abschaffung der Plattform gilt die Verpflichtung aus der Unterlassungserklärung weiter, da es sich hierbei um einen Vertrag handelt.

Unternehmen, die eine Unterlassungserklärung zu dem Thema abgegeben haben, sollten prüfen lassen, ob man diese kündigen kann.

Fazit

Es ist zu begrüßen, dass die OS-Plattform endlich abgeschafft wird. Daraus ergeben sich folgende ToDo für Online-Unternehmen:

  • Anpassung von Impressum und AGB
  • Unterlassungserklärungen prüfen

Wenn Sie eine Unterlassungserklärung abgegeben haben, ist unbedingt zu prüfen, ob man diese kündigen kann. Gerne unterstützen wir Sie bei der Umsetzung dieser Aufgaben.