Unsere Münchener Partnerin Dr. Truiken Heydn leitet dieses Jahr wieder gemeinsam mit Prof. Dr. Fabian Schuster die Kölner Tage IT-Recht am kommenden Donnerstag und Freitag, 13.-14. März 2025. Ein spannendes Programm u.a. zu den Themen KI, Cybersecurity und Cloud-Verträge erwartet Sie. Teilnahme in Präsenz und Online möglich.

Truiken Heydn ins Executive Committee der ITechLaw gewählt

Unsere Partnerin Dr. Truiken Heydn wurde zum Mai 2025 in das Executive Committe der International Technology Law Association (ITechLaw) gewählt. Sie wird dort zunächst die Position der Assistant Secretary ausfüllen. Von 2013 – 2019 war sie bereits im Board of Directors tätig. Die ITechLaw ist die führende internationale Vereinigung für Juristinnen und Juristen, die auf Rechtsberatung im Technologieumfeld spezialisiert sind.

KI-Haftung: EU Kommission zieht Richtlinienvorschlag zurück

Die EU Kommission hat am 12. Februar 2025 die Richtlinie über KI-Haftung zurückgezogen. Die Kommission begründete ihre Entscheidung damit, dass sie keine vorhersehbare Einigung über die Richtlinie sehe.

Richtlinienvorschlag über KI-Haftung

Mit dem Richtlinienvorschlag über KI-Haftung sollten bestimmte Regeln für die zivilprozessuale Geltendmachung außervertraglicher zivilrechtlicher Ersatzansprüche für Schäden etabliert werden, die durch künstliche Intelligenz verursacht werden. Das Haftungsrisiko ist laut einer Umfrage aus dem Jahr 2020 das wichtigste Hindernis, das Unternehmen davon abhält, KI einzusetzen.

Der Richtlinienvorschlag über KI-Haftung war neben der KI-Verordnung und der Überarbeitung des EU Produktsicherheitsrechts Teil eines Maßnahmepakets zur Unterstützung der Einführung von KI in Europa. Die KI-Verordnung ist in Kraft; die Kapitel I und II (Allgemeine Bestimmungen und Verbotene Praktiken im KI-Bereich) gelten seit dem 2. Februar 2025. Die Produktsicherheitsverordnung ist ebenfalls in Kraft; sie gilt seit dem 13. Dezember 2024.

Verschuldensunabhängige Haftung?

Der Richtlinienvorschlag über KI-Haftung sah keine Gefährdungshaftung für KI-Systeme vor.

Dabei ist allerdings zu beachten, dass die neue Produkthaftungsrichtlinie in Art. 4 Nr. 1 nunmehr ausdrücklich klarstellt, dass Software unabhängig von ihrer Verkörperung auf einem physischen Datenträger als Produkt im Sinne der Richtlinie gilt. Dadurch gilt die verschuldensunabhängige Produkthaftung auch für KI-Systeme, denn jedes KI-System basiert auf Software. Bislang war umstritten, ob Software ein Produkt im Sinne des Produkthaftungsrechts darstellt.

Verpflichtung zur Offenlegung von Beweisen

Gegenstand des Richtlinienvorschlags über KI-Haftung waren erhebliche Beweiserleichterungen für die durch ein KI-System Geschädigten. Zum einen sollte der Anbieter oder Nutzer eines Hochrisiko-KI-Systems zur Offenlegung relevanter Beweise verpflichtet werden. Die Zivilgerichte sollten die Befugnis erhalten, diese Offenlegung im Schadensersatzprozess anzuordnen.

Beweislastumkehr

Die Verweigerung der Offenlegung sollte sodann eine widerlegbare Vermutung für eine Verletzung von Sorgfaltspflichten durch den Anbieter oder Nutzer begründen.

Des Weiteren sollte – auch im Falle von KI-Systemen, die keine Hochrisiko-KI-Systeme sind – für den Kausalzusammenhang zwischen dem Verschulden des Beklagten und dem Schaden unter bestimmten Voraussetzungen eine Beweislastumkehr eingreifen: Der Beklagte sollte in diesen Fällen beweisen müssen, dass er den Schaden nicht zu verantworten hat.

Diese Regelungen wird es nun bis auf Weiteres erst einmal nicht geben. Ob das Vorhaben einer KI-Haftungsrichtlinie von der Kommission zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgegriffen wird, bleibt abzuwarten.

Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung der Kommission ist insbesondere von der Digitalindustrie begrüßt worden.

Keine Offenlegung von Beweismitteln

Aus der Sicht der Rechtspflege ist die Entscheidung ebenfalls zu begrüßen.

Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einführung einer Befugnis der Gerichte, die Offenlegung von Beweismitteln anzuordnen, stellt einen erheblichen Eingriff in das Zivilprozessrecht der Mitgliedstaaten dar. Das gilt insbesondere für Mitgliedstaaten wie Deutschland, nach deren Zivilprozessrecht der Beibringungsgrundsatz gilt, d.h. die Beweismittel von den Parteien beizubringen sind und das Gericht von Amts wegen weder den Sachverhalt ermittelt noch Beweismittel beschafft. Der Beibringungsgrundsatz ist Ausfluss der im Zivilrecht geltenden Parteiautonomie und gehört damit letztlich zu den grundlegenden bürgerlichen Freiheitsrechten.

Keine Beweislastumkehr?

Im Hinblick auf die Regelungen zur Beweislastumkehr, die es nun erst einmal nicht geben wird, darf die Entscheidung der Kommission allerdings nicht überschätzt werden.

Denn der BGH hat im Rahmen der grundsätzlich verschuldensabhängigen außervertraglichen Produzentenhaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB bereits im Jahr 1968 hinsichtlich des Verschuldens eine Beweislastumkehr etabliert. Im Ergebnis gibt es in Deutschland in der Praxis daher bereits heute kaum Unterschiede zwischen der Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB und der verschuldensunabhängigen Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz, das 1990 in Kraft trat. Auch für die vertragliche Haftung gibt es in Deutschland eine Beweislastumkehr für das Verschulden (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Diese Regeln der Beweislastumkehr gelten selbstverständlich auch in Schadensersatzprozessen, in denen eine KI in die Schadensverursachung involviert war.

Fazit

Die Entscheidung der Kommission, diesen Bereich einstweilen nicht zu harmonisieren und die Regelung der Haftung für KI den Mitgliedstaaten zu überlassen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Denn ob die teilweise überbordende Regulierung des IT-Rechts auf EU-Ebene der europäischen Digitalwirtschaft wirklich hilft, mag angesichts der faktischen Dominanz US-amerikanischer Unternehmen in diesem Bereich bezweifelt werden.

Unsere Partnerin Dr. Truiken Heydn hat die neuen Kapitel zu Schiedsverfahren, IT-Litigation und typischen Streitpunkten in IT-Streitigkeiten in der neuen Auflage des Praxishandbuchs Softwarerecht von Marly verfasst, die heute erschienen ist. Das Praxishandbuch Softwarerecht gilt seit vielen Jahren als die „Bibel“ des Softwarerechts. Die Kapitel geben einen Überblick für alle Juristen, die mit einem gescheiterten IT-Projekt konfrontiert sind. Auch wer IT-Verträge verfasst und der Streitbeilegungsklausel die notwendige Aufmerksamkeit widmen will, findet dort eine Fülle an nützlichen und praktischen Informationen.

Werbung mit einem mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff wie „klimaneutral“ ist regelmäßig nur dann zulässig, wenn in der Werbung selbst erläutert wird, welche konkrete Bedeutung diesem Begriff zukommt. Das hat der Bundesgerichtshof am 27. Juni 2024 entschieden (Az. I ZR 98/23).

Sachverhalt

Ein Hersteller von Produkten aus Fruchtgummi und Lakritz hatte in einer Fachzeitung der Lebensmittelbranche mit der Aussage geworben, dass er seit 2021 alle Produkte klimaneutral produziere. Der Hersteller hatte zudem ein Logo verwendet, das den Begriff „klimaneutral“ zeigt und auf die Internetseite eines „ClimatePartner“ hingewiesen. Tatsächlich läuft der Herstellungsprozess der Produkte jedoch nicht CO2-neutral ab. Der Hersteller unterstützt vielmehr lediglich über den „ClimatePartner“ Klimaschutzprojekte.

Entscheidung

Der BGH entschied, dass diese Werbung irreführend im Sinne von § 5 UWG ist.

Gesteigertes Aufklärungsbedürfnis und strenge Anforderungen bei umweltbezogener Werbung

Im Bereich der umweltbezogenen Werbung – ebenso wie bei gesundheitsbezogener Werbung – ist eine Irreführungsgefahr besonders groß. Deshalb besteht ein gesteigertes Aufklärungsbedürfnis der angesprochenen Verkehrskreise über Bedeutung und Inhalt der verwendeten Begriffe und Zeichen. An die zur Vermeidung einer Irreführung erforderlichen aufklärenden Hinweise sind daher grundsätzlich strenge Anforderungen zu stellen, die sich im Einzelfall nach der Art des Produkts und dem Grad und Ausmaß seiner „Umweltfreundlichkeit“ bestimmen.

Mehrdeutiger Begriff „klimaneutral“

Der Begriff „klimaneutral“ ist mehrdeutig, weil er sowohl im Sinne einer Vermeidung von CO2-Emissionen im Produktionsprozess als auch im Sinne einer bloßen CO2-Kompensation von verstanden werden kann.

Erläuterung in der Werbung selbst ist erforderlich

Bei einer Werbung, die einen mehrdeutigen umweltbezogenen Begriff wie „klimaneutral“ verwendet, muss zur Vermeidung einer Irreführung regelmäßig bereits in der Werbung selbst eindeutig und klar erläutert werden, welche konkrete Bedeutung maßgeblich ist. Aufklärende Hinweise außerhalb der umweltbezogenen Werbung sind insoweit nicht ausreichend.

Kompensation ist nicht gleichwertig zur Reduktion

Erfreulich ist die Klarstellung des BGH, dass eine bloße Kompensation, etwa durch finanzielle Unterstützung von Klimaschutzprojekten oder den Erwerb von Emissionszertifikaten, einer Reduktion von CO2-Emissionen nicht gleichwertig ist. Die Reduktion ist gegenüber der Kompensation unter dem Gesichtspunkt des Klimaschutzes vorrangig. Deshalb ist eine Erläuterung des Begriffs „klimaneutral“ erforderlich. Die Irreführung ist auch wettbewerblich relevant, da die Bewerbung eines Produkts mit einer vermeintlichen Klimaneutralität für die Kaufentscheidung des Verbrauchers von erheblicher Bedeutung ist.

Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung hat erhebliche Bedeutung, auch für die IT-Industrie. Denn Unternehmen, die Computerhardware und Software herstellen, Betreiber von Rechenzentren usw. werben gerne damit, dass ihre Produkte oder ihr Unternehmen „klimaneutral“ seien.

Auch Unternehmen, die das Schlagwort „Green IT“ zur Bewerbung ihrer Produkte verwenden, müssen die strengen Anforderungen an umweltbezogene Werbung erfüllen und in der Werbung selbst eindeutig und klar erläutern, inwiefern ihre Produkte konkret umweltfreundlich sind.

Geldbußen bei DSGVO-Verstößen durch Unternehmen

Haftung für Fahrlässigkeit und Auftragsverarbeiter

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 5. Dezember 2023 in zwei Urteilen Fragen im Zusammenhang mit der Verhängung von Bußgeldern gegen Unternehmen bei Verstößen gegen die DSGVO geklärt.

Einführung

Nach Art. 83 DSGVO können u.a. gegen Verantwortliche und Auftragsverarbeiter Geldbußen festgesetzt werden, wenn diese bestimmte Pflichten nach der DSGVO verletzen. Verantwortliche und Auftragsverarbeiter können natürliche oder juristische Personen sein (Art. 4 Nr. 7, Nr. 8 DSGVO).

Diese Bestimmungen kollidieren mit dem deutschen Rechtssystem, nach welchem nur natürliche Personen Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten begehen können. Eine Strafe im Sinne des Strafgesetzbuchs, also eine Geldstrafe oder Freiheitsstrafe, kann nur gegen eine natürliche Person verhängt werden. Die Festsetzung einer Geldbuße gegen eine juristische Person, also beispielsweise eine GmbH oder Aktiengesellschaft, ist zwar möglich. Das setzt aber gemäß § 30 Abs. 1 OWiG voraus, dass eine natürliche Person in ihrer Eigenschaft als organschaftlicher Vertreter oder sonst in leitender Stellung eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begangen und dadurch Pflichten der juristischen Person verletzt hat. Daraus folgt im Umkehrschluss, dass eine Geldbuße unzulässig ist, wenn ein Mitarbeiter, der nicht in leitender Stellung tätig ist, eine Verpflichtung der juristischen Person verletzt hat.

Die Verhängung einer Geldbuße setzt nach deutschem Recht immer eine schuldhafte Begehung voraus, also dass die handelnde Person vorsätzlich oder fahrlässig gehandelt hat. Nach deutschem Recht ist die Ahndung fahrlässiger Handlungen nur möglich, wenn das Gesetz dies ausdrücklich bestimmt (§ 10 OWiG).

Sachverhalt

Dem ersten Fall lag eine Auseinandersetzung zwischen der Deutsche Wohnen SE, einem der größten deutschen Wohnungsunternehmen, und der Staatsanwaltschaft Berlin zugrunde. Die Berliner Datenschutz-Aufsichtsbehörde hatte gegen die Deutsche Wohnen SE wegen der Speicherung von personenbezogenen Daten von Mietern in einem elektronischen Archivsystem mehrere Geldbußen festgesetzt. Die Behörde beanstandete, dass nicht nachvollzogen werden konnte, ob die Speicherung erforderlich ist und ob die Löschung nicht mehr erforderlicher Daten gewährleistet ist.

Auf Einspruch der Deutsche Wohnen SE stellte das Landgericht Berlin das Verfahren ein, weil der Bußgeldbescheid unter so gravierenden Mängeln leide, dass er nicht als Grundlage für die Festsetzung einer Geldbuße dienen könne. Der schuldhafte Verstoß eines organschaftlichen Vertreters oder sonst in leitender Stellung tätigen Mitarbeiters sei nicht festgestellt.

Fragen an den EuGH

Auf sofortige Beschwerde der Staatsanwaltschaft Berlin legte das Kammergericht Berlin den Fall dem EuGH vor und fragte, ob nach Art. 83 DSGVO die Möglichkeit bestehen muss, eine Geldbuße gegen eine juristische Person zu verhängen, ohne dass der Verstoß gegen die DSGVO zuvor einer identifizierten natürlichen Person zugerechnet wird. Wenn das der Fall ist, fragte das Kammergericht, welche Kriterien für die Verantwortlichkeit eines Unternehmens für einen Verstoß gegen die DSGVO heranzuziehen sind. Insbesondere wollte das Kamemrgericht wissen, ob eine Geldbuße gegen eine juristische Person verhängt werden kann, ohne dass nachgewiesen werden kann, ob der ihr zuzurechnende Verstoß gegen die DSGVO schuldhaft begangen wurde.

Entscheidung

Keine Zurechnung zu einer natürlichen Person

Der EuGH entschied, dass die Bestimmungen der DSGVO einer nationalen Regelung wie in § 30 OWiG entgegenstehen, mithin also die Festsetzung einer Geldbuße nach der DSGVO nicht davon abhängig gemacht werden darf, dass der Verstoß zuvor einer identifizierten natürlichen Person zugerechnet wurde (Urteil vom 5. Dezember 2023, Rechtssache C-807/21, Deutsche Wohnen SE ./. Staatsanwaltschaft Berlin).

Schuld der juristischen Person erforderlich

Der EuGH entschied des Weiteren, dass Art. 83 DSGVO die Verhängung einer Geldbuße nicht gestattet, ohne dass nachgewiesen ist, dass der Verstoß „von dem Verantwortlichen“ vorsätzlich oder fahrlässig begangen wurde, weil sich aus Art. 83 Abs. 2 Satz 2 b) und Abs. 3 DSGVO ergibt, dass die Verhängung einer Geldbuße vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln voraussetzt (Urteil vom 5. Dezember 2023, Rechtssache C-807/21, Deutsche Wohnen SE ./. Staatsanwaltschaft Berlin).

Haftung für Auftragsverarbeiter

In einer zweiten Entscheidung vom selben Tag (Urteil vom 5. Dezember 2023, Rechtssache C-681/21, Nacionalinis visuomenes sveikatos centras prie Sveikatos apsaugos ministerijos ./. Valstybine duomenq apsaugos inspekcija) bestätigte der EuGH die Erforderlichkeit vorsätzlichen oder fahrlässigen Handelns.

Er entschied des Weiteren, dass eine Geldbuße gegen den Verantwortlichen auch dann verhängt werden kann, wenn nicht der Verantwortliche selbst die betreffenden Verarbeitungsvorgänge vornimmt, sondern in seinem Namen ein Auftragsverarbeiter, es sei denn, der Auftragsverarbeiter hat Verarbeitungen vorgenommen

  • für eigene Zwecke oder
  • auf eine Weise, die nicht mit dem vom Verantwortlichen festgelegten Rahmen vereinbar ist, oder
  • auf eine Weise, bei der vernünftigerweise nicht davon ausgegangen werden kann, dass der Verantwortliche ihr zugestimmt hätte.

Bewertung

Die Vorstellung, dass nicht nur eine natürliche Person, sondern auch eine juristische Person als solche schuldhaft handeln kann, widerspricht der der deutschen Rechtsdogmatik. Wie die Schuld einer juristischen Person konkret festzustellen ist, erläutert der EuGH nicht.

In Fällen, in denen es möglich ist, den Verstoß einer zuvor identifizierten Person zuzurechnen, würde es naheliegen, auf die Schuld dieser Person abzustellen. Allerdings sind durchaus Fälle denkbar, in denen zwar die konkrete Person nicht schuldhaft gehandelt hat, etwa weil ihr ein bestimmtes Wissen fehlte, die juristische Person als solche hingegen schon, etwa weil sie sich das Wissen sämtlicher Mitarbeiter zurechnen lassen muss.

Für Deutschland von besonderer Bedeutung ist, dass § 10 OWiG bei Verstößen gegen die DSGVO schlichtweg nicht gilt. Vielmehr kann fahrlässiges Handeln immer mit einer Geldbuße geahndet werden, auch wenn die betreffende Vorschrift der DSGVO dies nicht explizit regelt.

Bemerkenswert ist schließlich die durch den EuGH etablierte Haftung für Verstöße von Auftragsverarbeitern.

Fazit

Zur Vermeidung von Bußgeldern sollten Unternehmen dringend stringente Vorkehrungen gegen mögliche DSGVO-Verstöße treffen.

Wie ein fahrlässiges Handeln eines Unternehmens konkret nachzuweisen ist, ist zwar auch durch die jüngsten Entscheidungen des EuGH nicht geklärt worden.

Unternehmen, die nicht über ein detailliertes Datenschutzkonzept verfügen und nicht nachweisen können, dass dieses nicht nur als zahnloser Papiertiger in einer Schublade liegt, sondern im täglichen Geschäft beachtet wird und in entsprechenden Workflows (z.B. regelmäßige Löschungen nicht mehr benötigter personenbezogener Daten) umgesetzt wurde, müssen damit rechnen, dass der Fahrlässigkeitsvorwurf erfolgreich erhoben wird.

Neue Rechtsprechung des BGH zur Form von Unterlassungserklärungen

Eine Unterlassungsverpflichtungserklärung kann als PDF-Datei per E-Mail übersandt werden. Das hat der für gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und unlauteren Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des BGH entschieden (Urteil vom 12.1.2023 – I ZR 49/22). Aber Vorsicht: Das gilt zum einen nur für Kaufleute, und zum anderen kann der Abmahnende die Annahme der Unterlassungserklärung ablehnen, wenn er eine Übersendung in Schriftform per Post verlangt hat.

Sachverhalt

Eine Gewerbetreibende hatte im Jahr 2021 ohne Zustimmung eine Werbe-E-Mail für medizinische Masken und eine weitere Werbe-E-Mail für Corona-Schnelltests erhalten. Sie mahnte den Absender der E-Mails ab und forderte ihn unter Fristsetzung zur Unterzeichnung einer Unterlassungsverpflichtungserklärung auf. In der Abmahnung wies sie darauf hin, dass eine Versendung der Erklärung vorab per Fax oder E-Mail genüge, sofern das entsprechende Original spätestens zwei Tage nach Ablauf der gesetzten Frist eingehe. Der Absender der Werbe-E-Mails übersandte innerhalb der gesetzten Frist die gewünschte Erklärung in Textform per E-Mail und hängte an die E-Mail die unterschriebene Unterlassungserklärung als PDF an. Daraufhin teilte die Gewerbetreibende dem Absender der Werbe-E-Mails mit, dass die Angelegenheit mit der Übersendung per E-Mail nicht erledigt sei und dass sie den Vorgang zur Klageerhebung weitergeleitet habe und beauftragte ihren Rechtsanwalt mit der Klageerhebung. Es ging also nur um die Frage, in welcher Form eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben werden muss, und ob eine unterschriebene, als PDF übersandte Unterlassungsverpflichtungserklärung ausreichend ist.

Entscheidung

Wiederholungsgefahr als Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch

Die unverlangte Zusendung von Werbe-E-Mails an Gewerbetreibende stellt einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Nach ständiger Rechtsprechung begründet die Begehung einer unerlaubten Handlung eine Wiederholungsgefahr. Die Gewerbetreibende kann daher gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB Unterlassung verlangen. Die Wiederholungsgefahr entfällt, wenn der Verletzer eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgibt. Bestehen jedoch Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Unterlassungserklärung, entfällt die Wiederholungsgefahr nicht.

Form der Unterlassungsverpflichtungserklärung

Die Unterlassungsverpflichtungserklärung unterliegt zwar keinem gesetzlichen Formzwang im Sinne von § 126 Abs. 1 BGB; die Vereinbarung, auf die die Unterlassungsverpflichtungserklärung abzielt, stellt aber ein abstraktes Schuldanerkenntnis dar und unterliegt daher grundsätzlich dem Schriftformerfordernis gemäß §§ 780 Satz 1, 781 Satz 1 BGB. Wird die Unterlassungsverpflichtungserklärung allerdings von einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes abgegeben, entfällt das Schriftformerfordernis gemäß §§ 343 Abs. 1, 350 HGB.

Keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Unterlassungsverpflichtungserklärung

Der BGH hatte vor mehr als 30 Jahren entschieden, dass eine Unterlassungsverpflichtungserklärung per Fernschreiben nicht ausreichend ist, weil ein Fernschreiben maschinell gefertigt und nicht unterzeichnet ist, woraus sich Zweifel an der Urheberschaft der Erklärung ergeben können. Diese Zweifel, so der BGH in der aktuellen Entscheidung, bestehen bei der Übersendung einer unterschriebenen Unterlassungserklärung per E-Mail nicht. Bei der Beurteilung der Ernsthaftigkeit müssen die seit dem Gebrauch von Fernschreiben fortgeschrittene Entwicklung der Technik und die Usancen des Rechtsverkehrs berücksichtigt werden, dass sich zwischenzeitlich die Übermittlung von rechtsverbindlichen Erklärungen per E-Mail im Geschäfts- und Rechtsverkehr durchgesetzt hat.

Überraschende Wendung

In dem Fall gab es dann aber doch noch eine überraschende Wendung. Denn der BGH hat Ende 2022 seine Rechtsprechung zum Wegfall der Wiederholungsgefahr geändert. Nach früherer Rechtsprechung genügte für den Wegfall der Wiederholungsgefahr der Zugang einer einseitig vom Unterlassungsschuldner abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung, und zwar auch dann, wenn der Gläubiger die Annahme der Unterlassungserklärung ablehnte.

Ablehnung der Unterlassungserklärung durch den Unterlassungsgläubiger

Von dieser Rechtsprechung ist der I. Zivilsenat des BGH abgerückt: Mit Urteil vom 1.12.2022 – I ZR 144/21 hat er entschieden, dass es an einem Wegfall der Wiederholungsgefahr fehlt, wenn und sobald der Unterlassungsgläubiger die Annahme der Unterlassungserklärung gegenüber dem Schuldner ablehnt. Denn dann kommt der vom Schuldner durch Abgabe der Unterlassungserklärung angebotene Unterlassungsvertrag nicht zustande, und der Gläubiger kann im wiederholten Verletzungsfall die Vertragsstrafe nicht verlangen. Da auch im aktuellen Fall die Gläubigerin die per E-Mail übersandte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgelehnt hat, war mit der Ablehnung des Unterlassungsvertrags die Wiederholungsgefahr nicht mehr weggefallen.

Verlangen einer bestimmten Unterlassungserklärung durch den Gläubiger

Anders ist es nur, wenn der Gläubiger mit der Abmahnung eine bestimmte Unterlassungserklärung verlangt, und der Schuldner diese unverändert abgibt. Denn dann hat der Gläubiger dem Schuldner ein Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrages unterbreitet, und der Schuldner hat dieses angenommen. Gibt der Schuldner hingegen eine Unterlassungserklärung ab, die von der vom Gläubiger verlangten Unterlassungserklärung nur geringfügig und unwesentlich abweicht, stellt dies keine Annahme des Angebots des Gläubigers dar, sondern ein neues Angebot auf Abschluss eines (abgeänderten) Unterlassungsvertrages (§ 150 Abs. 2 BGB).

Im aktuellen Fall sah der BGH in der Abmahnung eine Aufforderung zum Abschluss eines Unterlassungsvertrages unter Einhaltung einer gewillkürten Schriftform gemäß § 127 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 126 Abs. 1 BGB. Dieser Aufforderung kam der Schuldner nicht nach, da er lediglich eine nicht der Schriftform genügende PDF-Datei per E-Mail übersandt hatte. Die Übersendung der PDF-Datei stellte daher eine Ablehnung der Vereinbarung der gewillten Schriftform verbunden mit einem neuen Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvertrages in Textform dar. Dieses Angebot konnte die Unterlassungsgläubigerin ablehnen.

Fazit

Bei der Abgabe von Unterlassungserklärungen sind die Anweisungen des Abmahnenden hinsichtlich der Form der Unterlassungserklärung genau zu befolgen. Nur wenn der Abgemahnte Kaufmann ist und in der Abmahnung keine besondere Form der Unterlassungserklärung verlangt wird, ist die Unterzeichnung und Übersendung als PDF-Datei ausreichend.

<strong>BGH zur wettbewerbsrechtlichen Haftung für Affiliate-Partner</strong>

Der Bundesgerichtshof hat heute entschieden, dass Amazon nicht für die irreführende Werbung eines Affiliate-Partners haftet, die dieser auf seiner eigenen Website platziert hat (BGH, Urteil vom 26. Januar 2023, I ZR 27/22; die Entscheidungsgründe sind noch nicht veröffentlicht). Im Rahmen des Amazon-Partnerprogramms erhalten Dritte, die auf ihrer eigenen Website Links auf Angebote auf der Verkaufsplattform von Amazon setzen, eine Provision, wenn über diesen Link ein Kauf vermittelt wird.

Sachverhalt

Eine Matratzenherstellerin hielt die Werbung eines solchen Affiliates unter anderem für Matratzen für irreführend, weil die Website optisch einem redaktionellen Online-Magazin entsprach. Sie klagte allerdings nicht unmittelbar gegen diesen Affiliate, sondern gegen Amazon, weil sich auf der Website Links auf entsprechende Angebote auf der Verkaufsplattform von Amazon befanden. Die Matratzenherstellerin machte geltend, dass Amazon sich den Wettbewerbsverstoß ihres Affiliates gemäß § 8 Abs. 2 UWG zurechnen lassen müsse.

Entscheidung

Der BGH entschied ebenso wie die Vorinstanzen (LG Köln und OLG Köln) zugunsten von Amazon.

Keine Erweiterung des Geschäftsbetriebs von Amazon

Er begründete dies damit, dass der innere Grund für die Zurechnung der Geschäftstätigkeit des Beauftragten gemäß § 8 Abs. 2 UWG vor allem in einer dem Betriebsinhaber zugutekommenden Erweiterung des Geschäftsbetriebs und einer gewissen Beherrschung des Risikobereichs durch den Betriebsinhaber liege. An einer solchen Erweiterung des Geschäftsbetriebs von Amazon fehle es aber, wenn Affiliates eigene Produkte oder Dienstleistungen wie im Streitfall eine Website mit redaktionell gestalteten Beiträgen zu den Themen Schlaf und Matratzen nach eigenem Ermessen gestalten.

Auch wenn sie eine solche Website einsetzen, um bei verschiedenen Anbietern mittels Affiliate-Links Provisionen zu verdienen, sei die Werbung auf einer solchen Website ein Teil des Produkts, das inhaltlich von den Affiliates in eigener Verantwortung und im eigenen Interesse gestaltet wird. Die Links würden von ihnen nur gesetzt, um damit Provisionen zu generieren. Dadurch werde der eigene Geschäftsbetrieb jedoch nicht zu einer Erweiterung des Geschäftsbetriebs von Amazon.

Keine Beherrschung des Risikos durch Amazon

Es fehle im Streitfall auch an der für eine Haftung nach § 8 Abs. 2 UWG erforderlichen Beherrschung des Risikos durch Amazon, weil der Affiliate bei der Verlinkung nicht in Erfüllung eines Auftrags oder der mit Amazon geschlossenen Vereinbarung tätig werde, sondern im Rahmen des von ihm entwickelten Produkts und allein in eigenem Namen und im eigenen Interesse. Amazon sei auch nicht verpflichtet gewesen, sich einen bestimmenden und durchsetzbaren Einfluss zu sichern, weil sie ihren Geschäftsbetrieb nicht erweitert habe.

Beurteilung

Der BGH hat mit der Entscheidung der weit verbreiteten Strategie, statt des eigentlichen Verletzers denjenigen Beteiligten zu verklagen, der über „deep pockets“ verfügt, also finanziell leistungsfähig und somit im Falle des Obsiegens zur Erstattung der Prozesskosten in der Lage ist, in der konkreten Konstellation eine Absage erteilt.

Ausblick

Mit der am 1. November 2022 in Kraft getretenen Verordnung (EU) 2022/1925), besser bekannt unter der Bezeichnung Digital Markets Act, die ab 2. Mai 2023 anzuwenden ist, werden Online-Plattformen wie Amazon weitreichende Verpflichtungen auferlegt, um einer unfairen Ausnutzung von Marktmacht entgegenzuwirken.

Kölner Tage IT-Recht

Wir freuen uns, auch dieses Jahr wieder aktiv bei den Kölner Tagen IT-Recht mitzuwirken: Dr. Truiken Heydn als Co-Tagungsleiterin und Dr. Michael Karger als Referent zum Thema Auslagerung in die US-Cloud aus Kunden-Perspektive.

Dr. Trui­ken J. Heydn

Am 10. November 2022 hat die Konferenz der Justizministerinnen und -minister unter dem Vorsitz des Freistaats Bayern auf ihrer Herbstkonferenz die Reform des AGB-Rechts im unternehmerischen Geschäftsverkehr beschlossen.

Gerade unter dem Gesichtspunkt der Digitalisierung und der damit einhergehenden Bedeutung innovativer Geschäftsmodelle, aber auch im Hinblick auf Vorgaben der Europäischen Union, so ist in dem Beschluss zu TOP 1.15 der Konferenz zu lesen, sei es an der Zeit, das deutsche AGB-Recht für Verträge zwischen Unternehmen zu überarbeiten.

Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiver machen

Ziel der Überarbeitung soll sein, die Rechtssicherheit im unternehmerischen Geschäftsverkehr zu verbessern, die internationale Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Rechts zu steigern und damit letztlich auch den Wirtschaftsstandort Deutschland attraktiver zu machen.

Langjährige Forderung

Die Justizministerkonferenz kommt mit ihrem Beschluss einer Forderung nach, die von Branchenverbänden und Rechtswissenschaftlern seit vielen Jahren erhoben wird, siehe hierzu auch diesen Beitrag.

Zum Hintergrund

Möglicherweise haben die Covid-19-Pandemie und der Krieg in der Ukraine mit dazu beigetragen, dass der Handlungsbedarf erkannt wurde. Einen Beitrag dazu finden Sie hier: