Barrierefreiheitserklärung nach BFSG – Was gehört hinein und was nicht?
Update: Liste mit den aktuell zuständigen Landesbehörden ergänzt
Das BFSG tritt am 28. Juni 2025 in Kraft. Ab diesem Stichtag müssen verschiedene Produkte und Webseiten barrierefrei zur Verfügung gestellt werden. Aktuell gibt es große Missverständnisse bezüglich des Inhalts der „Barrierefreiheitserklärung“, die von Unternehmen bereitgestellt werden muss. Wir erläutern die Details.
Barrierefreiheitsstärkungsgesetz – Neue Pflichten für Unternehmen
In unserem Detailbeitrag zum Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSG) erfahren Sie die Grundlagen, insbesondere für wen das Gesetz gilt.
Außerdem haben wir einen Leitfaden „FAQ – Barrierefreie Webseiten“ erstellt, in dem wir die Umsetzung des BFSG auch aus technischer Sicht erläutern.
Barrierefreiheitserklärung nach dem BFSG
Neben der technischen Umsetzung verlangt das BFSG auch die Erteilung von Informationen gemäß Anlage 3 zu dem Gesetz. In den letzten Wochen hat sich hierfür der Begriff „Barrierefreiheitserklärung“ etabliert.
Das ist etwas misslich, da dieser Begriff eigentlich schon für eine andere Erklärung „belegt“ ist, was im Zusammenhang mit dem BFSG zu vielen Missverständnissen führt.
Das BFSG verpflichtet Dienstleistungserbringer, dass diese
„die Informationen nach Anlage 3 Nummer 1 erstellt hat und diese Informationen für die Allgemeinheit in barrierefreier Form zugänglich gemacht hat; für die Zugänglichmachung sind die Vorgaben der nach § 3 Absatz 2 zu erlassenden Rechtsverordnung maßgebend.“
Das Gesetz verweist also ausschließlich auf die Anlage 3 Nr. 1, die wie folgt lautet:
Der Dienstleistungserbringer gibt zu seiner Dienstleistung im Sinne des § 1 Absatz 3 in seinen Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder auf andere deutlich wahrnehmbare Weise an, wie sie die Barrierefreiheitsanforderungen der nach § 3 Absatz 2 zu erlassenden Rechtsverordnung erfüllt. Die entsprechenden Informationen umfassen eine Beschreibung der geltenden Anforderungen und decken, soweit für die Bewertung von Belang, die Gestaltung und die Durchführung der Dienstleistung ab.
Neben den Anforderungen an die Verbraucherinformation nach Artikel 246 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch enthalten die Informationen, soweit anwendbar, jedenfalls folgende Elemente:
a) eine allgemeine Beschreibung der Dienstleistung in einem barrierefreien Format;
b) Beschreibungen und Erläuterungen, die zum Verständnis der Durchführung der Dienstleistung erforderlich sind;
c) eine Beschreibung, wie die Dienstleistung die einschlägigen in der nach § 3 Absatz 2 zu erlassenden Rechtsverordnung aufgeführten Barrierefreiheitsanforderungen erfüllt;
d) die Angabe der zuständigen Marktüberwachungsbehörde.
Von dieser für die Privatwirtschaft relevanten Vorgabe ist die Barrierefreiheitserklärung nach § 12b des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) zu unterscheiden.
Barrierefreiheitserklärung nach dem Behindertengleichstellungsgesetz
Das BGG ist ein schon etwas älteres Gesetz aus dem Jahr 2002, das die Anforderungen an die Barrierefreiheit regelt, die von Trägern der öffentlichen Gewalt eingehalten werden müssen. Hierzu zählen beispielsweise Dienststellen der Bundesverwaltung.
Für privatwirtschaftliche Unternehmen gilt das BGG grundsätzlich nicht.
§ 12b Abs. 1 BGG verpflichtet öffentliche Stellen des Bundes, eine Erklärung zur Barrierefreiheit auf ihrer Webseite zu veröffentlichen.
Die Inhalte dieser Erklärung legt § 12b Abs. 2 BGG fest:
1. Für den Fall, dass ausnahmsweise keine vollständige barrierefreie Gestaltung erfolgt ist,
- die Benennung der Teile des Inhalts, die nicht vollständig barrierefrei gestaltet sind,
- die Gründe für die nicht barrierefreie Gestaltung sowie
- gegebenenfalls einen Hinweis auf barrierefrei gestaltete Alternativen,
2. eine unmittelbar zugängliche barrierefrei gestaltete Möglichkeit, elektronisch Kontakt aufzunehmen, um noch bestehende Barrieren mitzuteilen und um Informationen zur Umsetzung der Barrierefreiheit zu erfragen,
3. einen Hinweis auf das Schlichtungsverfahren nach § 16, der
- die Möglichkeit, ein solches Schlichtungsverfahren durchzuführen, erläutert und
- die Verlinkung zur Schlichtungsstelle enthält.
Für öffentliche Stellen des Bundes sind demnach ausdrücklich dazu verpflichtet, nicht-barrierefreie Teile des Webseiteninhalts zu benennen.
Keine Auflistung nicht-barrierefreier Teile nach BFSG
Die Informationspflicht nach BFSG kennt keine Verpflichtung, die nicht-barrierefreien Teile der Dienstleistungen (also z.B. der Webseite) aufzuführen.
In der Gesetzesbegründung zum BFSG heißt es hierzu ausdrücklich:
Diese vom Dienstleister zu erstellenden Informationen entsprechen weitgehend der Barrierefreiheitserklärung, wie sie § 12 b BGG vorsieht. Die Richtlinie (EU) 2019/882 sieht allerdings nicht vor, dass der Dienstleistungserbringer in seinen Informationen auch angibt, welche Teile seiner Dienstleistung nicht barrierefrei sind und wie die Nichtkonformität begründet wird. Dies ist nicht erforderlich, da der Dienstleistungserbringer grundsätzlich verpflichtet ist, vollständige Barrierefreiheit herzustellen.
Wer die nicht-barrierefreien Teile seiner Webseite in der Erklärung auflistet, bietet zum einen Mitbewerbern, Verbraucherzentralen und qualifizierten Wirtschaftsverbänden eine Grundlage für Abmahnungen.
Außerdem wird damit öffentlich dokumentiert, dass man gegen das Gesetz verstößt und somit auch vorsätzlich handelt. Dies dürfte bei der Verhängung eines möglichen Bußgeldes eine entscheidende Rolle spielen.
Folgen einer nicht-barrierefreien Webseite
Das Gesetz sieht mehrerer (gleichzeitig) bestehende Verpflichtungen vor, wenn die Dienstleistung nicht den Vorgaben des BFSG und der zugehörigen BFSGV entspricht:
- Verbot des Angebots und der Erbringung der Dienstleistung (§ 14 Abs. 1 Nr. 1 BFSG)
- Ergreifung der erforderlichen Korrekturmaßnahmen, um die Konformität der Dienstleistung herzustellen (§ 14 Abs. 4 S. 1 BFSG)
- Information der Marktüberwachungsbehörde(n), dass die Dienstleistung nicht den Anforderungen der BFSGV genügt (§ 14 Abs. 4 S. 2 BFSG)
Die Behörde kann dann ein mehrstufiges Verfahren einleiten, das im schlimmsten Fall zur Untersagung der Erbringung der Dienstleistung führen kann. Im Fall von Webseiten bedeutet dies, dass die nicht barrierefreien Teile der Webseite abgeschaltet werden müssen.
Außerdem drohen Bußgelder.
Wer hilft bei der Erstellung der Barrierefreiheitserklärung?
Wenn Sie Ihre Webseite von einer Agentur betreuen lassen, ist deren Unterstützung für die Erstellung der Barrierefreiheitserklärung nach BFSG unerlässlich. Dabei geht es nicht darum, dass die Agentur Rechtsberatung durchführt, sondern dass sie klar benennt, mit welchen technischen Mitteln die Barrierefreiheit hergestellt wurde.
Daneben sollte auch immer rechtlicher Rat bei der Erstellung eingeholt werden. Da neben den technischen Anforderungen auch die rechtlichen Vorgaben an die Information zu erfüllen sind.
Da die Erklärung sehr individuell zu erstellen ist, insbesondere was die Beschreibung der angebotenen Dienstleistung, die Beschreibung, die zum Verständnis der Dienstleistung sowie die konkrete technische Umsetzung der Anforderungen an die Barrierefreiheit betrifft, dürfte es keine passenden Standardmuster geben, die man übernehmen kann.
Letztlich ist die Anlage 3 zum BFSG das „Muster“, welches vom Unternehmen entsprechend auszufüllen ist.
Wo gehört die Barrierefreiheitserklärung hin?
Die Anlage 3 zum BFSG schreibt vor, dass die Informationen entweder in den AGB oder „auf andere deutlich wahrnehmbare Weise“ anzugeben sind.
Nach unserer Auffassung gehören die speziellen Informationen zum BFSG nicht in die AGB. Vielmehr sollte hierfür eine eigene Seite bereitgehalten und im Footer der Webseite verlinkt werden.
Update: Zuständige Marktüberwachungsbehörden nach dem BFSG
Die Bundesländer haben einen Staatsvertrag geschlossen, mit dem eine zentrale Marktüberwachungsbehörde in Sachsen-Anhalt geschaffen werden soll. Dieser Staatsvertrag wurde aber noch nicht von allen Bundesländern ratifiziert, sodass diese Behörde noch nicht eingerichtet wurde.
Allerdings haben manche Bundesländer eigene Marktüberwachungsbehörden benannt, die für den Übergangszeitraum bis zur Einrichtung der zentralen Behörde für die Überwachung nach dem BFSG zuständig sind.
In der nachfolgenden Übersicht finden Sie die Marktüberwachungsbehörden der Länder, die wir aufgrund von Veröffentlichungen in den jeweiligen Gesetzblättern ausfindig machen konnten.
Bundesland | zuständige Behörde | Rechtsgrundlage |
Baden-Württemberg | keine zuständige Behörde gefunden | |
Bayern | Für die Regierungsbezirke Unterfranken, Oberfranken, Mittelfranken und Oberpfalz ist das Gewerbeaufsichtsamt bei der Regierung von Oberfranken in Coburg zuständig. Behördenname: Regierung von Oberfranken – Gewerbeaufsichtsamt Für die Regierungsbezirke Schwaben, Oberbayern und Niederbayern ist das Gewerbeaufsichtsamt bei der Regierung von Niederbayern in Landshut zuständig. Behördenname: Regierung von Niederbayern – Gewerbeaufsichtsamt | https://www.gewerbeaufsicht.bayern.de/marktueberwachung/bfsg.htm |
Berlin | keine zuständige Behörde gefunden | |
Brandenburg | keine zuständige Behörde gefunden | |
Bremen | keine zuständige Behörde gefunden | |
Hamburg | keine zuständige Behörde gefunden | |
Hessen | Regierungspräsidium Gießen | Verordnung über Zuständigkeiten nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (BFSGZV) |
Mecklenburg-Vorpommern | keine zuständige Behörde gefunden | |
Niedersachsen | keine zuständige Behörde gefunden | |
Nordrhein-Westfalen | keine zuständige Behörde gefunden | |
Rheinland-Pfalz | das für die sozialen Angelegenheiten zuständige Ministerium | Landesverordnung über die Zuständigkeit nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz* |
Saarland | Ministerium für Arbeit, Soziales, Frauen und Gesundheit | Verordnung über die Zuständigkeit zur Überprüfung der Konformität von Produkten und Dienstleistungen nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz |
Sachsen | Landesdirektion Sachsen | Barrierefreiheitsstärkungs-Zuständigkeitsverordnung |
Sachsen-Anhalt | Landesamt für Verbraucherschutz Sachsen-Anhalt | Verordnung über Zuständigkeiten nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz |
Schleswig-Holstein | das für Soziales zuständige Ministerium | Landesverordnung zur Bestimmung der Marktüberwachungsbehörde nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz (MübBFSGVO) |
Thüringen | keine zuständige Behörde gefunden |
* In Rheinland-Pfalz ist die Zuständigkeit gerade unklar. In der Landesrechtsprechungsdatenbank steht, dass die Zuständigkeitsverordnung durch § 2 Abs. 3 des Gesetzes vom 17. Juni 2025 aufgehoben wurde. In diesem Gesetz heißt es aber:
„§ 2 Inkrafttreten
(1) Dieses Gesetz tritt am Tage nach der Verkündung in Kraft.
(2) Der Tag, an dem der Staatsvertrag nach seinem Artikel 13 in Kraft tritt, wird vom fachlich zuständigen Ministerium im Gesetz- und Verordnungsblatt bekannt gemacht.
(3) Gleichzeitig tritt die Landesverordnung über die Zuständigkeit nach dem Barrierefreiheitsstärkungsgesetz vom 26. Juni 2024 (GVBl. S. 290, BS 86-17) außer Kraft.“
Wir meinen, dass sich das „gleichzeitig“ aus Absatz 3 auf den Zeitpunkt in Absatz 2 bezieht. Da der Staatsvertrag noch nicht in Kraft getreten ist, bleibt das für die sozialen Angelegenheiten zuständige Ministerium weiterhin die Marktüberwachungsbehörde in Rheinland-Pfalz.
Nennung der zuständigen Behörde
Bis zum Inkrafttreten des Staatsvertrages über die gemeinsame Marktüberwachungsbehörde muss die für das jeweilige Bundesland zuständige Marktüberwachungsbehörde in der Erklärung zur Barrierefreiheit genannt werden.
Fazit
Unternehmen, die vom BFSG betroffen sind, haben ab dem 28. Juni 2025 nicht nur die grundsätzlichen Vorgaben zur Barrierefreiheit zu erfüllen, sondern auch die Informationen nach Anlage 3 – für die sich der Begriff der Barrierefreiheitserklärung durchgesetzt hat – zu erteilen.
Dabei ist darauf zu achten, dass man sich mit dieser Erklärung nicht selbst an den „Pranger“ stellt und öffentlich erklärt, dass man das Gesetz nicht beachtet.
Wir unterstützen Sie gerne bei der Erstellung Ihrer Barrierefreiheitserklärung.
In einem ausführlichen Aufsatz in der Fachzeitschrift WRP haben wir uns detailliert mit den Vorgaben für barrierefreie Webseiten auseinandergesetzt. Den Aufsatz können Sie hier im Volltext lesen:
Barrierefreie Webseiten – Ein Überblick über die Auswirkungen des BFSG