Bewertung der Qualität des Vortrags bei mündlichen Präsentationen – Beschluss der VK Südbayern

Bewertung der Qualität des Vortrags bei mündlichen Präsentationen – Beschluss der VK Südbayern

(Beschl. v. 28.10.2021 – 3194.Z3-3_01-21-27)

31.03.2022 Vergaberecht

Insbesondere im Rahmen komplexer IT-Projekte mit einem hohen konzeptionellen Anteil hängt der Projekterfolg oftmals maßgeblich von der Qualität des eingesetzten Personals ab. Neben der Abfrage von konkreten Mitarbeiterprofilen bieten Bieterpräsentationen im Rahmen von Vergabeverfahren die Möglichkeit, einen unmittelbaren Eindruck von der Befähigung des von den Bietern für die Auftragsausführung vorgesehenen Personals zu erhalten. Gemäß § 58 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 VgV handelt es sich bei der Qualität des Personals im Grundsatz um ein berücksichtigungsfähiges Zuschlagskriterium:

Neben dem Preis oder den Kosten können auch qualitative, umweltbezogene oder soziale Zuschlagskriterien berücksichtigt werden, insbesondere (…) die Organisation, Qualifikation und Erfahrung des mit der Ausführung des Auftrags betrauten Personals, wenn die Qualität des eingesetzten Personals erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung haben kann (…)

Keine abschließende Klarheit besteht allerdings dahingehend, welche konkreten Aspekte der Präsentation zur Bewertung der Qualität des Personals im Rahmen von Bieterpräsentationen herangezogen werden können. Insbesondere könnten sich Zweifel ergeben, ob auch rein formale Aspekte, etwa der Vortragsstil, tatsächlich einen „erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung“ haben können. U.a. mit dieser Frage hat sich die VK Südbayern in der nachfolgend skizzierten Entscheidung vom 28.10.2021 auseinandergesetzt.

Sachverhalt:

Der Entscheidung lag eine Ausschreibung eines apothekenrechtlichen Versorgungsvertrags für eine kommunale Klinik im Wege eines Verhandlungsverfahrens mit Teilnahmewettbewerb zugrunde. Als Zuschlagskriterien wurden dabei neben dem Preis und der Qualität und der von den Bietern einzureichenden Konzepten auch der „Gesamteindruck des vorgesehenen Projektleiterteams aus der Bieterpräsentation“ herangezogen. Als dieser Bewertung zugrundeliegende Aspekte wurden „Struktur und Verständlichkeit des Vortrags“, „Darstellung der persönlichen Arbeitsweise“, „Eingehen auf Rückfragen“, „Eindruck bei der fachlichen Erläuterung“ sowie „Team- und Kommunikationsfähigkeit“ des Personals benannt. Der Maßstab für die Erreichung der Höchstpunktzahl wurde dabei wie folgt angegeben:

„gut strukturierter und fachlich weitestgehend überzeugender Vortrag, nachvollziehbare Ausdrucksweise, hohes Maß an Kommunikationsfähigkeit, gutes Zusammenwirken der Einzelvorträge zu einer weitestgehend schlüssigen Bieterpräsentation insgesamt, Eindruck eines hohen Maßes an Teamfähigkeit vermittelt“

(U.a.) diese Bewertungsmethodik griff ein unterlegender Bieter im Rahmen einer Rüge und eines daran anschließenden Nachprüfungsverfahrens an. Der Auftraggeber habe aufgrund der „vagen, rein subjektiven Kriterien“ eine unzulässige, uneingeschränkte Wahlfreiheit, da lediglich das „Wie“ des Präsentierens, nicht aber die Inhalte des Vortrags selbst bewertet werden könnten.

Entscheidung:

Die Kammer stellt zunächst klar, dass § 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 VgV im Grundsatz auf den streitgegenständlichen Auftrag anwendbar sei. Der Auftraggeber habe nachvollziehbar dargelegt, dass es für die Auftragsausführung ganz wesentlich auf die Fähigkeiten des eingesetzten Projektleiterteams ankomme, um eine „vertrauensvolle, professionelle und fachlich ausgezeichnete Zusammenarbeit in dem äußerst sensiblen Bereich der Klinikversorgung“ sicherzustellen.

Bedenken äußert die Kammer allerdings daran, ob die aufgestellten Bewertungskriterien geeignet sind, die Qualifikation des Projektleitungsteams im Hinblick auf den konkreten Aufgabenzuschnitt zu bewerten. Insbesondere der Aspekt eines „gut strukturierten Vortrags“ weise bei einer Bewertung der Qualität des eingesetzten Personals im Rahmen einer Bieterpräsentation grundsätzlich nur dann den erforderlichen konkreten Auftragsbezug auf, wenn die Tätigkeit der referierenden Personen im zu vergebenden Auftrag gerade auch das Präsentieren bzw. Vortragen beinhalte. Andernfalls sei kaum vorstellbar, dass die (zu bewertende) Qualität gemäß § 58 Abs. 2 S. 2 Nr. 2 VgV „erheblichen Einfluss auf das Niveau der Auftragsausführung“ haben könne.

Der streitgegenständliche Auftrag umfasse zwar auch Beratungstätigkeiten, die von der Vortrags- bzw. Präsentationsqualifikation des hierfür eingesetzten Personals abhängen können. Dass diese Beratungstätigkeiten (auch) durch die Projektleiter erbracht werden sollen, gehe aber aus den Vergabeunterlagen nicht hervor. Damit liege der hinreichende Auftragsbezug des Zuschlagskriteriums „Gesamteindruck des vorgesehenen Projektleiterteams aus der Bieterpräsentation“ in der konkreten Ausgestaltung der Bewertungsaspekte nicht vor.

Darüber hinaus stellt die Kammer eine ermessensfehlerhafte Wertungsentscheidung des Auftraggebers fest: An einer streitgegenständlichen Präsentation hätten neben den zu bewertenden Mitarbeitenden, die für die Rolle der Projektleitung vorgesehen waren, auch weitere Mitarbeiter des Bieters fachliche Wortbeiträge im Rahmen der Präsentationen geleistet. Zudem sei nicht das gesamte vorgesehene Projektleitungsteam bei der Präsentation anwesend gewesen. Aus der Dokumentation der Bewertung ergebe sich, dass diese Umstände nicht hinreichend berücksichtigt worden seien und insbesondere nicht stringent darauf geachtet worden sei, ausschließlich das benannte Projektleiterteam zu bewerten.

Praxishinweis:

Die Entscheidung der VK Südbayern bestätigt, dass auch formale Aspekte wie etwa die Strukturiertheit und der Vortragsstil bei der Bewertung der Qualität des Personals anhand einer Bieterpräsentation geeignete Zuschlagskriterien darstellen können. Dabei muss aber zum einen darauf geachtet werden, dass diese formalen Aspekte für das jeweils konkret bewertete Personal von unmittelbarer Relevanz für die Auftragsausführung sind. Dies ist im Zweifel bei denjenigen Rollen der Fall, deren Aufgaben eine (auch) mündliche Beratung des Auftraggebers zu komplexen Fragestellungen beinhaltet. Im Rahmen von IT-Projekten liegt ein Auftragsbezug daher am ehesten bei der Rolle eines Fachberaters, im Zweifel aber nicht bei der Rolle eines Entwicklers vor.

Darüber hinaus verdeutlicht die Entscheidung, dass bei der Bewertung des angebotenen Personals im Rahmen von Bieterpräsentationen ein besonderes Augenmerk darauf gelegt werden muss, dass tatsächlich nur die Qualität des konkret zu bewertenden Personals Berücksichtigung findet. Auch ist die Bewertung des Personals von der Angebotsbewertung im Übrigen klar zu differenzieren. Beides muss aus der Dokumentation des Bewertungsprozesses zweifelsfrei hervorgehen. Hierbei wird erneut deutlich, dass insbesondere bei Bieterpräsentationen und Verhandlungen eine detaillierte Dokumentation wesentlich ist, um späteren vergaberechtlichen Angriffen substantiiert entgegentreten zu können.

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