Anforderungen an Nachweis für Auftragsinteresse des Bieters als Zulässigkeitsvoraussetzung im Nachprüfungsverfahren
Sachverhalt
In diesem Nachprüfungsverfahren hat sich die Vergabekammer unter anderem mit der Frage auseinandergesetzt, wann von einem hinreichenden Interesse des Bieters an der Auftragserteilung als Zulässigkeitsvoraussetzung auszugehen ist, das für die Annahme der Antragbefugnis als Zulässigkeitsvoraussetzung erforderlich ist.
Im vorliegenden Fall rügte die Antragstellerin die in den Vergabeunterlagen enthaltene Leistungsbeschreibung des Antragsgegners, mit der Begründung, diese sei auf ein bestimmtes Unternehmen zugeschnitten. Die Antragstellerin hatte im Laufe des Vergabeverfahrens lediglich die Vergabeunterlagen heruntergeladen, sich jedoch nicht auf der Vergabeplattform registriert und konnte dadurch z.B. nicht auf zusätzliche u.U. kalkulationsrelevante Informationen zugreifen, die sich aus Antworten auf Bieterfragen sowie Änderungen der Vergabeunterlagen hätten ergeben können. Das bloße Herunterladen der Vergabeunterlagen hat aber für die Begründung des ernsthaften Interesses und somit der Antragsbefugnis nicht gereicht.
Inhalt des Beschlusses
Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin wurde als unzulässig und unbegründet zurückgewiesen. Besonders aufschlussreich war die Argumentation der Kammer zur Unzulässigkeit des Antrages mangels nachgewiesenem Interesses der Antragstellerin an der Abgabe eines Angebots.
Die Kammer lehnte die Antragsbefugnis der Antragstellerin nach § 160 Abs. 2 GWB ab. Grundsätzlich sind an diese Voraussetzung keine hohen Anforderungen zu stellen, denn es ist in der Regel ausreichend, dass der Bieter schlüssig einen durch die angegebene Rechtsverletzung drohenden oder eingetretenen Schaden behauptet. Hierzu muss er lediglich darstellen, dass durch den vorgebrachten Vergaberechtsverstoß seine Chancen auf den Zuschlag mindestens verschlechtert sein könnten.
Im vorliegenden Fall hat die Antragstellerin eine Registrierung nach dem Herunterladen der Vergabeunterlagen auf der Vergabeplattform unterlassen. Auch wenn für den Bieter die Registrierung auf der Vergabeplattform nach § 9 Abs. 3 S. 2 VgV für den Zugang zu den Vergabeunterlagen keine formale Voraussetzung darstellen darf, erhält der Bieter zulässigerweise nur durch eine Registrierung über die Vergabeunterlagen hinausgehende zusätzliche Informationen. Hierdurch habe die Antragstellerin aus Sicht der Vergabekamm auf den Zugang zu diesen weitergehenden, möglicherweise angebots- und insbesondere kalkulationsrelevanter Informationen verzichtet.
Der Verzicht auf eine Registrierung im Hinblick auf die hohe Angebotsrelevanz möglicher Bieterfragen und Antworten sowie möglicherweise geänderter Vergabeunterlagen, stellt das Verhalten der Antragstellerin ein maßgebliches Minus gegenüber dem Verhalten derjenigen Bieter dar, die ein tatsächliches Interesse an einer Zuschlagserteilung haben. Damit fehle bei der Antragstellerin nicht nur ein wesentliches Indiz für die Annahme des erforderlichen ernsthaften Interesses am Zuschlag. Die Vergabekammer ging vielmehr aufgrund dieses Umstandes davon aus, dass die Antragstellerin die Vergabeunterlagen lediglich zur Marktbeobachtung und Wahrung der Marktchancen ihres Produkts heruntergeladen habe, ihr ein tatsächliches Auftragsinteresse und damit die Antragsbefugnis fehle.
Fazit
Diese Entscheidung konkretisiert die Anforderungen an die Darlegung bzw. den Nachweis des erforderlichen Interesses der Bieter an einer Auftragserteilung für die Begründung der Antragsbefugnis im Nachprüfungsverfahren. Demnach ist von einem solchen Interesse nur dann auszugehen, wenn sich dieses auch in der Registrierung auf der Vergabeplattform wiederspiegelt. Das bloße Herunterladen von Vergabeunterlagen reicht für die Annahme des Interesses und die Begründung der Antragsbefugnis eines Bieters dagegen nicht. Auch zur Wahrung möglicher Rechtsmittel muss daher allen auftragsinteressierten Bietern dringend angeraten werden, eine Registrierung spätestens dann vorzunehmen, wenn die Vergabeunterlagen gesichtet wurden und weiterhin ein Interesse an der Auftragserteilung besteht.
Erkennbarkeit von Vergaberechtsverstößen, Wertungsregeln bei Einzel-, Kombinations- und Gesamtpreisen mehrerer Lose sowie zum Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers
Sachverhalt
Gegenstand des Vergabenachprüfungsverfahrens, war eine Ausschreibung der Länder Berlin und Brandenburg aus dem Jahr 2020 über Aufträge zur Lieferung, Instandhaltung und Bereitstellung von Schienenfahrzeugen und deren Betrieb für die Teilnetze Nord-Süd und Stadtbahn zwischen West und Ost ab den 2030er-Jahren.
Der Auftraggeber sieht vor, dass Bieter individuell gesonderte Angebote auf einen der vier ausgeschriebenen Aufträge (Lose), also Lieferung, Instandhaltung und Bereitstellung der Schienenfahrzeuge sowie deren Betrieb, abgeben dürfen (Einzelangebote). Weiterhin können Bieter ergänzend Angebote für weitere Aufträge (Kombinationsangebote) sowie Angebote für sämtliche Aufträge (Gesamtangebote) abgeben.
Die Antragstellerin sah sich insbesondere durch die Leistungsbeschreibung und Wertungskriterien gegenüber dem bisherigen Anbieter der ausgeschriebenen Leistung als möglichen Konkurrenten im Vergabeverfahren benachteiligt.
Inhalt des Beschlusses
Das Kammergericht verhandelte über insgesamt 25 Rügepunkte, lehnte einen Großteil der bemängelten Punkte jedoch als unzulässig und/oder unbegründet ab (vgl. KG, Beschluss vom 01.03.2024 – Verg 11/22). Nur in wenigen Punkten müssen die Auftraggeber bei den Vergabeunterlagen nachbessern. Nachfolgend werden aus der Gesamtentscheidung nur die aus hiesiger Sicht bemerkenswerten Punkte der Entscheidung herausgegriffen.
Preispositionen und Gleichbehandlung
Eine der für den Wertungspreis relevanten Preispositionen bestand in den Kosten für die Gleisanschlüsse der für die Errichtung von Werkstätten zur Instandsetzung der Schienenfahrzeuge zu nutzenden Grundstücke.
Dies stellt nach Ansicht des Kammergerichtes eine mit dem vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 97 Abs. 2 GWB unvereinbare Benachteiligung gegenüber dem Bestandsunternehmen als möglichen Bieter dar, da es dem Bestandsunternehmen erlaubt ist, auf seine bestehenden Werkstattgrundstücke und den dort bereits vorhandenen Gleisanschluss zuzugreifen, sodass ihm die insgesamt einen zweistelligen Millionenbetrag ausmachenden Kosten für die Erstellung eines Gleisanschlusses nicht entstehen. Im Ergebnis führe dies zu einer Bevorzugung des Bestandunternehmens, die diesem aufgrund des konkret bestehenden geringeren Kostenaufwandes ein günstigeres Angebot möglich sei.
Dieser Ausstattungsvorteil des Bestandsunternehmens beruhe gerade nicht auf einer im freien Wettbewerb errungenen Marktstellung, sondern darauf, dass es aufgrund seiner langjährigen Stellung als Bestandsunternehmen eine konkret auf den Beschaffungsbedarf bezogene günstigere Ausgangsposition habe. Solche Vorteile dürften sich in einem Vergabeverfahren für Wettbewerber des Bestandsunternehmens nicht nachteilig auswirken und sind zur Vermeidung eines Verstoßes gegen den vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 97 Abs. 2 GWB daher auszugleichen.
Der Senat hat die Auftragsgeber im Ergebnis daher dazu angewiesen, die Gleisanschlusskosten bei dem Wertungspreis nicht zu berücksichtigen.
Wertungsregeln bei Einzel-, Kombinations- und Gesamtpreisen
Die ausgeschriebenen Leistungen waren differenziert nach Lieferung, Instandhaltung und Bereitstellung der Schienenfahrzeuge einerseits sowie den Betrieb andererseits und dies jeweils aufgeteilt in zwei unterschiedliche Regionen. Die Vergabeunterlagen sahen dabei vor, dass jeweils Einzelangebote zu einzelnen Leistungen (also z.B. nur für den Betrieb in einer Region, Kombinationsangebote (also z.B. Lieferung und Betrieb in einer Region) und auch ein Gesamtangebot für alle Leistungen möglich war. Alle Angebote sollten dabei vergleichend gewertet werden.
Auch wenn es für die Entscheidung nicht darauf ankam, da die Rüge insoweit präkludiert war (siehe dazu unten zur Erkennbarkeit von Vergaberechtsverstößen), hat das Kammergericht implizit die Auffassung der Vergabekammer Berlin in ihrer vorangegangenen Entscheidung (B. v. 31.10.2023, VK-B1 28/21) bestätigt, dass das Auswertungsvorgehen in diesen Fällen sicherstellen muss, dass alle denkbaren Kombinationen von Einzellosangeboten mit den entsprechenden Kombinations- und Gesamtangeboten verglichen werden. Ist dies nicht gegeben, verstößt das Auswertungsvorgehen gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz des § 97 Abs. 2 GWB.
Vorgabe von Fremd- oder Drittsystemen
Ein weiterer Rügepunkt, den das Kammergericht als begründet ansieht, betrifft die Vorgabe eines in die Schienenfahrzeuge einzubauenden Zugbeeinflussungssysteme (ZBS). Hierzu hatte der Auftraggeber zwar das Produkt vorgegeben, ansonsten aber keinerlei verbindliche Zusagen z.B. hinsichtlich der (Zu-)Lieferfristen für das ZBS gemacht.
Ansatzpunkt für die Argumentation des Kammergerichtes ist vor diesem Hintergrund, dass der Lieferant des ZBS gleichzeitig auch Bewerber/Bieter des Vergabeverfahrens sein könnte.
Zwar sei es an sich unproblematisch, wenn Lieferfristen noch nicht feststehen und der potenzielle (Zu-)Lieferer sich im Vorfeld nur unverbindlich zu seinen Lieferzeitpunkten bzw. –fristen geäußert habe. Die daraus folgenden Leistungsrisiken seien mit entsprechenden kalkulatorischen Risikozuschlägen auf den Angebotspreis durch die Bieter beherrschbar. Allerdings bestehe dieses Risiko für den Lieferanten des ZBS als möglichem unmittelbaren oder mittelbaren Teilnehmer an dem Vergabeverfahren nicht. Er muss bei einem etwaigen eigenen Angebot daher insoweit keine Risikozuschläge kalkulieren und hätte daher bei seinem Angebotspreis einen entsprechenden Preisvorteil. Dies stellt aus Sicht des Kammergerichts einen Verstoß gegen den vergaberechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz aus § 97 Abs. 2 GWB dar. Zur vergaberechtskonformen Beseitigung der Ungleichbehandlung müssten durch entsprechende Leistungs- und Vertragsbedingungen alle Bieter von dem Zulieferrisiko freigestellt werden.
Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers
Obwohl das Kammergericht den Nachprüfungsantrag in der Hinsicht als unbegründet ansieht, äußert sich das Gericht nochmal ausführlich zum Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers.
Es bekräftigt, dass das, was der öffentliche Auftraggeber beschaffen möchte, grundsätzlich im Bereich seiner Beschaffungsautonomie liegt. Der öffentliche Auftraggeber darf so beschaffen, wie es seinem Bedarf entspricht. Er ist nicht verpflichtet, so zu beschaffen, wie es den Bietern oder Teilen von ihnen angenehm wäre, soweit er sich an die wenigen, seine Beschaffungsautonomie einschränkenden kartellvergaberechtlichen Vorgaben hält (KG, a.a.O., Rn. 96.
Vergaberechtlich bedenklich seien allenfalls Vorteile, die einem Bestandsunternehmen aus seiner bisherigen Leistungsbeziehung zum Auftraggeber erwachsen wären und deswegen zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung ausgleichspflichtig sein könnten. Allgemeine Bestimmungen zum Leistungsgegenstand, auf die sich sämtliche am Vergabeverfahren teilnehmende Unternehmen mit ihrem unterschiedlichen Leistungsspektrum und ihren Schwächen und Stärken mehr oder weniger einstellen müssen, sind dagegen vom Leistungsbestimmungsrecht des Auftraggebers gedeckt (KG, a.a.O, Rn. 127).
Insbesondere kann er eine bewährte Lösung zum Gegenstand der Ausschreibung eines Anschlussauftrags machen, auch wenn die möglicherweise dem Unternehmen zugutekommt, das bisher für ihn tätig geworden ist. (KG, a.a.O, Rn. 127). Dies stelle weder einen Verstoß gegen das Gebot produktneutraler Ausschreibung gem. § 31 Abs. 6 S. 1 VgV noch gegen das Gleichbehandlungsgebot des § 97 Abs. 2 GWB dar. Die gerügten Beschaffungsvorgaben würden keine Vorteile darstellen, die dem Bestandsunternehmen aus seiner bisherigen Leistungsbeziehung zu dem Auftraggeber erwachsen wären und „deswegen zur Vermeidung einer Ungleichbehandlung ausgleichspflichtig sein könnten, sondern um allgemeine Bestimmungen zum Leistungsgegenstand, auf die sich unabhängig von der Vorbefassung des Bestandsunternehmens sämtliche am Vergabeverfahren teilnehmende Unternehmen mit ihrem unterschiedlichen Leistungsspektrum und ihren Schwächen und Stärken mehr oder weniger einstellen müssen.“ (KG, a.a.O., Rn. 127)
Es bestehe auch „kein Erfahrungssatz, dass Bestandsunternehmen bei der fortgeschriebenen Beschaffung von Leistungen stets einen Wettbewerbsvorteil hätten. Vielmehr können Bestandsunternehmen aufgrund der von ihnen gewählten Lösungen auch Wettbewerbsnachteile haben, weil sie nicht so wie neu anbietende Unternehmen unbefangen von der bisherigen Auftragsdurchführung anbieten können, sondern in ihren alten Lösungen, die nicht notwendig die wirtschaftlichsten sein müssen, verhaftet sind. Dass diese Nachteile von den Vorteilen aus der Kenntnis des Auftraggebers und Auftragsgegenstandes auch nur aufgewogen würden, lässt sich nicht ohne weiteres feststellen.“ (KG, a.a.O., 3362, Rn. 128)
Erkennbarkeit von Vergaberechtsverstößen
Das Kammergericht weist zunächst darauf hin, dass für die Frage der Erkennbarkeit grundsätzlich immer auf alle zum jeweiligen Zeitpunkt veröffentlichte Vergabeunterlagen abzustellen ist. Werden daher bereits im Teilnahmewettbewerb Vergabeunterlagen veröffentlicht, die für die Bieter eigentlich erst für die Angebotsphase relevant sind, muss der Bewerber diese trotzdem bereits sichten, auf erkennbare Vergaberechtsverstöße prüfen und im Zweifel vor Ablauf der Teilnahmefrist rügen (KG, a.a.O., Rn. 24).
Darüber hinaus hält das Kammergericht fest, dass in der Regel Mängel in der Aus- und Bewertungsmethodik, die zu einer Ungleichbehandlung führen können, von jedem durchschnittlich fachkundigen Bewerber/Bieter erkannt werden können. Von einem auch nur durchschnittlich sorgfältigen Unternehmen kann erwartet werden, dass es sich mit Basisfragen einer Ausschreibung, nämlich der Frage, wie die Wertung der Angebote nach den Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers vorgenommen werden soll, auseinandersetzt (KG, a.a.O., Rn. 22). Auch aus einer laienhaften Sicht sind in dieser Weise insbesondere alle Bedingungen erkennbar, die laienhaft „ungerecht”, „unfair” oder „unverständlich” sind, die „dem Bieter Unmögliches abverlangen”, insbesondere ihm „die Erstellung und Kalkulation eines Angebotes unmöglich machen oder unzumutbar erschweren” oder ihn „unübersehbaren Risiken” aussetzen (KG, a.a.O., Rn. 37).
Fazit
Die Entscheidung enthält insbesondere zum Leistungsbestimmungsrecht und zur Erkennbarkeit von Verfahrensmängeln noch einmal wertvolle Präzisierungen und Klarstellungen.
Insbesondere die Ausführungen des Kammergerichtes zu Preispositionen und Gleichbehandlung führen allerdings in der Konsequenz zu massiven praktischen Abgrenzungsproblemen. Bislang wurde überwiegend davon ausgegangen, dass Angebotsvorteile, die der Bestandslieferant aus seiner Stellung als Bestandslieferant hat, vergaberechtlich hinzunehmen sind. Auch das Kammergericht scheint hiervon nicht generell abrücken zu wollen und führt dazu die Kategorie der „aufgrund seiner langjährigen Stellung als Bestandsunternehmen konkret auf den Beschaffungsbedarf bezogenen günstigeren Ausgangsposition“ ein. Wann ein solcher Vorteil in Abgrenzung zur „auf einer im freien Wettbewerb errungenen Marktstellung“ vorliegt, bleibt völlig unklar, da das Kammergericht hinsichtlich objektiver Abgrenzungskriterien keinerlei konkrete Aussagen macht. Dies gilt umso mehr, wenn die Tätigkeit als Bestandsunternehmen im freien Wettbewerb, d.h. in einem ordnungsgemäßen Vergabeverfahren errungen wurde. Im vorliegenden Fall war das nicht der Fall, da es sich bei dem Bestandsunternehmen um eine mehrere Jahrzehnte alte und daher noch nicht nach den Grundsätzen des heutigen Vergaberechts vergebenen Leistungsbeziehung handelt. Dies wäre aus hiesiger Sicht zumindest ein nachvollziehbares und praktikables Abgrenzungskriterium. Ob dies allerdings auch aus Sicht des Kammergerichtes der entscheidende Faktor war, wird in dem Beschluss leider nicht ausgeführt.
Vergabestellen versuchen teilweise leider nach wie vor, sich vergaberechtswidrig durch eine bewusste, mindestens aber fahrlässige Falscheinordnung der Leistungsgegenstände das Vergabeverfahren zu erleichtern. In krassen Fällen erfolgt dies durch eine ersichtlich unzutreffende Angabe von CPV-Codes, häufiger ist jedoch die Einordnung von Liefer- und Dienstleistungen als Bauleistungen mit dem Ziel aufgrund des eklatant höheren Schwellenwertes für Bauleistungen ein europaweites Vergabeverfahren und insbesondere den wirksamen Rechtsschutz des 4. Teils des GWB zu umgehen.
Das OLG Schleswig (OLG Schleswig, Beschluss vom 05.12.2023, 54 Verg 8 / 23) hat dazu in einer wenige Wochen alten Entscheidung (OLG Schleswig, Beschluss vom 05.12.2023, 54 Verg 8 / 23) deutliche Worte gefunden und insbesondere noch einmal die Leitlinien für eine korrekte Abgrenzung zwischen Bauleistungen einerseits und Liefer- bzw. Dienstleistungen andererseits dargestellt:
Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens
Leistungsgegenstand des verfahrensgegenständlichen Vergabeverfahrens war der Aufbau einer prototypischen Sensor-Infrastruktur zur Datenerfassung und Weiterleitung an einen zentralen Datenspeicher. Das System sollte an insgesamt 15 Standorten installiert werden, um die Gesamtanwendung für eine mögliche anschließende Umsetzungsphase zu erproben.
Der Auftraggeber hat diesen Leistungsgegenstand als Bauleistung eingestuft. Damit lag die geschätzte Auftragssumme (260.000 €) zwar über dem Schwellenwert für Liefer- und Dienstleistungen (215.000 €), aber unter dem Schwellenwert für die europaweite Ausschreibung von Bauleistungen (5.382.000€). Der Auftraggeber hat die Auftragsbekanntmachung daher nur national nach VOB/A vorgenommen. Auf den Nachprüfungsantrag und entsprechende Beschwerde hin hat der Vergabesenat richtigerweise eine Liefer- und Dienstleistung angenommen und den Antragsgegner verpflichtet, bei Fortdauer der Beschaffungsabsicht eine europaweite Ausschreibung nach VgV vorzunehmen.
Begründung
Ein Bauauftrag ist im § 103 Abs. 3 GWB definiert. Demnach ist ein Bauauftrag ein Vertrag über die Ausführung oder gleichzeitige Planung und Ausführung von Bauleistungen im Zusammenhang mit den in Anhang II der RL 2014/24 EU genannten Tätigkeiten oder eines Bauwerkes, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll, beziehungsweise nach § 1 Abs. 1 VOB/A ein Vertrag über die Ausführung oder die gleichzeitige Planung und Ausführung eines Bauvorhabens oder eines Bauwerks, das Ergebnis von Tief- oder Hochbauarbeiten ist und eine wirtschaftliche oder technische Funktion erfüllen soll. Die Begriffe Bauleistung und Bauwerk sollen dabei synonym sein.
Typengemischte Aufträge, d.h. Aufträge, die unterschiedliche Kategorien von Leistungen enthalten, sind gemäß § 110 Abs. 1 S. 1 GWB nach dem Hauptgegenstand des Auftrags einzuordnen. Das OLG Schleswig hat im konkreten Fall dazu ausgeführt:
„Die von der Antragsgegnerin ausgeschriebene Hauptleistung ist keine Bauleistung. Als Bauleistung kann allenfalls die Montage von Sensoren angesehen werden. Auch dabei dürfte eine Bauleistung aber allenfalls vorliegen, wenn der Auftragnehmer eigene Masten errichten soll, um daran Sensoren zu befestigen. […]
Jedenfalls ist die Montage der Sensoren nicht die Hauptleistung des ausgeschriebenen Beschaffungsvorhabens. Dabei sind alle vier Lose zu betrachten, da es um ein einheitliches Vorhaben geht. Ziel ist nicht allein die Montage von Sensoren, sondern die Schaffung eines Systems aus Sensoren, die Daten erfassen und diese an die Datenplattform weiterleiten, wo sie weiterverarbeitet werden. Die bloße Montage von Sensoren wäre für die Antragsgegnerin wertlos.
Auch die Auftragnehmer der Lose 1 bis 3 haben umfangreiche Leistungen zu erbringen, die über die bloße Montage der Sensoren hinausgehen. Unter den anzubietenden Leistungen macht die Montage bloß einen Punkt aus. […]Die Bieter müssen das System planen und für eine fehlerfreie Erfassung und Weitergabe der Daten sorgen. Mit ihnen soll kein Bauvertrag, sondern ein EVB-IT Kaufvertrag abgeschlossen werden. Das zeigt, dass IT-Leistungen von der Antragsgegnerin als wesentliche angesehen wurden. Dementsprechend hat etwa die Antragstellerin (Angebot abgebildet S. 7 der Beschwerdebegründung, Bl. 7 d. A.) nicht nur die Sensoren selbst angeboten, sondern auch Software von beträchtlichem Wert. An dem Schwerpunkt der ausgeschriebenen Leistungen ändert es nichts, dass die Bieter ein Montagekonzept vorlegen mussten. Dieses befasste sich vor allem mit den vorgesehenen Befestigungen, damit diese mit den Eigentümern etwa der Masten abgestimmt werden konnten. Auch dass der Betrieb des Systems erst später starten sollte, ändert nichts daran, dass das System aus Sensoren bereits implementiert werden sollte und die Umsetzung der Show Cases erreicht werden sollte.“
Das OLG hat damit zutreffend herausgearbeitet, dass insbesondere Aufträge, die im wesentlichen IT-Leistungen umfassen als Liefer- bzw. Dienstleistung zu qualifizieren sind, auch wenn sie Montageleistungen einschließen. Im Vordergrund steht hier im Zweifel die Lieferung von Hard- und Software und zugehörige technische Installations- und Einrichtungsleistungen.
Insoweit dürfte die Entscheidung auch für andere Auftragsgegenstände anwendbar sein, die zwar zur Ausstattung von Immobilien gehören, ihrem Kern nach aber die Lieferung von IT-Systemen umfassen. Hier sind z.B. Zutrittskontroll- oder Zeiterfassungssysteme zu nennen. Auch hier wird die Montageleistung in aller Regel deutlich hinter der Datenerfassungs-, -speicherungs- und Auswertungsfunktionalität des Systems zurücktreten. Gleiches gilt auch für IT-Komponenten, wie z.B. Monitore, Displays, Whiteboards o.ä. die am Aufstellungsort nur zusätzlich z.B. an Wand oder Decke bzw. sonstigen Trägervorrichtungen montiert werden sollen, selbst wenn auch die Montage von einfachen Trägervorrichtungen zum Leistungsumfang gehört. Das OLG hat insoweit nicht einmal das Errichten ganzer Freiluftmasten unzweifelhaft („allenfalls“) als eine maßgebliche Bauleistung eingeordnet.
Am 15.11.2023 hat die Europäische Kommission die ab 01.01.2024 im Vergaberecht für europaweite Vergabeverfahren geltenden Schwellenwerte veröffentlicht. Danach gelten für die Jahre 2024/2025 folgende Schwellenwerte:
Vergabeverordnung (VgV)
Bauleistungen | 5.538.000 EUR |
Liefer- und Dienstleistungsaufträge (obere und oberste Bundesbehörden) | 143.000 EUR |
Liefer- und Dienstleistungen (alle übrigen öffentlichen Auftraggeber) | 221.000 EUR |
SektVO und VSVgV
Bauleistungen | 5.538.000 EUR |
Liefer- und Dienstleistungsaufträge | 443.000 EUR |
Konzessionen (KonzVgV)
Konzessionen | 5.538.000 EUR |
Am 13. November 2023 referiert Norman Müller erneut ganztags (9-16 Uhr) zur „Beschaffung von Cloud-Leistungen mit den neuen EVB-IT Cloud“ für das Führungskräfte-Forum des Behörden-Spiegels.
Mit Beschluss vom 11. Februar 2022 hat der IT-Planungsrat die EVB-IT Cloud gebilligt und seinen Mitgliedern zur Anwendung empfohlen. Auch die Mitglieder des Bitkom-Arbeitskreises Öffentliche Aufträge haben sich für die Veröffentlichung der zwischen Öffentlicher Hand und der Verhandlungsdelegation des Bitkom abgestimmten EVB-IT Cloud ausgesprochen.
Die EVB-IT Cloud schließen als 11. Vertragstyp eine Lücke in den EVB-IT, die immer schmerzlicher wurde.
Sie sind das Ergebnis eines intensiven Verhandlungsprozesses mit der IT-Wirtschaft. Die EVB-IT Cloud enthalten eine Reihe neuer Regelungen, die unter anderem auf die Spezifika des hochstandardisierten und weitgehend globalisierten Cloudgeschäfts zurückzuführen sind, aber auch auf die technischen Herausforderungen und die damit verbundenen IT-Sicherheitsaspekte. Sie beziehen die aktuellen Anforderungen des Bundesamts für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mit ein.
Die Besonderheit der EVB-IT Cloud drückt sich aber auch darin aus, dass dazu zwei völlig neuartige Dokumente gehören, einerseits ein Kriterienkatalog zur Abbildung von Spezifika der Cloudleistungen und andererseits eine Anlage mit deren Hilfe auftragnehmerseitige AGB vergaberechtskonform einbezogen werden können.
Themenüberblick:
- Anwendungsbereich der neuen EVB-IT Cloud
- Besonderheiten der EVB-IT Cloud im Vergleich zu anderen EVB-IT
- Wesentliche Punkte aus den AGB
- Kriterienkatalog für Cloudleistungen, ein neues Werkzeug
- Einbeziehung auftragnehmerseitiger AGB, Verwendung der entsprechenden Anlage zu den EVB-IT Cloud
- Beschaffungen mit den neuen EVB-IT Cloud
Zur Teilnahme an diesem Webinar benötigen Sie lediglich einen Internetbrowser und Internetzugang. Es handelt sich um eine webbasierte Software, die keine Installation erfordert. Ihre Zugangsdaten sowie weitere relevante Informationen zur Teilnahme und zu den technischen Voraussetzungen erhalten Sie nach Anmeldung.
Am Mittwoch und Donnerstag (jeweils 3 Stunden; 10 – 13 Uhr) folgt das Vertiefungs-Webinar zum Thema EVB-IT. Auch dieses wird von Norman Müller seit Jahren regelmäßig durchgeführt.
Die EVB-IT, die Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen, sind mit Vertretern der IT-Industrie abgestimmte Vertragsbedingungen der Öffentlichen Hand, die diese zur Beschaffung von IT-Leistungen einsetzt. Die EVB-IT werden von einer Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundes, der Länder und von Gemeinden unter Leitung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat erstellt und dann mit einer Delegation des BITKOM verhandelt. Die bisherigen Vertragstypen konnten im Ergebnis dieser Verhandlungen stets einvernehmlich veröffentlicht werden.
Die EVB-IT haben zwischenzeitlich die Vorgängerbedingungen, namentlich die „Besonderen Vertragsbedingungen für die Beschaffung DV-technischer Anlagen und Geräte“ (BVB) fast vollständig abgelöst. Die EVB-IT selbst existieren teilweise auch bereits in der zweiten Version. So wurden seit 2015 fast alle klassischen EVB-IT erfolgreich überarbeitet und in Version 2.0 veröffentlicht.
Sowohl im Bund als auch in den Ländern ist die Anwendung der EVB-IT bzw. der noch geltenden BVB aufgrund des Haushaltsrechts verbindlich vorgegeben. Für den Bund ergibt sich dies aus der Verwaltungsvorschrift zu § 55 BHO, in den Ländern aus der jeweiligen LHO und auf kommunaler Ebene zumeist aus entsprechenden Anwendungserlassen.
Dieses Webinar ist vor allem für Praktiker gedacht, die bereits Erfahrung im Umgang mit den EVB-IT haben, über Grundlagenwissen verfügen und ihre vorhandenen Kenntnisse vertiefen möchten.
Die Teilnehmer werden nach einer kurzen Einführung mit ausgewählten EVB-IT Vertragstypen im Detail vertraut gemacht. Breiten Raum nehmen die Übungen der praktischen Verwendung der EVB-IT und deren sinnvolle Einbeziehung in das Vergabeverfahren ein. Die Teilnehmer lernen insbesondere
- wann welche EVB-IT Anwendung finden können und welche Spielräume hier bestehen
- den praktischen Umgang mit den EVB-IT Vertragsformularen,
- sinnvolle Ergänzungen und Änderungen der Standardregelungen
- die Verwendung der EVB-IT im Vergabeverfahren, z.B.
- wie die EVB-IT und die weiteren Vergabeunterlagen im Vergabeverfahren zusammenwirken und aufeinander abgestimmt werden
- wie Preisblätter, Leistungsbeschreibungen und Bewertungsmatrices zur Verwendung mit den EVB-IT erstellt werden sollten
- wie typische Fehler beim Ausfüllen der Vertragsformulare, bei der Änderung bzw. beim Hinzufügen eigener Regelungen und bei der Verwendung im Vergabeverfahren vermieden werden können.
Weitere Informationen zum Inhalt des Webinars finden Sie hier.
Die Anmeldung können Sie auf der Webseite des Führungskräfte Forums des Behördenspiegels vornehmen oder klicken Sie hier.
Am Dienstag, den 5. September 2023 findet das Grundlagen-Webinar von Norman Müller statt, welches er seit Jahren unter anderem für das Führungskräfte Forum des Behördenspiegels durchführt.
Gegenstand des Webinars:
Die EVB-IT, die Ergänzenden Vertragsbedingungen für die Beschaffung von IT-Leistungen, sind mit Vertretern der IT-Industrie abgestimmte Vertragsbedingungen der Öffentlichen Hand, die diese zur Beschaffung von IT-Leistungen einsetzt. Die EVB-IT werden von einer Arbeitsgruppe aus Vertretern des Bundes, der Länder und von Gemeinden unter Leitung des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat erstellt und dann mit einer Delegation des BITKOM verhandelt. Die bisherigen Vertragstypen konnten im Ergebnis dieser Verhandlungen stets einvernehmlich veröffentlicht werden.
Die EVB-IT haben zwischenzeitlich die Vorgängerbedingungen, namentlich die „Besonderen Vertragsbedingungen für die Beschaffung DV-technischer Anlagen und Geräte“ (BVB) fast vollständig abgelöst. Die EVB-IT selbst existieren teilweise auch bereits in der zweiten Version. So wurden seit 2015 fast alle klassischen EVB-IT erfolgreich überarbeitet und in Version 2.0 veröffentlicht.
Sowohl im Bund als auch in den Ländern ist die Anwendung der EVB-IT bzw. der noch geltenden BVB aufgrund des Haushaltsrechts verbindlich vorgegeben. Für den Bund ergibt sich dies aus der Verwaltungsvorschrift zu § 55 BHO, in den Ländern aus der jeweiligen LHO und auf kommunaler Ebene zumeist aus entsprechenden Anwendungserlassen.
Die Teilnehmenden des Webinars werden mit den Grundlagen der EVB-IT, den insoweit relevanten weiteren Vorschriften und den verschiedenen EVB-IT-Vertragstypen vertraut gemacht. Dazu werden die beliebtesten EVB-IT Vertragstypen vom Seminarleiter vorgestellt und gemeinsam erörtert. Anhand eines oder mehrerer Beispielfälle wird die praktische Verwendung der EVB-IT geübt.
Themenüberblick:
- Einführung
- Anwendungsbereich, Abgrenzungen, Verhältnis der EVB-IT zu VOL/B und BGB
- Vertragscharakter, Aufbau und Struktur der EVB-IT
- Basis-EVB-IT:
- EVB-IT Überlassung Typ A und Pflege S
- EVB-IT Dienstleistung
- EVB-IT Kauf und Instandhaltung
- EVB-IT Überlassung Typ B (bei Bedarf)
- Kurzübersicht der komplexen EVB-IT am Beispiel der EVB-IT System
- EVB-IT System
- EVB-IT Systemlieferung
- EVB-IT Erstellung
- Praxisübung: Abbildung eines Beispielfalls in den EVB-IT
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Norman Müller referiert ganztags am 31. August 2023 erneut zur „Beschaffung von Cloud-Leistungen mit den neuen EVB-IT Cloud“ für das Führungskräfte-Forum des Behörden-Spiegels.
Mit Beschluss vom 11. Februar 2022 hat der IT-Planungsrat die EVB-IT Cloud gebilligt und seinen Mitgliedern zur Anwendung empfohlen. Auch die Mitglieder des Bitkom-Arbeitskreises Öffentliche Aufträge haben sich für die Veröffentlichung der zwischen Öffentlicher Hand und der Verhandlungsdelegation des Bitkom abgestimmten EVB-IT Cloud ausgesprochen.
Die EVB-IT Cloud schließen als 11. Vertragstyp eine Lücke in den EVB-IT, die immer schmerzlicher wurde.
Sie sind das Ergebnis eines intensiven Verhandlungsprozesses mit der IT-Wirtschaft. Die EVB-IT Cloud enthalten eine Reihe neuer Regelungen, die unter anderem auf die Spezifika des hochstandardisierten und weitgehend globalisierten Cloudgeschäfts zurückzuführen sind, aber auch auf die technischen Herausforderungen und die damit verbundenen IT-Sicherheitsaspekte. Sie beziehen die aktuellen Anforderungen des Bundesamts für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mit ein.
Die Besonderheit der EVB-IT Cloud drückt sich aber auch darin aus, dass dazu zwei völlig neuartige Dokumente gehören, einerseits ein Kriterienkatalog zur Abbildung von Spezifika der Cloudleistungen und andererseits eine Anlage mit deren Hilfe auftragnehmerseitige AGB vergaberechtskonform einbezogen werden können.
Themenüberblick:
- Anwendungsbereich der neuen EVB-IT Cloud
- Besonderheiten der EVB-IT Cloud im Vergleich zu anderen EVB-IT
- Wesentliche Punkte aus den AGB
- Kriterienkatalog für Cloudleistungen, ein neues Werkzeug
- Einbeziehung auftragnehmerseitiger AGB, Verwendung der entsprechenden Anlage zu den EVB-IT Cloud
- Beschaffungen mit den neuen EVB-IT Cloud
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Die Abfrage von Konzepten im Vergabeverfahren bietet die Möglichkeit, Aspekte der Qualität und Innovationsfähigkeit besser berücksichtigen zu können, wenn die Wirtschaftlichkeit nicht allein anhand konkreter Leistungsmerkmale und des Preises beurteilt werden kann oder soll. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn bestimmte Aspekte der Leistung einen hohen Grad an Fachkunde und Kreativität des Bieters und/oder eine intensive Auseinandersetzung mit konkreten Besonderheiten des Auftraggebers erfordert (z.B. bei der Ausschreibung eines komplexen und auf die individuellen Kundenbedürfnisse anzupassenden IT-Fachverfahrens).
Die Gestaltung von Konzeptkriterien sowie die Bewertung eingereichter Konzepte der Bieter gehören jedoch zu den schwierigeren Aufgaben bei der Vorbereitung und Durchführung umfangreicher Vergabeverfahren. Eine aktuelle Entscheidung der Vergabekammer Westfalen (Beschluss vom 01.02.2023 – VK 1-49/22) verdeutlicht, dass insbesondere eine in sich schlüssige und transparente Methodik und Dokumentation bei der Bewertung von Konzepten unabdingbar ist.
Der Beschluss der Vergabekammer Westfalen vom 01.02.2023 – VK 1-49/22
Die Vergabekammer Westfalen hatte über einen Nachprüfungsantrag eines Bieters zu entscheiden, der mit der Bewertung seines Konzepts zur Betreuung und Beratung von Flüchtlingen nicht einverstanden war. Die Auftraggeberin, eine nordrhein-westfälische Universitätsstadt, hatte Beratungs- und Betreuungsdienstleistungen im Zusammenhang mit Flüchtlingen ausgeschrieben. Dabei sollten Bieter u.a. ein „Konzept zur Betreuung und Beratung“ einreichen.
Zur Bewertung des Konzepts wurde mit den Vergabeunterlagen ein abgestufter Erwartungshorizont veröffentlicht. Maßgeblich war danach, ob die Ausführungen des Bieters nachvollziehbar sind und „inhaltlich mit Blick auf die beschriebene Zielsetzung eine zuverlässige und kompetente Betreuung und Beratung der zugewanderten Menschen in jeder Hinsicht erwarten lassen“.
Der Antragsteller hatte im Gegensatz zum erstplatzierten Bieter (dem Beigeladenen) nicht die volle Punktzahl für das eingereichte Konzept erhalten. Der Antragsteller war der Auffassung, dass sein Konzept nicht nachvollziehbar bewertet worden sei und dass die Auftraggeberin gegen das Transparenzgebot verstoßen habe. Er beantragte daher die Aufhebung des Zuschlagsbeschlusses und die Neubewertung seines Konzepts.
Die Vergabekammer wies den Antrag zurück. Allerdings seien nicht alle Bewertungsaspekte in einer den Anforderungen des § 8 VgV genügenden Form vollständig in der Vergabeakte dokumentiert worden. Sowohl bei den Konzepten des Antragsstellers als auch der Beigeladenen erlaube die Dokumentation der Bewertung durch die Antragsgegnerin keine Überprüfung der vorgenommenen Bewertung für bestimmte Konzeptteile. Weder das Bewertungsprotokoll noch die im Verfahren ergänzten Erwägungen würden durchgehend nachvollziehbar erkennen lassen, welche Vor- und Nachteile der einzelnen Angebote die Antragsgegnerin gegenübergestellt habe.
Diese Mängel seien aber letztlich nicht ausschlaggebend, da der Antragsteller nicht in eine realistische Zuschlagsnähe käme. Im Übrigen sei die Bewertung vertretbar, in sich konsistent und nachvollziehbar anhand der aufgestellten Bewertungskriterien bewertet worden.
Bedeutung der Entscheidung für Vergabestellen
Auch wenn die Entscheidung hier zugunsten der öffentlichen Auftraggeberin ausgefallen ist, verdeutlicht sie die Bedeutung einer in sich schlüssigen und transparenten Methodik und Dokumentation bei der Bewertung von Konzepten. Insbesondere die festgestellten Dokumentationsmängel hinsichtlich einzelner Bewertungsaspekte hätten bei einem engeren Abstand zwischen den beteiligten Bietern zu einer Aufhebung des Vergabeverfahrens durch die Vergabekammer führen können.
Bereits in der Vorbereitung einer Ausschreibung sollten daher hinsichtlich ggf. geforderter Bieterkonzepte frühzeitig Überlegungen zu den folgenden Aspekten erfolgen:
Welche inhaltlichen Aspekte sollen in den Konzepten jeweils aufgegriffen werden?
Zwar müssen und sollten den Bietern nicht sämtliche inhaltlichen Einzelheiten eines Konzepts vorgegeben werden. Im Rahmen der Konzepte sollen im Regelfall gerade auch die Kreativität des Bieters und die Fähigkeit zur Schwerpunktsetzung unter Berücksichtigung der konkreten Maßgaben der Leistungsbeschreibung bewertet werden. Allerdings ist für eine Vergleichbarkeit der eingereichten Konzepte und für eine Transparenz der Bewertung erforderlich, dass die wesentlichen zu betrachtenden Fragen klar aus den Vergabeunterlagen hervorgehen. Dabei kann und sollte auch auf weitere Inhalte Leistungsbeschreibung Bezug genommen werden.
Welche Aspekte sollen für die Bewertung der Konzepte heranzogen werden?
Im Hinblick auf die Bewertung des Konzepts hat der Auftraggeber einen weiten Beurteilungsspielraum. Nach der Rechtsprechung kann grundsätzlich sogar auf eine konkrete Darstellung von Bewertungsaspekten insgesamt verzichtet werden und z.B. anhand von Schulnoten bewertet werden. Dies führt aber umgekehrt zu deutlich höheren Anforderungen hinsichtlich der Dokumentation der eigentlichen Bewertungsentscheidungen (s.u.).
Um die vergaberechtliche Angreifbarkeit der Wertungsentscheidungen zu reduzieren und die Bewertung transparenter zu gestalten, sollten u.E. im Regelfall bereits in den Vergabeunterlagen bestimmte inhaltliche Qualitätsmerkmale definiert werden, die für die Bewertung der Konzepte ausschlaggebend sind. Dies hat auch den praktischen Vorteil, dass Bieter mit Rügen hinsichtlich der Bewertungsmethodik und der konkreten Qualitätsmerkmale selbst im späteren Verfahren präkludiert sind, da diese Aspekte bereits innerhalb der Rügefrist nach § 160 Abs. 3 GWB, d.h. im Regelfall bereits kurz nach Veröffentlichung der Unterlagen gerügt werden müssten.
Möglich und in der Praxis verbreitet ist etwa die Bereitstellung eines Erwartungshorizonts mit bestimmten qualitativen Mindestanforderungen je Notenstufe bzw. Punktespanne (z.B. 0 – 3 Punkte, 4 – 7 Punkte, 8 – 10 Punkte). Die Bewertungsaspekte sollten allerdings einen hinreichenden Bewertungsspielraum des Auftraggebers beibehalten. Insbesondere sollte vermieden werden, die Bewertung lediglich daran zu knüpfen, dass bestimmte Aspekte in dem Konzept enthalten sind. Eine echte qualitative Differenzierung ist in diesem Fall kaum noch möglich.
Bei der späteren Auswertung der Angebote ist im Hinblick auf die eingereichten Konzepte insbesondere folgendes zu beachten:
- Die tatsächliche Bewertung muss sich eng an der in den Vergabeunterlagen festgelegten Methodik orientieren. Insbesondere müssen die Bewertungsentscheidungen auf Basis der veröffentlichen Bewertungsmaßstäbe erfolgen. Für die Bieter dürfen die für die Wertung herangezogenen Aspekte im Hinblick auf das Transparenzgebot nicht überraschend sein.
- Auch im Übrigen muss die Begründung der Bewertung in einem sachlichen Zusammenhang zum konkreten Leistungsgegenstand stehen. Liegen objektiv sachfremde Erwägungen der Wertungsentscheidung zugrunde, ist der Beurteilungsspielraums des Auftraggebers überschritten.
- Die Entscheidung der VK Westfalen verdeutlicht zudem, dass im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens sämtliche Aspekte, die zu einer Auf- oder Abwertung des Konzepts geführt haben, nachvollziehbar aus der Vergabeakte hervorgehen müssen. Dies gilt umso mehr, je weniger konkret die Bewertungsmaßstäbe in den Vergabeunterlagen dargelegt wurde. Die Erwägungen können zwar im Rahmen eines Nachprüfungsverfahrens noch ergänzt werden, eine gänzlich unzureichende oder nicht nachvollziehbare Dokumentation lässt sich aber in diesem Stadium nicht mehr heilen.
- Inhaltlich ist zudem erforderlich, dass die eingereichten Konzepte auch zueinander ins Verhältnis gesetzt werden. Die Bewertung eines Konzepts erfolgt nie rein isoliert, sondern auch unter Berücksichtigung der Vor- und Nachteile gegenüber den anderen eingereichten Konzepten. Im Hinblick auf das Gleichbehandlungsgebot ist zudem entscheidend, dass Aspekte, die bei dem Konzept eines Bieters zur Auf- oder Abwertung geführt haben, auch gleichermaßen bei der Bewertung der weiteren Konzepte berücksichtigt werden.
Bei Berücksichtigung dieser Maßgaben kann die Abfrage von Konzepten insbesondere bei komplexen Ausschreibungsgegenständen ein entscheidendes Mittel sein, um die inhaltliche Qualität der Angebote besser einschätzen und bewerten zu können und so „die Spreu vom Weizen zu trennen“.
Norman Müller referiert am 27.09.2022 erneut zur „Beschaffung von Cloud-Leistungen mit den neuen EVB-IT Cloud“ für das Führungskräfte-Forum des Behörden-Spiegels.
Mit Beschluss vom 11. Februar 2022 hat der IT-Planungsrat die EVB-IT Cloud gebilligt und seinen Mitgliedern zur Anwendung empfohlen. Auch die Mitglieder des Bitkom-Arbeitskreises Öffentliche Aufträge haben sich für die Veröffentlichung der zwischen Öffentlicher Hand und der Verhandlungsdelegation des Bitkom abgestimmten EVB-IT Cloud ausgesprochen.
Die EVB-IT Cloud schließen als 11. Vertragstyp eine Lücke in den EVB-IT, die immer schmerzlicher wurde. Sie sind das Ergebnis eines intensiven Verhandlungsprozesses mit der IT-Wirtschaft. Die EVB-IT Cloud enthalten eine Reihe neuer Regelungen, die unter anderem auf die Spezifika des hochstandardisierten und weitgehend globalisierten Cloudgeschäfts zurückzuführen sind, aber auch auf die technischen Herausforderungen und die damit verbundenen IT-Sicherheitsaspekte. Sie beziehen die aktuellen Anforderungen des Bundesamts für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mit ein.
Die Besonderheit der EVB-IT Cloud drückt sich aber auch darin aus, dass dazu zwei völlig neuartige Dokumente gehören, einerseits ein Kriterienkatalog zur Abbildung von Spezifika der Cloudleistungen und andererseits eine Anlage mit deren Hilfe auftragnehmerseitige AGB vergaberechtskonform einbezogen werden können.
Themenüberblick:
- Anwendungsbereich der neuen EVB-IT Cloud
- Besonderheiten der EVB-IT Cloud im Vergleich zu anderen EVB-IT
- Wesentliche Punkte aus den AGB
- Kriterienkatalog für Cloudleistungen, ein neues Werkzeug
- Einbeziehung auftragnehmerseitiger AGB, Verwendung der entsprechenden Anlage zu den EVB_IT Cloud
- Beschaffungen mit den neuen EVB-IT Cloud
weitere Webinar-Termine in 2022: 29.11.2022
Hinweise zur Anmeldung finden sie hier.