KI-Haftung: EU Kommission zieht Richtlinienvorschlag zurück

KI-Haftung: EU Kommission zieht Richtlinienvorschlag zurück

Keine Harmonisierung der KI-Haftung

Die EU Kommission hat am 12. Februar 2025 die Richtlinie über KI-Haftung zurückgezogen. Die Kommission begründete ihre Entscheidung damit, dass sie keine vorhersehbare Einigung über die Richtlinie sehe.

Richtlinienvorschlag über KI-Haftung

Mit dem Richtlinienvorschlag über KI-Haftung sollten bestimmte Regeln für die zivilprozessuale Geltendmachung außervertraglicher zivilrechtlicher Ersatzansprüche für Schäden etabliert werden, die durch künstliche Intelligenz verursacht werden. Das Haftungsrisiko ist laut einer Umfrage aus dem Jahr 2020 das wichtigste Hindernis, das Unternehmen davon abhält, KI einzusetzen.

Der Richtlinienvorschlag über KI-Haftung war neben der KI-Verordnung und der Überarbeitung des EU Produktsicherheitsrechts Teil eines Maßnahmepakets zur Unterstützung der Einführung von KI in Europa. Die KI-Verordnung ist in Kraft; die Kapitel I und II (Allgemeine Bestimmungen und Verbotene Praktiken im KI-Bereich) gelten seit dem 2. Februar 2025. Die Produktsicherheitsverordnung ist ebenfalls in Kraft; sie gilt seit dem 13. Dezember 2024.

Verschuldensunabhängige Haftung?

Der Richtlinienvorschlag über KI-Haftung sah keine Gefährdungshaftung für KI-Systeme vor.

Dabei ist allerdings zu beachten, dass die neue Produkthaftungsrichtlinie in Art. 4 Nr. 1 nunmehr ausdrücklich klarstellt, dass Software unabhängig von ihrer Verkörperung auf einem physischen Datenträger als Produkt im Sinne der Richtlinie gilt. Dadurch gilt die verschuldensunabhängige Produkthaftung auch für KI-Systeme, denn jedes KI-System basiert auf Software. Bislang war umstritten, ob Software ein Produkt im Sinne des Produkthaftungsrechts darstellt.

Verpflichtung zur Offenlegung von Beweisen

Gegenstand des Richtlinienvorschlags über KI-Haftung waren erhebliche Beweiserleichterungen für die durch ein KI-System Geschädigten. Zum einen sollte der Anbieter oder Nutzer eines Hochrisiko-KI-Systems zur Offenlegung relevanter Beweise verpflichtet werden. Die Zivilgerichte sollten die Befugnis erhalten, diese Offenlegung im Schadensersatzprozess anzuordnen.

Beweislastumkehr

Die Verweigerung der Offenlegung sollte sodann eine widerlegbare Vermutung für eine Verletzung von Sorgfaltspflichten durch den Anbieter oder Nutzer begründen.

Des Weiteren sollte – auch im Falle von KI-Systemen, die keine Hochrisiko-KI-Systeme sind – für den Kausalzusammenhang zwischen dem Verschulden des Beklagten und dem Schaden unter bestimmten Voraussetzungen eine Beweislastumkehr eingreifen: Der Beklagte sollte in diesen Fällen beweisen müssen, dass er den Schaden nicht zu verantworten hat.

Diese Regelungen wird es nun bis auf Weiteres erst einmal nicht geben. Ob das Vorhaben einer KI-Haftungsrichtlinie von der Kommission zu einem späteren Zeitpunkt wieder aufgegriffen wird, bleibt abzuwarten.

Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung der Kommission ist insbesondere von der Digitalindustrie begrüßt worden.

Keine Offenlegung von Beweismitteln

Aus der Sicht der Rechtspflege ist die Entscheidung ebenfalls zu begrüßen.

Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einführung einer Befugnis der Gerichte, die Offenlegung von Beweismitteln anzuordnen, stellt einen erheblichen Eingriff in das Zivilprozessrecht der Mitgliedstaaten dar. Das gilt insbesondere für Mitgliedstaaten wie Deutschland, nach deren Zivilprozessrecht der Beibringungsgrundsatz gilt, d.h. die Beweismittel von den Parteien beizubringen sind und das Gericht von Amts wegen weder den Sachverhalt ermittelt noch Beweismittel beschafft. Der Beibringungsgrundsatz ist Ausfluss der im Zivilrecht geltenden Parteiautonomie und gehört damit letztlich zu den grundlegenden bürgerlichen Freiheitsrechten.

Keine Beweislastumkehr?

Im Hinblick auf die Regelungen zur Beweislastumkehr, die es nun erst einmal nicht geben wird, darf die Entscheidung der Kommission allerdings nicht überschätzt werden.

Denn der BGH hat im Rahmen der grundsätzlich verschuldensabhängigen außervertraglichen Produzentenhaftung gemäß § 823 Abs. 1 BGB bereits im Jahr 1968 hinsichtlich des Verschuldens eine Beweislastumkehr etabliert. Im Ergebnis gibt es in Deutschland in der Praxis daher bereits heute kaum Unterschiede zwischen der Haftung nach § 823 Abs. 1 BGB und der verschuldensunabhängigen Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz, das 1990 in Kraft trat. Auch für die vertragliche Haftung gibt es in Deutschland eine Beweislastumkehr für das Verschulden (§ 280 Abs. 1 Satz 2 BGB).

Diese Regeln der Beweislastumkehr gelten selbstverständlich auch in Schadensersatzprozessen, in denen eine KI in die Schadensverursachung involviert war.

Fazit

Die Entscheidung der Kommission, diesen Bereich einstweilen nicht zu harmonisieren und die Regelung der Haftung für KI den Mitgliedstaaten zu überlassen, ist ein Schritt in die richtige Richtung. Denn ob die teilweise überbordende Regulierung des IT-Rechts auf EU-Ebene der europäischen Digitalwirtschaft wirklich hilft, mag angesichts der faktischen Dominanz US-amerikanischer Unternehmen in diesem Bereich bezweifelt werden.

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