<strong>EuGH: Empfänger müssen in Auskunft konkret benannt werden, Urteil vom 12.01.2023 – Az. C-154/21</strong>

EuGH: Empfänger müssen in Auskunft konkret benannt werden, Urteil vom 12.01.2023 – Az. C-154/21

Bislang wurde nicht abschließend geklärt, ob zur Erfüllung des datenschutzrechtlichen Auskunftsanspruchs gemäß Art. 15 DSGVO die Benennung der Kategorie des Empfängers, etwa deren Branchenzugehörigkeit, ausreicht oder eine Offenlegung der konkreten Identität des Empfängers vorzunehmen ist. Diese Frage hat der EuGH mit seinem Urteil vom 12.01.2023 beantwortet und entschieden, dass bei einem Auskunftsgesuch nach Art. 15 DSGVO konkrete Angaben über den bzw. die Empfänger der personenbezogenen Daten des Betroffenen gemacht werden müssen.

Im konkreten Fall wandte sich der spätere Kläger an die Österreichische Post, um gemäß Art. 15 DSGVO die Auskunft darüber zu erhalten, welche personenbezogenen Daten über ihn gespeichert werden und wer die Empfänger bei der Weitergabe der Daten waren. Die Österreichische Post teilte zunächst nur mit, dass sie die Daten im Rahmen ihrer Tätigkeit als Herausgabe von Telefonbüchern Geschäftskunden für Marketingzwecken anbiete; später ergänzten sie ihre Angaben dahingehend, dass die Daten zu den werbetreibenden Unternehmen im Versandhandel und stationären Handel, IT-Unternehmen, Adressverlage und Vereine wie Spenderorganisationen, Nichtregierungsorganisationen oder politische Parteien weitergegeben wurden.

Art. 15 DSGVO gewährt Betroffenen im Sinne der DSGVO einen Anspruch auf Auskunft hinsichtlich Art und Umfang der Verarbeitung von sie betreffenden personenbezogenen Daten. Neben der Information darüber, ob überhaupt Daten des Betroffenen verarbeitet werden, umfasst der Anspruch zahlreiche weitere in Art. 15 Abs. 1 lit. a) bis h) DSGVO aufgelistete Aspekte der Verarbeitung, z.B. die – streitgegenständliche – Offenlegung von den Empfängern der personenbezogenen Daten.

Aufgrund des nicht eindeutigen Wortlautes des Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO – denn auf ein Vorrangverhältnis zwischen Empfängern und Kategorien von Empfängern lässt sich nicht schließen –, sowie der Bedeutung des Aufwandes für den Verantwortlichen je nach Auslegung, stritten sich die Parteien um die Frage nach der Benennung von den Empfängern.

Der EuGH erteilte eine Absage an die für den Verantwortlichen günstige Auslegung und verpflichtet, der betroffenen Person die konkrete Identität der Empfänger mitzuteilen. Dabei lässt der EuGH nur wenige Ausnahmen von dieser Verpflichtung zu, nämlich:

  • wenn es nicht möglich ist, die Empfänger zu identifizieren, oder
  • wenn der Verantwortliche nachweist, dass die Anträge auf Auskunft der betroffenen Person offenkundig unbegründet oder exzessiv im Sinne von Art. 12 Abs. 5 DSGVO sind.

Diese Auslegung stützt der EuGH auf den Zusammenhang sowie auf die Zwecke und Ziele der Vorschrift. Der Erwägungsgrund 63 Satz 3 zur DSGVO sieht vor, dass jede betroffene Person ein Anrecht darauf haben sollte, zu wissen, wer die Empfänger der personenbezogenen Daten sind. Dieses Recht wird nicht auf „Kategorien von Empfängern“ beschränkt. Zudem trage die Preisgabe der konkreten Identität der Empfänger zu einem hohen Datenschutzniveau bei (Erwägungsgrund 10 der DSGVO) und komme dem Grundsatz der Transparenz aus Art. 5 Abs. 1 lit. a) DSGVO nach. Weiterhin müsse das Auskunftsrecht die betroffene Person in die Lage versetzen, die Überprüfung von den Daten, deren Verarbeitung und Befugnis der Offenlegung gegenüber den Empfängern vornehmen zu können, und ggf. weitere Rechte wahrnehmen zu können.

Eine Frage, die sich aufgrund des Urteils stellt, ist, ob die zu Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO getroffene Auslegung auch auf die Informationspflichten aus Art. 13, 14 DSGVO übertragbar sind. Denn diese verlangen vom Verantwortlichen als Teil der Datenschutzinformationen auch die Angabe von „gegebenenfalls die Empfänger oder Kategorien von Empfängern der personenbezogenen Daten“. Allerdings haben die beiden Regelungen zur Informations- bzw. Auskunftspflicht unterschiedliche Zwecke und – vor allem – unterschiedliche Zeitpunkte im Blick: Im Zusammenhang mit Art. 13, 14 DSGVO steht zum Zeitpinkt der eigenständigen, proaktiven Pflicht im Zweifel nicht fest an welche konkreten Empfänger (Dritte oder Auftragsverarbeiter) Daten weitegegeben werden. Dagegen sind die Auskünfte im Sinne von Art. 15 DSGVO stets reaktiv und auf eine gezielte Nachfrage eines Betroffenen hin zu erteilen. Zu diesem Zeitpunkt sind dem Verantwortlichen alle Empfänger der Daten bekannt. Deshalb zieht der EuGH wohl auch Art. 13, 14 DSGVO nicht in einer Weise heran, die eine Art. 15 Abs. 1 lit. c) DSGVO vergleichbare Auslegung naheliegen würde. Auch der Generalanwalt formulierte in seinen Schlussanträgen (Nr. 21), dass die Informationspflichten eine andere Zielrichtung als das Auskunftsrecht haben.

Praktisch bedeutet die Entscheidung des EuGH vor allem „mehr Aufwand“ für die Verantwortlichen im Datenschutz: Mehr Aufwand bei der Pflege des Datenschutzmanagements, mehr Aufwand bei der Einholung von Informationen bei der Beantwortung von Auskunftsersuchen, mehr Aufwand bei der Nachhaltung von Auftragsverarbeitern und etwaigen Unterauftragnehmern in der Leistungskette.

Es ist zu beachten, dass das Urteil nicht nur Auswirkungen bezüglich der Identität von „direkten“ Empfängern hat, sondern aufgrund des weiten Empfängerbegriffes aus Art. 4 Nr. 9 DSGVO auch alle Personen oder Stellen außerhalb des Verantwortlichen, die unter der Verantwortung des Verantwortlichen befugt sind, personenbezogenen Daten zu verarbeiten, umfasst sind. Dies schließt alle etwaige Unterauftragnehmer ein, also auch die sogenannten weiteren Auftragsverarbeiter i.S.v. Art. 28 Abs. 1, Abs. 4 DSGVO. Somit ist in der Regel die Preisgabe der Identität aller Empfänger in der Leistungskette erforderlich.

Ehemalige Empfänger der Daten müssen jedoch nicht benannt werden, wenn der Verantwortliche positive Kenntnis davon hat, dass der „nicht mehr aktuelle“ Empfänger die Daten der betroffenen Person bereits gelöscht hat. Ansonsten würde das Recht auf Löschung leerlaufen.

Schließlich hat der EuGH – mit Blick auf die Vorlagefrage – nur einen umfassenden Auskunftsanspruch bejaht, wenn die betroffene Person auch dementsprechend konkrete Auskunft begehrt hat. Nicht entschieden hat der EuGH die Frage, ob der Verantwortliche generell zur umfassenden Auskunft verpflichtet ist. Dies könnte im Umkehrschluss bedeuten, dass die umfassende Offenbarung der Empfänger-Identitäten der Daten nicht bei jeglicher Anfrage durchzuführen ist und der konkrete Wortlaut der Anfrage maßgeblich ist.

Autor

Carsten Gerlach
Carsten Gerlach

Partner, Fach­an­walt für In­for­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie­recht

TCI Rechts­an­wäl­te Ber­lin

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