Fernmeldegeheimnis am Arbeitsplatz

Fernmeldegeheimnis am Arbeitsplatz

Das Thema „Fernmeldegeheimnis am Arbeitsplatz“ ist ein Dauerbrenner im Arbeitnehmer-Datenschutzrecht, das bereits mehrere gesetzliche Neuregelungen überdauert hat. Bis 2021 galt das TKG (Telekommunikationsgesetz), seit dem 01.12.2021 das TTDSG (Telekommunikation-Telemedien-Datenschutzgesetz), welches seit dem 13.05.2024 den Namen Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz (TDDDG) trägt. Doch egal unter welchem Namen, das Problem bleibt das gleiche. Sind Arbeitgeber Telekommunikationsanbieter und haben somit das Fernmeldegeheimnis zu beachten, wenn Sie ihren Mitarbeitern die Privatnutzung betrieblicher Kommunikationsmittel erlauben?

Zur Wahrung des Fernmeldegeheimnisses sind nach dem Telekommunikation-Digitale-Dienste-Datenschutz-Gesetz (TDDDG) Anbieter von öffentlich zugänglichen und von geschäftsmäßig angebotenen Telekommunikationsdiensten sowie Betreiber von öffentlichen Telekommunikationsnetzen und von geschäftsmäßig ausgerichteten Telekommunikationsanlagen verpflichtet.

Ob der Arbeitgeber gegenüber seinen Beschäftigten als eben solcher „geschäftsmäßiger Telekommunikationsanbieter“ anzusehen ist, der das Fernmeldegeheimnis einzuhalten hat, wenn er die Privatnutzung des betrieblichen Internet- und Telefon-Anschlusses oder des betrieblichen E-Mail-Accounts erlaubt, ist seit jeher umstritten.

Während in der arbeits- und verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung in den vergangenen Jahren die Tendenz zu beobachten war, den Arbeitgeber nicht als „geschäftsmäßigen Telekommunikationsdienstleister“ anzusehen, gingen die Datenschutz-Aufsichtsbehörden und die vorherrschende Meinung in der Literatur von einer Anwendbarkeit des Fernmeldegeheimnisses aus.

Die Geister scheiden sich unter anderem am Tatbestand der „geschäftsmäßigen Erbringung“, den § 3 Abs. 2 Nr. 2 TDDDG voraussetzt. Die eine Ansicht geht davon aus, dass kein geschäftsmäßiges Erbringen von Telekommunikationsdienstleistungen vorliegt, wenn der Arbeitgeber seinen Mitarbeitern Telekommunikationsdienste zur Verfügung stellt, da die „geschäftsmäßige Erbringung“ voraussetzen würde, dass das Angebot von Telekommunikation an außerhalb der Sphäre des Diensteanbieters liegende Dritte gerichtet ist. Arbeitnehmer des jeweiligen Arbeitgebers sind jedoch nicht außerhalb der Sphäre des Arbeitgebers stehende Dritte. Nach der Gegenansicht erfordert ein „geschäftsmäßiges Erbringen“ lediglich das nachhaltige Angebot von Telekommunikation einschließlich des Angebots von Übertragungswegen für Dritte. Dies ist bei der Bereitstellung von betrieblichen Kommunikationsmitteln durch den Arbeitgeber meist der Fall.

Auch die Datenschutz-Aufsichtsbehörden folgten bisher dieser Ansicht und gingen somit bislang von der Anwendbarkeit des Fernmeldegeheimnisses bei erlaubter Privatnutzung aus.

Nun zeichnet sich jedoch ein Kurswechsel ab. Die Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationssicherheit in NRW (LDI NRW), Frau Bettina Gayk hat am 08.07.2024 den jährlichen Tätigkeitsbericht der Aufsichtsbehörde für das Jahr 2023 veröffentlicht. Darin äußert sich die LDI NRW unter anderem auch zu privaten E-Mails und Telefonaten am Arbeitsplatz (S. 76, 12.2):

Für Arbeitgeber*innen gilt nicht mehr das Fernmeldegeheimnis, wenn sie die private Nutzung der betrieblichen E-Mail- oder Internetdienste erlauben oder dulden.“

Nach Inkrafttreten des Telekommunikation-Telemedien-Datenschutz-Gesetzes (TTDSG) gehen deutsche Aufsichtsbehörden (Bundesbeauftragter für den Datenschutz und die Informationsfreiheit, LDI NRW sowie weitere Landesdatenschutzbehörden) davon aus, dass sich eine rechtliche Bewertung geändert hat: Arbeitgeber*innen, die ihren Beschäftigten die private Nutzung von Internet und E-Mail erlauben oder dulden, unterliegen nicht mehr dem Telekommunikationsrecht. Deshalb haben sie gegenüber ihren Beschäftigten auch nicht das Fernmeldegeheimnis zu garantieren.“

Das hat praktisch relevante Folgen:

Bisher galt: ist das Fernmeldegeheimnis einschlägig, so besteht ein umfassendes Verarbeitungsverbot des Arbeitgebers für private Kommunikationsinhalte des Arbeitnehmers. Dieses schlägt sogar auf die ansonsten zulässige Verarbeitung der dienstlichen Kommunikationsinhalte durch und „infiziert“ diese, da erst nach Einsichtnahme erkennbar ist, ob es sich um eine private oder dienstliche Nachricht handelt.

Sollte das Fernmeldegeheimnis nicht einschlägig sein, beurteilt sich die Zulässigkeit eines Zugriffs des Arbeitsgebers auf Kommunikationsinhalte seiner Mitarbeiter nur nach allgemeinen datenschutzrechtlichen Maßstäben. Gem. § 26 Abs. 1 BDSG können Arbeitgeber dienstliche Kommunikation nach Maßgabe der Verhältnismäßigkeit grundsätzlich einer Überprüfung unterziehen.

Es zeigt, wie kompliziert der Umgang mit privater Nutzung betrieblicher Telekommunikationsmittel am Arbeitsplatz ist. Es bleibt abzuwarten, wie sich die Gerichte, insbesondere das BAG, zu der Problematik positionieren werden. Bis dahin sollten Arbeitgeber entsprechend vorsorgen und eine schriftliche Regelung über die betriebliche und/oder private Nutzung der Telekommunikationsmittel im Betrieb treffen.

Autor

Carsten Gerlach
Carsten Gerlach

Partner, Fach­an­walt für In­for­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie­recht

TCI Rechts­an­wäl­te Ber­lin

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