Schutz von Geschäftsgeheimnissen – Was sind „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“?

Schutz von Geschäftsgeheimnissen – Was sind „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“?

In Deutschland gilt seit 2019 das Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG), das in Umsetzung der EU-Geschäftsgeheimnisrichtlinie geschaffen wurde und die bis dahin geltenden §§ 17-19 UWG ablöste. Dieses Gesetz brachte einige Neuerungen mit sich, zu denen erste gerichtliche Entscheidungen vorliegen.

I.       Gesetzliche Regelung des Geschäftsgeheimnisses

Ein Geschäftsgeheimnis ist nach § 2 Nr. 1 GeschGehG eine Information,

a)      die weder insgesamt noch in der genauen Anordnung und Zusammensetzung ihrer Bestandteile den Personen in den Kreisen, die üblicherweise mit dieser Art von Informationen umgehen, allgemein bekannt oder ohne Weiteres zugänglich und daher von wirtschaftlichem Wert ist und

b)     die Gegenstand von den Umständen nach angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber ist und

c)      bei der ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung besteht.

Zu den Geschäftsgeheimnissen zählen beispielsweise Konstruktionspläne, Algorithmen, Prototypen oder Rezepturen sowie geschäftliche Informationen wie Know-how Dokumentationen, Kundenlisten, Businesspläne oder Werbestrategien.

Bei den „angemessenen Geheimhaltungsmaßnahmen durch ihren rechtmäßigen Inhaber“ handelt es sich um eine Obliegenheit. Wird ihr der Inhaber der Information nicht gerecht, verliert er den Geheimnisschutz. Zwar wurde auch in der Vergangenheit ein Geheimhaltungswille verlangt, er wurde aber vermutet und musste nicht durch konkrete Geheimhaltungsmaßnahmen dokumentiert und im Streitfall nachgewiesen werden.

II.     Unterlassungsklage gegen einen Wettbewerber

In einem ersten Fall zum Geschäftsgeheimnisgesetz, der inzwischen dem BGH zur Entscheidung vorliegt, hatte das OLG Hamm (Urteil vom 15.09.2020 – 4 U 177/19) darüber zu befinden, ob der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses – ein international führender Anbieter einer Vielzahl von Bahnbaumaschinen – ausreichende Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz seiner Geschäftsgeheimnisse getroffen hatte. Das OLG Hamm sah die Voraussetzungen des § 6 GeschGehG, wonach der Inhaber eines Geschäftsgeheimnisses den Rechtsverletzer bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung in Anspruch nehmen kann, als nicht erfüllt an und wies die Unterlassungsklage des Unternehmens gegen einen Konkurrenten, dem ehemalige Angestellte des Unternehmens Konstruktionspläne überlassen hatten, ab.

III.    Was sind „angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen“?

Das OLG Hamm stellte zunächst fest, dass offenbleiben könne, ob es sich bei den Zeichnungen überhaupt um ein Geschäftsgeheimnis handelt, denn es verneinte bereits die Frage, ob angemessene Geheimhaltungsmaßnahmen getroffen worden waren.

Das Gericht führt aus, dass es sich bei der „Angemessenheit“ um ein flexibles und offenes Tatbestandsmerkmal handle und die Verhältnismäßigkeit gegeben sein müsse. Dabei setze die Angemessenheit keinen „optimalen Schutz“ voraus, weil andernfalls der Geheimnisbegriff zu stark eingeschränkt würde. Somit müssen einerseits nicht die nach den Umständen bestmöglichen und sichersten Maßnahmen ergriffen werden, andererseits könne es aber auch nicht genügen, dass ein Unternehmer nur ein Minimum an Schutzvorkehrungen ergreife.

Die Angemessenheit bestimme sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls. Für die rechtliche Bewertung sei auf die Sichtweise eines objektiven und verständigen Betrachters aus denjenigen (Fach-)Kreisen abzustellen, die üblicherweise mit dieser Art von Information umgehen. Um die Angemessenheit zu bestimmen, seien insbesondere folgende Wertungskriterien zu berücksichtigen:

  • Art und wirtschaftlicher Wert des Geschäftsgeheimnisses
  • Kosten für die Geheimhaltungsmaßnahmen
  • Grad des Wettbewerbsvorteils durch die Geheimhaltung
  • Schwierigkeiten der Geheimhaltung
  • konkrete Gefährdungslage
  • Unternehmensgröße und Leistungsfähigkeit des Unternehmens
  • Wirtschaftsbranche und dort branchenübliche Sicherheitsmaßnahmen.

Der Art und dem wirtschaftlichen Wert des Geheimnisses komme dabei eine besondere Bedeutung zu. Die Kosten für die Geheimhaltungsmaßnahmen müssen in einem vernünftigen Verhältnis zum Wert des Geschäftsgeheimnisses stehen, wobei sich kein festes Kosten-Wert-Verhältnis angeben lasse. Dabei sei die Schwelle der Unangemessenheit jedenfalls dann überschritten, wenn die Kosten für die Schutzmaßnahmen den Wert des Geschäftsgeheimnisses übersteigen würden. In Bezug auf die Unternehmensgröße und die Leistungsfähigkeit eines Unternehmens lasse sich festhalten, dass von einem weltweit tätigen Unternehmen größere und finanziell aufwändigere Sicherheitsvorkehrungen erwartet werden können als von einem Handwerksbetrieb mit wenigen Angestellten.

IV.    Bereits umgangene Sicherungsvorkehrungen sind nicht mehr „angemessen“

Das Gericht führt aus, dass Sicherungsvorkehrungen den Anforderungen nicht genügen, wenn sie – wie im vorliegenden Fall – bereits mehrfach umgangen worden sind, ohne dass das Unternehmen darauf angemessen reagiert hätte. In Anbetracht der Bedeutung des Geschäftsgeheimnisses sei es zwingend erforderlich, jedem Hinweis auf eine Umgehung sorgfältig nachzugehen und das Sicherheitskonzept zeitnah anzupassen oder Sanktionen zu ergreifen.

Zwar habe das Unternehmen umfassende Sicherungsmaßnahmen (EDV-Sicherheitsrichtlinie, reglementierter Zugriff zum sog. PZA und Geheimhaltungsvereinbarungen mit Lizenznehmern) getroffen und diese auch nachgewiesen. Allerdings seien diese bereits in der Vergangenheit mehrfach umgangen worden, ohne dass trotz deutlicher Anhaltspunkte dafür eine angemessene Reaktion des Unternehmens erfolgt sei. Dies belege, dass die Sicherungsmaßnahmen gerade nicht angemessen gewesen seien.

V.     Fazit und Empfehlung für Unternehmen

Aus der neuen Gesetzeslage erwächst für Unternehmer die Pflicht, ein angemessenes Management der Geschäftsgeheimnisse zu entwickeln, mit dem sensible Informationen identifiziert, bewertet und technisch, organisatorisch sowie rechtlich ausreichend geschützt werden. Unternehmen, die bereits Maßnahmen nach der Datenschutzgrundverordnung umgesetzt haben, dürften einen Vorsprung haben. Dennoch bleibt im Einzelfall zu prüfen, ob je nach Geschäftsgeheimnis „angemessene Maßnahmen“ zum Schutz vorliegen.

Wichtig ist eine regelmäßige Bestandsaufnahme und gegebenenfalls Nachjustierung: Wo im Unternehmen gibt es welche Arten von Geschäftsgeheimnissen und wer hat damit welchen Umgang? Im Anschluss ist zu prüfen, wie diese angemessen geschützt bzw. im Fall einer bereits erfolgten Umgehung besser geschützt werden können. Unternehmen sind gut beraten, in den nachfolgenden Schritten vorzugehen:

  • Bestandsaufnahme und Ermittlung der zu schützenden Informationen
  • Kategorisierung nach Schutzwürdigkeit in einem Geheimnisschutzkonzept
  • Überprüfung bestehender Schutzvorkehrungen
  • Festlegung angemessener Schutzmaßnahmen und Dokumentation
  • Verfolgung von Hinweisen auf Umgehung und Anpassung bzw. Sanktion bei Verstößen

Im Ergebnis greift dann ein wesentlich besserer Geheimnisschutz als nach altem Recht. Neben Schadenersatz, Unterlassung und Auskunft können nun insbesondere auch Ansprüche auf Vernichtung, Herausgabe sowie Rückruf durchgesetzt werden.

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