Vervielfältigungen von gemeinfreien Kunstwerken

Bereits am 07.06.2021 trat der neue § 68 UrhG in Folge der Umsetzung der europäischen „Urheberrechtsrichtlinie“ (DSM-RL) in Kraft. Mit diesem ändert sich der rechtliche Umgang mit Vervielfältigungen gemeinfreier Werke. Bisher konnten z.B. Fotos gemeinfreier Werke noch unter den Lichtbildschutz des § 72 UrhG fallen.

1. Änderung der Rechtslage

a.

In Museen ausgestellte Gemälde oder sonstige Kunstwerke, stammen oft von Urhebern, die vor mehr als siebzig Jahren verstorben sind. Sie stellen dann gemeinfreie Werke dar, deren urheberrechtlicher Schutz erloschen ist. Nach bisheriger Rechtslage war die Nutzung von Kopien oder Fotografien solcher Werke für Dritte stark eingeschränkt.

So gab der BGH (BGH GRUR 2019, 284 – Museumsfotos) nach alter Rechtslage der Unterlassungsklage eines Museums gegen die Verbreitung von Kopien aus dem Museumskatalog und von Fotos von Werken, die in dem Museum aufgenommen wurden, statt. Das Fotografieren innerhalb des Museums verstieß im konkreten Fall gegen die Hausordnung des Museums und die Abbildungen innerhalb des Museumskatalogs unterstanden laut dem BGH dem Lichtbildschutz des § 72 UrhG. Auch wenn Museen eine kulturelle Verpflichtung hätten, den Zugang zu ausgestellten Werken zu ermöglichen, durften Museumsbetreiber das Fotografieren ihrer Werke durch AGB verbieten und auch anschließend die Verbreitung untersagen.

Im Zuge dieser Rechtsprechung konnten Museen diesen Schutz für den Verkauf von Abbildungen nutzen. Es bestand aber eine Unsicherheit darüber, welche Abbildungen, die nicht vom Inhaber selbst verkauft wurden, genutzt werden durften. Durch § 68 UrhG ändert sich dies nun.

b.

Seit Inkrafttreten von § 68 UrhG erhalten Vervielfältigungen „visueller Werke“ keine verwandten Schutzrechte nach den Teilen 2 und 3 des UrhG mehr. Die Bereichsausnahme des § 68 UrhG gilt sowohl für neue Reproduktionen die nach dem Inkrafttreten der Regelung gefertigt worden sind als auch für Bestandsfälle bereits zuvor gefertigter Reproduktionen (amtl. Begr. BT-Drs. 19/27426, 105). Diese Rückwirkung wird unter dem Aspekt von Art. 14 GG kritisiert (vgl. BeckOK UrhR/Freudenberg, 33. Ed. 15.1.2022, UrhG § 68 Rn. 15).

In logischer Konsequenz zur Gesetzesbegründung können Vervielfältigungen nur so lange verwandte Schutzrechte entfalten, wie die vervielfältigten Werke selbst noch nicht gemeinfrei sind. Sobald ein Werk aber gemeinfrei wird, verlieren auch die Vervielfältigungen ihre Schutzrechte.

In der o.g. Entscheidung ging der BGH davon aus, dass Vervielfältigungen regelmäßig, auch wenn sie lediglich kopieren und nicht einfallsreich sind, eine ausreichende geistige Leistung darstellen, um einen Lichtbildschutz im Sinne von § 72 UrhG zu begründen. Obwohl die Zielsetzung keine besonders kreative, sondern eine möglichst originalgetreue Darstellung sei, müsse auch hierfür ein Mindestmaß an handwerklicher Leistung erbracht werden, die für diesen Schutz ausreiche.

Da das Maß der geistigen Schöpfung einer (reinen) Vervielfältigung regelmäßig nicht ausreicht, um ein Lichtbildwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 5 UrhG darzustellen, dürften die meisten Vervielfältigungen gemeinfreier visueller Werke nach neuer Rechtslage nun frei verwendet werden, da sie weder als Lichtbildwerke noch als Lichtbilder Schutzrechte entfalten.

2. Andere Möglichkeiten der Einschränkung der Nutzung von Vervielfältigungen?

Museen werden sich daher die Frage stellen, ob Ihnen andere Möglichkeiten bleiben, fremde Vervielfältigungen zu untersagen.

a.

In Betracht kommen hierfür noch immer die Geschäftsbedingen für den Museumsbesuch. Zumindest ein Verbot des Fotografierens mit Blitz dürfte allein schon zum Schutz ausgestellter Gemälde angemessen und wirksam sein. Aber auch ein allgemeines Fotografie-Verbot betrachtete der BGH nicht als unangemessene Benachteiligung im Sinne von § 307 Abs. 1 BGB, da es dem „ordnungsgemäßen Ablauf des Museumsbetriebs“ dienen könne (BGH GRUR 2019, 284, Rn. 55).

Ein Fotografierverbot im Rahmen eines vertraglichen Museumsbesuches könnte somit weiter ausgesprochen werden. Da aber ein solches Verbot nur unter den Vertragsparteien gilt, wird die Untersagung der Nutzung solcher (vertragswidrig hergestellter) Fotos durch Dritte schwer durchzusetzen sein.

b.

Bei Immobilien entschied der BGH, dass ein Eigentümer über sein Hausrecht das Fotografieren des Gebäudes vom Grundstück aus verbieten könne (GRUR 2011, 321 – Preußische Gärten und Parkanlagen – Schloss Sansouci). Damit könnte ein Unterlassen auch über das Hausrecht gegenüber einem Besucher geltend gemacht werden, der vor Ort eine Fotografie von Werken anfertigte. Ein Dritter (bspw. Plattformbetreiber) hingegen ist nach der Rechtsprechung des BGH dann als Störer für eine Beeinträchtigung des Grundstückseigentums durch ungenehmigte Verwertung von Fotos des Grundstücks verantwortlich, wenn die Eigentumsverletzung für ihn erkennbar und zurechenbar war. Für die erforderliche Zurechnung der Beeinträchtigung ist nach ständiger Rechtsprechung des BGH erforderlich, dass die Beeinträchtigung wenigstens mittelbar auf den Willen des Eigentümers oder Besitzers der störenden Sache zurückgeht. Einem Plattformbetreiber ist es nach Ansicht des BGH nicht zuzumuten, jedes Angebot vor Veröffentlichung im Internet auf eine mögliche Rechtsverletzung hin zu untersuchen.

c.

Ob Museumsbetreiber als Eigentümer der ausgestellten Werke einen aus dem Eigentum an der Sache abgeleiteten Unterlassungsanspruch geltend machen können, ist fraglich und dürfte vor dem Hintergrund des § 68 UrhG abzulehnen sein.

3. Fazit

Die Nutzung von Reproduktionen gemeinfreier Werke im Internet dürfte durch den neuen § 68 UrhG nur aus urheberechtlichen Gesichtspunkten zu mehr Rechtssicherheit führen.

In Bezug auf die Verwertung solcher Fotografien und einer möglichen Verletzung des Eigentumsrechtes am Grundstück dürfte weiterhin die Rechtsprechung des BGH zu Schloss Sanssouci Anwendung finden, wonach eine Haftung im Rahmen der Störerhaftung eintreten kann.  

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