Obwohl nach Rechtsprechung des EuGH Behörden nicht dem „Unternehmensbegriff“ unterfallen, wird zum Teil vertreten, dass auch öffentliche Auftraggeber im Einzelfall Adressat des deutschen Kartellrechts werden können. So könne im Rahmen eines Beschaffungsvorhabens ein unzulässiges Einkaufskartell gemäß § 1 GWB ebenso vorliegen wie das Ausnutzen einer marktbeherrschenden Stellung gemäß § 19 GWB. Im Hinblick auf ein Vergabeverfahren sollen offenkundige Verstöße gegen das Kartellrecht nach einem Teil der Rechtsprechung sogar im Nachprüfungsverfahren inzident überprüft werden.
Das OLG Düsseldorf kommt in einem Beschluss vom 19. Februar 2020, Verg 26/17 allerdings zu dem Ergebnis, dass eine missbräuchliche Ausnutzung der Marktmacht jedenfalls dann nicht vorliegt, wenn die Voraussetzungen einer „In-House-Vergabe“ gegeben sind. Der Entscheidung lag eine Vergabe von Personenverkehrsdiensten an ein von dem öffentlichen Auftraggeber beherrschtes Verkehrsunternehmen zugrunde.
Inhouse-Geschäfte sind Verträge über die Erbringung von Bau- oder Dienstleistungen oder die Lieferung von Waren, die ein öffentlicher Auftraggeber mit einer von ihm zwar formal personenverschiedenen, trotzdem aber ausschließlich ihm zuzuordnenden juristischen Person des öffentlichen oder privaten Rechts abschließt.
Liegen die Voraussetzungen der jeweiligen Variante des In-House-Geschäfts nach § 108 Abs. 1 – 5 GWB vor, insbesondere eine dienststellenähnliche Kontrolle durch den öffentlichen Auftraggeber über die juristische Person und eine überwiegende Tätigkeit für den bzw. die beherrschenden Träger, dann – so das OLG Düsseldorf – ist eine kartellrechtswidrige Ausnutzung einer marktbeherrschenden Stellung ausgeschlossen. Das Gericht begründet diese Entscheidung mit dem Grundsatz der „Einheit der Rechtsordnung“. Wenn ein In-House-Geschäft nach den dafür im Kartellvergaberecht speziell vorgesehenen Voraussetzungen zulässig sei, könne keine abweichende Bewertung nach dem allgemeinen Kartellrecht erfolgen.
Diese Entscheidung könnte auch Auswirkungen auf die Konstellation einer „horizontalen Kooperation“ nach § 108 Abs. 6 GWB haben. Dabei handelt es sich ebenfalls um eine Befreiung vom Vergaberecht, in diesem Fall aber hinsichtlich einer Zusammenarbeit zweier gleichgeordneter öffentlicher Auftraggeber. Eine solche Kooperation kommt zum Beispiel für die (unentgeltliche oder mit einer Kostenerstattung verbundene) Überlassung von Software zwischen staatlichen Stellen untereinander in Betracht. Auch in diesem Zusammenhang wird die Möglichkeit einer Kartellrechtswidrigkeit der Zusammenarbeit diskutiert, etwa das Vorliegen eines unzulässiges Einkaufskartell nach § 1 GWB, sofern die Kooperationsteilnehmer einen großen Anteil am (relevanten) Nachfragemarkt haben.
Überträgt man die Entscheidung des OLG Düsseldorf auf diese Konstellation, wäre aber aufgrund der Einheit der Rechtsordnung bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 108 Abs. 6 GWB ein unzulässiges Einkaufskartell ausgeschlossen. Dafür spricht, dass § 108 Abs. 6 Nr. 3 GWB bereits eine dem Kartellrecht verwandte Marktschwelle vorsieht, nach der die beteiligten öffentlichen Auftraggeber nicht mehr als 20 % der von der Kooperation umfassten Tätigkeiten auf dem Markt erbringen dürfen. Eine abweichende kartellrechtliche Bewertung wäre insofern auch hier widersprüchlich.
Auch wenn dieser Schluss nicht zwingend ist, ist das Risiko einer kartellrechtlichen Beanstandung einer öffentlichen Zusammenarbeit in Folge der Entscheidung des OLG Düsseldorf niedriger geworden. Das für öffentliche Träger wertvolle Instrument der horizontalen Kooperation wäre auf diese Weise genauso wie das In-House-Geschäft in seinem Anwendungsbereich erweitert.
(Beitrag wurde mit Unterstützung von RA Hanno Dormagen verfasst.)