Zum Urlaubsanspruch von Arbeitnehmern bei Kurzarbeit Null

Sachverhalt


Zu Grunde liegt eine Klage einer Arbeitnehmerin, für die im Jahr 2020 aufgrund der Corona Pandemie wiederholt Kurzarbeit Null, also vollständige Kurzarbeit galt. Sie arbeitete in Teilzeit und ihr standen laut ihrem Arbeitsvertrag umgerechnet für 14 Arbeitstage Urlaub zu. Die Arbeitgeberin gewährte ihr im Jahr 2020 lediglich 11,5 Urlaubstage. Hiergegen legte die Klägerin Klage auf Feststellung ein, dass die Kurzarbeit keinen Einfluss auf die Urlaubsansprüche hätten und ihr ein ungekürzter Urlaubsanspruch für das Jahr 2020 zugestanden habe.

Die 6. Kammer des LAG Düsseldorf wies die Klage ab, wie schon zuvor das ArbG Essen (Urteil vom 06.10.2020 – 1 Ca 2155/20).

Die Entscheidung des Gerichts

Das LAG Düsseldorf verneinte einen Anspruch auf Urlaub für die Zeit, in welcher die Arbeitnehmerin sich in Kurzarbeit Null befand.


Eine spezielle Norm hierzu sehe das deutsche Recht nicht vor, insofern komme es auf eine Auslegung des § 3 Bundesurlaubsgesetz an. Die Norm bezwecke, dass ein Arbeitnehmer sich von geleisteter Arbeit erholen könne und setze insofern eine Verpflichtung zur Tätigkeit voraus. Wenn aufgrund von vollständiger Kurzarbeit die beiderseitigen Leistungsverpflichtungen aufgehoben seien, bestehe in diesem Zeitraum kein Anspruch auf Erholung. Somit sei der Urlaubsanspruch eines Arbeitnehmers für jeden Monat, in dem Kurzarbeit Null gilt, um 1/12 zu kürzen.

Diese Rechtsauslegung stehe auch mit europäischem Recht im Einklang. Auch der europäische Mindesturlaubsanspruch aus Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88/EG entstehe nicht während Kurzarbeit Null. Dies hatte der Europäische Gerichtshof bereits mit Urteil vom 08. November 2012 (Az. C-229/11) auf eine Vorlage des Arbeitsgerichts Passau entschieden. Es ging in seiner Entscheidung davon aus, dass Arbeitnehmer in Kurzarbeit Null, anders als langzeiterkrankte Arbeitnehmer, Freizeitaktivitäten nachgehen könnten und insofern kein zusätzlicher Erholungsanspruch für diesen Zeitraum notwendig werde.
Das Landesarbeitsgericht Düsseldorf ist der Ansicht, dass der konkrete Grund für die Kurzarbeit, im vorliegenden Fall der Einfluss der Corona-Pandemie, für die Auslegung der Norm ebenfalls nicht relevant sei.

Bisher gibt es ist nur eine Presseerklärung zum Urteil. Die Revision wurde zugelassen. Angesichts der früheren Entscheidung des EuGH in einem ähnlich gelagerten Fall dürfte es jedoch fraglich sein, ob das BAG zu einer anderen Entscheidung kommt.

Leit­fa­den für Ar­beit­ge­ber zum An­trag von Kurz­ar­bei­ter­geld un­ter Be­rück­sich­ti­gung der neu­es­ten Ge­setz­ge­bung

Die Corona-Krise wird Arbeitgeber (die Bezeichnungen „Arbeitgeber“ und „Arbeitnehmer“ wurden aus Gründen der besseren Lesbarkeit gewählt. Sie gelten selbstverständlich auch für „Arbeitnehmerrinnen“ und „Arbeitgeberinnen“ gleichermaßen) zu Maßnahmen zwingen. Die wirtschaftlichen Auswirkungen sind kaum absehbar, drastische Einbußen sind sicher. Typische Konsequenzen von wirtschaftlichen Krisen können zahlreiche Kündigungen sein. Ist aber eine Krise nur von absehbarer Zeit, wie die aktuelle es hoffentlich sein wird, so sind Kündigungen nicht unbedingt das Mittel der Wahl. Vielmehr können solche Zeiten mit Kurzarbeit aufgefangen werden und den Arbeitgeber wie auch Arbeitnehmer durch Kurzarbeitergeld finanziell entlasten.

Der Staat kann unter bestimmten Umständen einspringen und einen Teil der Lohnkosten übernehmen. Mit der Kurzarbeit können so betriebsbedingte Kündigungen verhindert werden.

Gerade die aktuelle Gesetzesentwicklung macht den Zugang zu Kurzarbeitergeld erheblich einfacher. Im beschleunigten Gesetzgebungsverfahren hat der Gesetzgeber am 13.03.2020 im Zuge der Corona-Krise den Entwurf zum Arbeit-von-Morgen-Gesetz beschlossen, das den Zugang zu Kurzarbeitergeld erleichtern soll. Folgende Änderungen beinhaltet dieser:

  • 10 Prozent-Schwelle: Ein Betrieb kann bereits dann Kurzarbeit anmelden, wenn Aufträge aufgrund schwieriger wirtschaftlicher Entwicklungen ausbleiben und mindestens 10 Prozent (statt einem Drittel gem. § 96 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB III) der Beschäftigten vom Arbeitsausfall betroffen sind.
  • Keine negative Arbeitszeitsalden: Vor der Zahlung von Kurzarbeitergeld soll vollständig oder teilweise auf den Aufbau negativer Arbeitszeitsalden verzichtet werden können. Nach bisheriger Rechtslage sind Betriebe, in denen Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen genutzt werden, verpflichtet, diese auch zur Vermeidung von Kurzarbeit einzusetzen, vgl. § 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 SGB III.
  • Auch Leiharbeitnehmer sollen Kurzarbeitergeld beziehen können: Gem. § 11 Abs. 4 Satz 2 AÜG ist das bisher nicht möglich gewesen.
  • Vollständige Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit: Bisher muss der Arbeitgeber während des Bezugs von Kurzarbeitergeld Sozialversicherungsbeiträge weiterhin zahlen.

Laut aktueller Bekanntgabe des BMA werden diese Erleichterungen rückwirkend zum 1. März in Kraft treten und auch rückwirkend ausgezahlt.  

Insbesondere die Senkung der betroffenen Arbeitnehmer von einem Drittel auf 10 Prozent wird die Bewilligung von Kurzarbeitergeld erheblich einfacher machen.
Die nachfolgenden Informationen sollen Ihnen einen Überblick über die Voraussetzungen von Kurzarbeit und Kurzarbeitergeld geben, um die Möglichkeiten des Kurzarbeitergeldes effizient nutzen zu können

1. Voraussetzungen für Kurzarbeit

Kurzarbeit und damit der (teilweise) Wegfall der Arbeitnehmervergütung kann vom Arbeitgeber nicht einfach angeordnet werden. Dies unterfällt nicht seinem Weisungsrecht. Ein Wegfallen der Vergütung ist nur denkbar, wenn arbeitsvertraglich die Kurzarbeit vereinbart oder diese in einer Betriebsvereinbarung angeordnet worden ist.

Befinden sich sogenannte Kurzarbeitsklauseln im Arbeits- bzw. Tarifvertrag, sind diese verpflichtend. Unterliegen diese einer Ankündigungsfrist, ist diese einzuhalten und der Arbeitnehmer mindestens über die bevorstehende Zeitenänderung und mögliche Lohnzuschüsse zu informieren.

Bei Bestehen eines Betriebsrates hat dieser bei der Einführung von verkürzter Arbeit ein zwingendes Mitbestimmungsrecht und eine Betriebsvereinbarung über die Kurzarbeit ist zu schließen.

Gibt es weder Kurzarbeitsklauseln in den Arbeitsverträgen noch einen Betriebsrat, ist die Kurzarbeit einzelvertraglich mit den betroffenen Arbeitnehmern zu vereinbaren. Eine Alternative bildet eine sog. betriebliche Einheitsregelung, die aber von allen Arbeitnehmern zu akzeptieren und zu unterzeichnen ist.

Praxistipp:

Klauseln zur Kurzarbeit in Arbeitsverträgen können unwirksam sein. Insofern kann sich ein Arbeitnehmer auf eine solche Unwirksamkeit berufen und unter Umständen die Kurzarbeit schließlich torpedieren. Wahren Sie Transparenz und suchen Sie den Dialog mit der Belegschaft! Lassen Sie sich im Zweifel eine betriebliche Einheitsregelung von allen Arbeitnehmern unterzeichnen, sofern dies durchführbar ist!

2. Voraussetzungen für Kurzarbeitergeld

Im Falle der Kurzarbeit zahlt die Agentur für Arbeit bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen Kurzarbeitergeld. Damit sollen die Lohnausfälle bei den Arbeitnehmern zum Teil kompensiert und betriebsbedingte Kündigungen verhindert werden.

Anspruch auf Kurzarbeitergeld haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gem. § 95 SGB III, wenn

  • ein erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall vorliegt,
  • die betrieblichen Voraussetzungen erfüllt sind,
  • die persönlichen Voraussetzungen erfüllt sind und
  • der Arbeitsausfall der Agentur für Arbeit angezeigt worden ist.

Es gibt noch Regelungen zum Saison-Kurzarbeitergeld gem. § 101 SGB III, was aber hier nicht thematisiert werden soll.

a. Erheblicher Arbeitsausfall mit Entgeltausfall, § 96 SGB III

Die Erheblichkeit des Arbeitsausfalles wird in § 96 SGB III geregelt. Danach ist ein Arbeitsausfall erheblich, wenn

  • er auf wirtschaftlichen Gründen oder einem unabwendbaren Ereignis beruht,
  • er vorübergehend ist,er nicht vermeidbar ist und
  • im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) mindestens ein Drittel der in dem Betrieb beschäftigten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer von einem Entgeltausfall von jeweils mehr als 10 Prozent ihres monatlichen Bruttoentgelts betroffen ist; der Entgeltausfall kann auch jeweils 100 Prozent des monatlichen Bruttoentgelts betragen. 

(1) Wirtschaftliche Gründe und unabwendbares Ereignis

Nicht alle wirtschaftlichen Gründe für einen Arbeitsausfall führen zu einem Leistungsanspruch. Es kommen nur solche allgemeinen Ursachen des Entgeltausfalls in Betracht, die von außen auf den Betrieb einwirken, auf deren Eintritt der Betrieb bzw. die für ihn verantwortlich Handelnden keinen Einfluss haben. Andere wirtschaftliche Gründe des Entgeltausfalls werden dem Betriebsrisiko des Arbeitgebers zugerechnet (Brand/Kühl, 8. Aufl. 2018, SGB III § 96 Rn. 15).

Ein unabwendbares Ereignis liegt insbesondere vor, wenn ein objektiv feststellbares Ereignis eintritt, das auch durch die äußerste, nach den Umständen des Falles gebotene Sorgfalt für den vom Arbeitsausfall betroffenen Betrieb nicht abzuwenden war (BT-Drs. 5/2291, 70). Es liegt auch vor, wenn ein Arbeitsausfall durch behördliche oder behördlich anerkannte Maßnahmen verursacht ist, die vom Arbeitgeber nicht zu vertreten sind, vgl. § 96 Abs. 3 SGB III.

(2) Vorübergehender Arbeitsausfall

Vorübergehend ist der Arbeitsausfall, wenn nach den Umständen des Einzelfalles mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit voraussehbar ist, dass binnen absehbarer Zeit zur Vollarbeit zurückgekehrt wird (Brand/Kühl, 8. Aufl. 2018, SGB III § 96 Rn. 3).

(3) Vermeidbarer Arbeitsausfall

Unbeachtet der gesetzlichen Neuerungen bleibt der Arbeitsausfall aber weiterhin gem. § 96 Abs. 4 SGB III vermeidbar, der

  •  überwiegend branchenüblich, betriebsüblich oder saisonbedingt ist oder ausschließlich auf betriebsorganisatorischen Gründen beruht,
  • durch die Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub ganz oder teilweise verhindert werden kann, soweit vorrangige Urlaubswünsche der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer der Urlaubsgewährung nicht entgegenstehen, oder
  • durch die Nutzung von im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen ganz oder teilweise vermieden werden kann. 

(a) Urlaub

Von Relevanz ist insbesondere die Vermeidbarkeit nach Ziffer 2. (Urlaub). Der Arbeitsausfall gilt als vermeidbar und Kurzarbeitergeld wird nicht bewilligt, so lange der Arbeitsausfall durch die Gewährung von Urlaub überbrückt werden kann. Voraussetzung ist allerdings, dass arbeitsrechtlich die Anordnung von Urlaub zulässig ist, d.h. sowohl die Voraussetzungen des BUrlG (bzw. einschlägiger Tarifverträge) erfüllt sind als auch der Betriebsrat gem. § 87 Abs. 1 Nr. 5 BetrVG beteiligt wurde. Dabei kann die Notwendigkeit für Kurzarbeit einer der „dringenden betrieblichen Belange“ i. S. d. § 7 Abs. 1 BUrlG sein, der gegenüber den an sich maßgeblichen Urlaubswünschen der Arbeitnehmer Vorrang hat. Maßgeblich sind alle Wünsche der Arbeitnehmer, nicht nur „wichtige Gründe“. Auch ist dem Erholungszweck des Urlaubs Rechnung zu tragen (BeckOK SozR/Bieback, 55. Ed. 1.12.2019, SGB III § 96 Rn. 34).

Praxistipp:

Prüfen Sie, inwiefern Arbeitnehmer bereits Erholungsurlaub beantragt haben! Bzgl. bereits genehmigten Urlaubes dürften die Belange der Arbeitnehmer in der Vielzahl der Fälle überwiegen, zumal u.U. Urlaubsreisen o.ä. bereits gebucht worden sind. Eine Rücknahme der Genehmigung dürfte deshalb eher schwierig werden. Vorrangig ist der Urlaubswunsch des Arbeitnehmers über Dauer und Lage des Urlaubs z.B., wenn ein längerer zusammenhängender Sommerurlaub oder die Renovierung bzw. der Neubau eines Hauses im Urlaub geplant sind (Brand/Kühl, 8. Aufl. 2018, SGB III § 96 Rn. 34). Der Resturlaub sollte zur Vermeidung des Arbeitsausfalls genutzt werden. Bei diesen Sachvoraussetzungen sollten die Interessen des Arbeitnehmers nicht überwiegen, zumal ihm Erholungsurlaub ausdrücklich gewährt worden ist.

Schwieriger kann es dann werden, wenn der Arbeitnehmer noch gar keinen Urlaub für 2020 beantragt hat. In diesen Fällen könnte man der Ansicht sein, dass notfalls der gesamte Urlaub zur Verhinderung der Kurzarbeit genutzt werden muss. In diesen Fällen sollten Sie konkret ausrechnen, wie viele Urlaubstage zur Vermeidung von Kurzarbeit anfallen werden. In Anbetracht der aktuellen Lage und den erheblichen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Einschränkungen bis Mitte/Ende April 2020, sollte dieser Zeitrahmen zunächst als Maßstab herangezogen werden. Verbleiben dem Arbeitnehmer dann noch Urlaubstage übrig, die tatsächlich als Erholungsurlaub genutzt werden können, sollte dies den Belangen des Arbeitnehmers ausreichend Rechnung tragen.

Sie werden im Antrag auf Kurzarbeitergeld Angaben zu Resturlaubsbeständen machen müssen. Werden diese nicht zur Vermeidung des Arbeitsausfalls eingebracht, dürfte es zu großer Wahrscheinlichkeit Probleme bei der Bewilligung geben.

(b) Nutzung zulässiger Arbeitszeitschwankungen, § 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 SGB III

§ 96 Abs. 4 S. 2 Nr. 3 SGB III verlangt nur, dass die „im Betrieb zulässigen Arbeitszeitschwankungen“ auszunutzen sind, was auf die arbeitsrechtlich zulässigen und schon begründeten Flexibilitäten verweist. Nur so weit arbeitsrechtlich (durch Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung oder TV) Spielräume zur Flexibilisierung der Arbeitszeit bestehen, kann das Auswirkungen auf die Vermeidbarkeit von Kurzarbeit haben (BeckOK SozR/Bieback, 55. Ed. 1.12.2019, SGB III § 96 Rn. 35).

Praxistipp:

Sofern Sie Sie mit (vereinbarten) Arbeitszeitkonten arbeiten, sollten Sie diese überprüfen. Auf jeden Fall gilt (zumindest in 2020) § 96 Abs. 4 Satz 2 Nr. 3 SGB III nicht mehr, so dass es nicht mehr erforderlich sein wird, das Arbeitnehmer zur Vermeidung von Kurzarbeit Minusstunden sammeln müssen.

Anzurechnen sind aber weiterhin Arbeitszeitguthaben. Der Abbau von Überstunden bleibt grds. zwingend. Die Auflösung des Arbeitszeitguthabens kann gem. § 96 Abs. 4 Satz 3 SGB III nur dann nicht verlangt werden, soweit es

  • vertraglich ausschließlich zur Überbrückung von Arbeitsausfällen außerhalb der Schlechtwetterzeit (§ 101 Absatz 1) bestimmt ist und den Umfang von 50 Stunden nicht übersteigt,
  • ausschließlich für die in § 7c Absatz 1 des Vierten Buches genannten Zwecke bestimmt ist,
  • zur Vermeidung der Inanspruchnahme von Saison-Kurzarbeitergeld angespart worden ist und den Umfang von 150 Stunden nicht übersteigt,
  • den Umfang von 10 Prozent der ohne Mehrarbeit geschuldeten Jahresarbeitszeit einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers übersteigt oder
  • länger als ein Jahr unverändert bestanden hat.

Sie müssen daher vor Antrag prüfen, ob betroffener Arbeitnehmer ein Arbeitszeitguthaben vorweisen. Wenn dem so ist, dann ist das Guthaben vor der Kurzarbeit zunächst aufzubrauchen, soweit nicht einer der Ausnahmetatbestände greift.

(4) Mindestausfall, § 96 Abs. 1 Nr. 4 SGB III

Die Bewilligung von Kurzarbeitergeld ist davon abhängig, dass eine Mindestanzahl von Arbeitnehmern von einer Mindesthöhe des Entgeltausfalls betroffen ist. Unterhalb dieser Grenzen handelt es sich bei dem Entgeltausfall um ein vom Betrieb selbst zu tragendes Risiko. Die Risikogrenzen sind überschritten, wenn der Arbeitsausfall im jeweiligen Kalendermonat (Anspruchszeitraum) bei einem Drittel der im Betrieb (nicht im Unternehmen!) oder der betroffenen Betriebsabteilung beschäftigten Arbeitnehmer einen Entgeltausfall von jeweils mehr als 10% ihres monatlichen Bruttoarbeitsentgelts verursacht.

Eine entscheidende Erleichterung wird im April 2020 eintreten. Ab diesem Zeitpunkt wird die Schwelle von einem Drittel auf 10 Prozent der Arbeitnehmer verringert. Zum aktuellen Zeitpunkt (16.03.2020) gilt aber noch die Regelung mit einem Drittel.

b. Betriebliche Voraussetzungen

Die betrieblichen Voraussetzungen sind erfüllt, wenn in dem Betrieb mindestens eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer beschäftigt ist. Betrieb im Sinne der Vorschriften über das Kurzarbeitergeld ist auch eine Betriebsabteilung, vgl. § 97 SGB III.

c. Persönliche Voraussetzungen

Die persönlichen Voraussetzungen sind gem. § 98 Abs. 1 SGB II erfüllt, wenn

  • die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer nach Beginn des Arbeitsausfalls eine versicherungspflichtige Beschäftigung
    • fortsetzt,
    • aus zwingenden Gründen aufnimmt oder
    • im Anschluss an die Beendigung eines Berufsausbildungsverhältnisses aufnimmt,
  • das Arbeitsverhältnis nicht gekündigt oder durch Aufhebungsvertrag aufgelöst ist und
  • die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer nicht vom Kurzarbeitergeldbezug ausgeschlossen ist.

Verlangt wird für die Anspruchsberechtigung im Wesentlichen nur, dass nach Beginn des Arbeitsausfalls in dem Betrieb eine versicherungspflichtige Beschäftigung fortgesetzt bzw. eine solche Beschäftigung aus zwingenden Gründen aufgenommen wird. Das Arbeitsverhältnis soll fortgesetzt werden.  Entscheidend ist die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit im Rahmen eines Arbeitsverhältnisses.

d. Anzeige bei der Agentur für Arbeit

Gem. § 99 SGB III ist der Arbeitsausfall vom Arbeitgeber (oder der Betriebsvertretung) bei der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb seinen Sitz hat, schriftlich oder elektronisch anzuzeigen. Kurzarbeitergeld wird frühestens von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Anzeige über den Arbeitsausfall bei der Agentur für Arbeit eingegangen ist. Beruht der Arbeitsausfall auf einem unabwendbaren Ereignis, gilt die Anzeige für den entsprechenden Kalendermonat als erstattet, wenn sie unverzüglich erstattet worden ist.

Der Inhalt der Anzeige ist gesetzlich nicht genau festgelegt. Gemäß § 99 Abs. 1 S. 4 SGB III sind Angaben über den Umfang des Arbeitsausfalls (§ 96 SGB III) und die betrieblichen Voraussetzungen (§ 97 SGB III) glaubhaft zu machen. Daraus folgt als Mindestinhalt der Anzeige die Angabe von:

  • Absender,
  • Adressat,
  • Umfang des Arbeitsausfalls
  • Betrieb oder Betriebsabteilung und
  • dem Ziel, Kurzarbeitergeld zu erlangen.

Die beiden letzteren Voraussetzungen müssen nicht wörtlich benannt werden, jedoch aus dem Inhalt der Anzeige hervorgehen.

Zur Berechnung des Mindestarbeitsausfalls (ein Drittel bzw. 10 Prozent) muss in der Anzeige bzw. im späteren Kurzarbeitergeld-Verfahren der Ausfallzeitraum bezeichnet werden.

3. Überstunden und Kurzarbeitergeld

Egal wie viele Arbeitnehmer Sie in die Kurzarbeit schicken, Überstunden während der Kurzarbeit sind grundsätzlich unzulässig. Sie sind ein Indiz dafür, dass der Arbeitsausfall vermeidbar ist mit der Folge, dass Kurzarbeitergeld nicht gewährt wird.

Nur in Ausnahmefällen können Überstunden zulässig sein; etwa bspw. dann, wenn dringende Reparaturen anstehen oder ein Eilauftrag unbedingt erledigt werden muss. Zu beachten ist aber, dass sich durch den Anspruch auf Mehrvergütung des Arbeitnehmers sich die Höhe des Kurzarbeitergeld verringert.

Die Anordnung von Überstunden sollte daher tunlichst vermieden werden.

4. Obergrenze des Kurzarbeitergeldes

Die Nettoentgeltdifferenz ergibt sich aus der Differenz zwischen dem Nettoeinkommen ohne Kurzarbeit (Netto-Sollentgelt) und dem tatsächlichen Nettoeinkommen bei Kurzarbeit (Netto-Istentgelt) bzgl. des Monats, in dem der Arbeitsausfall erfolgt. Zur Berechnung der Höhe des Kurzarbeitergeldes wird das Sollentgelt nur bis zur Höhe der aktuellen Beitragsbemessungsgrenze herangezogen. In 2020 beträgt die Beitragsbemessungsgrenze 6.900 Euro (Ost: 6.450 Euro), sodass das Kurzarbeitergeld 2020 maximal an Hand des (Brutto-) Betrages von 4.623,00 Euro (67%) (Ost: 4.321,50 Euro) berechnet werden kann.

Zur Berechnung des konkreten Netto-Kurzarbeitergeldes gibt es diverse Online-Tools. Zudem stellt die Bundesagentur für Arbeit eine Tabelle zur Berechnung des Kurzarbeitergeldes zur Verfügung, aus welcher pauschal die Höhe des Kurzarbeitergeldes entziffert werden kann.

5. Formulare

Auf der Internetpräsenz der Bundesagentur für Arbeit sind die erforderlichen Formulare für die Anzeige des Arbeitsausfalls, dem Antrag auf Kurzarbeitergeld und zur Abrechnung von Kurzarbeitergeld abrufbar. Die Links finden Sie nachfolgend.

6. Zusammenfassung

Die Kurzarbeit kann betriebsbedingte Kündigungen vermeiden. Das sollte von Arbeitgeber und Arbeitnehmern gleichermaßen beachtet werden. Sollten Sie Kurzarbeit in Betracht ziehen, mangels entsprechender Vereinbarung jedoch (noch) nicht anordnen können, suchen Sie den Dialog mit den Arbeitnehmern bzw. mit dem Betriebsrat! Schließlich geht es darum, Schlimmeres abzuwenden.

Der Lohnkostenzuschuss der Bundesagentur für Arbeit orientiert sich an dem Arbeitslosengeld I. Es werden 60 Prozent des ausgefallenen Nettolohns erstattet, bis zu einer Dauer von zwölf Monaten. Hat der Arbeitnehmer Kinder, sind es sogar 67 Prozent. Klären Sie die Arbeitnehmer darüber auf!

Die gesetzlichen Neuregelungen können Sie als Arbeitgeber erheblich entlasten. Es kann mit einer vollständigen Erstattung der Sozialversicherungsbeiträge durch die Bundesagentur für Arbeit im Wege des Kurzarbeitergeldes gerechnet werden und Kurzarbeitergeld kann bereits dann bewilligt werden, wenn „nur“ 10 Prozent der Arbeitnehmer in die Kurzarbeit müssen.

Die größten Hürden zur Kurzarbeit dürften Resturlaub und Guthaben in Arbeitszeitkonten darstellen.

Sollten Sie Fragen haben, stehen wir Ihnen gerne unter den unten angegebenen Kontaktdaten zur Verfügung. Beachten Sie dazu bitte auch unseren Beitrag zu Fragen und Antworten zur Kurzarbeit.

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