Die Vereinbarung von Selbstkostenpreisen im Lichte des Vergaberechts

Die Verordnung über die Preise bei öffentlichen Aufträgen (VO PR Nr. 30/53, im Folgenden kurz PreisV) ist seit fast 70 Jahren im Wesentlichen unverändert geblieben. In diesem Zeitraum hat sich das Recht der öffentlichen Aufträge im Übrigen erheblich geändert, insbesondere durch die Einführung und mehrmalige Reformierung des EU-Kartellvergaberechts. Nunmehr liegt ein Referentenentwurf des BMI zu einer Erneuerung der PreisV vor (hier abrufbar).  Dieser soll die zwischenzeitlich zur PreisV ergangene Rechtsprechung kodifizieren und insbesondere das Verhältnis zum Vergaberecht eindeutiger hervorheben. Da das öffentliche Preisrecht in Vergabestellen oftmals wenig präsent ist, nehmen wir den Referentenentwurf zum Anlass, die PreisV und deren Bedeutung im Rahmen der Vergabe öffentlicher Aufträge kurz zu skizzieren.

Grundsatz des öffentlichen Preisrechts ist die Geltung von Höchstpreisen im Rahmen der öffentlichen Beschaffung. Die entscheidende Vorschrift enthält § 1 Abs. 3 PreisV:


Für Leistungen auf Grund öffentlicher Aufträge dürfen höhere Preise nicht gefordert, versprochen, vereinbart, angenommen oder gewährt werden, als nach den Bestimmungen dieser Verordnung zulässig ist.

Primär maßgeblich ist dabei der Marktpreis (§ 4 PreisV). Damit sollte eine Abkehr von der in der Nachkriegszeit zunächst verbreiteten Preisreglementierung hin zu einer marktwirtschaftlichen Auftragsvergabe erfolgen. Eine Zahlung überhöhter Preise durch öffentliche Auftraggeber gegenüber sonstigen Marktteilnehmern sollte verhindert werden.

Dem Marktpreis gegenübergestellt wird der Selbstkostenpreis, der nur in Ausnahmefällen Anwendung findet (§ 5 PreisV). Die Anwendung des Selbstkostenpreises ist gemäß § 5 Abs. 2 PreisV nur möglich, wenn entweder

  • die Ermittlung eines Marktpreises nicht möglich ist oder
  • eine Mangellage (bedingt etwa durch einen Krisenfall)oder ein beschränkter Wettbewerb (etwa durch unzulässige Preisabsprachen) vorliegt, der die Preisbildung nicht nur unerheblich beeinträchtigt.

In der Praxis am bedeutsamsten dürfte die erste Alternative sein. Die Ermittlung eines Marktpreises setzt zunächst marktgängige Leistungen voraus (§ 4 Abs. 1 PreisV).  Dabei kann auch eine Marktgängigkeit vergleichbarer Leistungen ausreichend sein, wobei ggf. entsprechende Auf- oder Abschläge erforderlich sind (§ 4 Abs. 2 PreisV). Während die PreisV für die Marktgängigkeit bislang keine eigene Definition vorsieht, stellt der Referentenentwurf die folgende Definition voran:

(2) Marktgängig sind Leistungen, für die zum Zeitpunkt der Auftragsvergabe ein Markt mit funktionierendem Wettbewerb und wettbewerblicher Preisbildung existiert, auf dem diese Leistungen angeboten und nachgefragt werden (allgemeiner Markt). Marktgängig sind Leistungen auch, wenn zu deren Beschaffung durch ein Vergabeverfahren ein Markt geschaffen wurde, auf dem mehrere Anbieter geeignete Angebote abgegeben haben (besonderer Markt).

Gefordert wird demnach für eine Marktgängigkeit auf dem allgemeinen Markt, dass die Leistung tatsächlich im Wettbewerb gehandelt wird. Die Konkretisierung der Definition hinsichtlich des „besonderen Marktes“ stellt die Umsetzung u.a. eines Urteils des Bundesverwaltungsgerichts vom 13.04.2016 (BVerwG 8 C 2.15) dar. Danach ist für die Marktgängigkeit der Leistung regelmäßig ausreichend, wenn für die Beschaffung dieser Leistung eine wettbewerbliche Ausschreibung erfolgt ist, an der mehrere Bieter teilgenommen haben. Dies gilt selbst dann, wenn es sich um sehr spezielle Leistungen handelt, bei denen auf Seiten des öffentlichen Auftraggebers ein Nachfragemonopol für die Leistungenbesteht.

Liegt danach eine marktgängige Leistung vor, muss für die Bildung eines Marktpreises gemäß § 4 Abs. 1 PreisV zusätzlich ein verkehrsüblicher Preis ermittelbar sein. Dies ist zunächst dann der Fall, wenn ein für die Leistung ein bestimmter Preis regelmäßig von sämtlichen Anbietern auf dem Markt erzielt wird („objektiver Marktpreis“). Da dieser Fall eines „vollkommenen Marktes“ in der Praxis selten vorliegt, ist maßgeblich in der Regel der „betriebssubjektive Marktpreis“. Dies ist der Preis, den der jeweilige Anbieter selbst mehrmals unter Wettbewerbsbedingungen erzielt hat. Wohl zur Vereinfachung stellt der Referentenentwurf von vornherein auf diese Variante ab, die neu in § 4 eingefügte Definition der Verkehrsüblichkeit lautet:

(3) Verkehrsüblich ist der für die Leistung auf dem allgemeinen Markt gezahlte Preis, den der Anbieter für die Leistung im Wettbewerb zu anderen Anbietern regelmäßig durchsetzen konnte.

Im Hinblick auf den „besonderen Markt“, also den durch ein Vergabeverfahren geschaffenen Markt sieht der Referentenentwurf (ebenfalls in Anknüpfung an die ergangene Rechtsprechung) folgende Ergänzung vor:

(4) Ist die Verkehrsüblichkeit des Preises nicht bereits auf dem allgemeinen Markt nachweisbar, ist ein Preis, der auf einem besonderen Markt für eine Leistung angeboten wird, verkehrsüblich, wenn er sich unter den Bedingungen eines Wettbewerbs herausgebildet hat.

Ein verkehrsüblicher Preis kann demnach auch dann bestehen, wenn dieser im Rahmen von ordnungsgemäßen Vergabeverfahren mit mehreren (zulässigen) Angeboten durchgesetzt wurde. Eine Verkehrsüblichkeit des Preises entfällt unter diesen Voraussetzungen lediglich bei Vorliegen eines faktischen Angebotsmonopols oder anderer Wettbewerbsverzerrungen, etwa unzulässiger Preisabsprachen, bloßer Scheinangebote oder Angebote in wettbewerbswidriger Verdrängungsabsicht.

Lässt sich nach den vorangehenden Maßgaben ein Marktpreis nicht ermitteln, sieht die PreisV den Selbstkostenpreis als Höchstpreis vor. Der Selbstkostenpreis muss auf den „angemessenen Kosten des Auftragnehmers“ beruhenUnverändert durch den Referentenentwurf bleibt dabei die Rangfolgeder möglichen Selbstkostenpreise. Vorrangig ist danach der Selbstkostenfestpreis (§ 6 Abs. 1 PreisV). Dazu sind die voraussichtlichen Kosten des Anbieters anhand bestimmter Maßgaben im Vorfeld zu kalkulieren. Für diese Kalkulation sind in den „Leitsätzen für die Preisermittlung auf Grund von Selbstkosten“ (LSP) als Anlage zur PreisV weitere Vorgaben dargelegt.

(Nur) wenn eine Kalkulation im Vorfeld wegen vorhandener Unwägbarkeiten nicht abschließend möglich ist, gilt der Selbstkostenrichtpreis. Ändern sich wesentliche Grundlagen der Kalkulation im Laufe der Umsetzung, ist danach der Preis entsprechend anzupassen. Erst wenn weder der Selbstkostenfestpreis noch der Selbstkostenrichtpreises in Betracht kommt, gilt der Selbstkostenerstattungspreis. Dieser sieht eine nachträgliche Offenlegung der Kosten des Anbieters vor, wobei ebenfalls nur „angemessene“ Kosten erstattet werden.

Nach § 9 Abs. 1 PreisV hat der Auftragnehmer den Preisüberwachungsbehörden das Zustandekommen des Preises auf Verlangen nachzuweisen. Eine entsprechende Überprüfung kann auf eigene Initiative der Behörde sowie auf Antrag des Auftraggebers oder des Auftragnehmers erfolgen. Die Regelungen der PreisV sind auch im Übrigen bindend. Ein Verstoß kann gemäß § 11 PreisV i.V.m. § 3 WiStG als eine Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Im Einzelfall ist zudem eine (Haushalts-)Untreue nach § 266 StGB denkbar, wenn das öffentliche Preisrecht in bewusst vermögensschädigender Absicht missachtet wird.

Abschließend lässt sich feststellen, dass der Referentenentwurf u.a. eine Klarstellung hinsichtlich wesentlicher Begriffe der PreisV sowie des Verhältnisses des öffentlichen Preisrechts zum Vergaberecht beabsichtigt. Ob dies bereits durch die Ergänzung von Definitionen für die „Marktgängigkeit“ und die „Verkehrsüblichkeit“ gelungen ist, halten wir zumindest für zweifelhaft, da diese (knappen) Definitionen ihrerseits neue Fragen aufwerfen könnten. Die oben dargestellten Grundsätze gelten aber unabhängig von der tatsächlichen Umsetzung des Entwurfs bereits heute, da der Referentenentwurf auf der einschlägigen Rechtsprechung zur PreisV beruht. Insbesondere der Vereinbarung von Selbstkostenpreisen sollte daher in jedem Fall eine genaue Prüfung der Voraussetzungen und möglicher Alternativen vorangehen. Bestehen Anzeichen für einen nicht funktionierenden Markt hinsichtlich der zu beschaffenden Leistung, kann auch die zivilrechtliche Vereinbarung von Preisprüfungsrechten auf Basis der Vorschriften der PreisV sinnvoll sein.

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