Verstöße gegen die DSGVO können abgemahnt werden
Seit 2018 stand die Frage im Raum, ob Mitbewerber sich gegenseitig abmahnen können, wenn gegen die DSGVO verstoßen wird. Nun hat der EuGH entschieden: Das geht. Warum jetzt trotzdem nicht mit neuen Abmahnwellen zu rechnen ist, erklären wir Ihnen im Beitrag.
Der EuGH (Urt. v. 04.10.2024, C-21/23) musste die Frage klären, ob Mitbewerber sich gegenseitig wegen Verstößen gegen die DSGVO abmahnen können.
Medikamentenverkauf über Amazon
Im Raum stand ein Streit zweier Apotheker. Der eine verkaufte apothekenpflichtige Medikamente über Amazon. Der andere war der Auffassung, dass dieser Vertrieb über Amazon rechtswidrig sei, da die Kunden nicht in die Verarbeitung ihrer Gesundheitsdaten einwilligten.
Das LG Dessau-Roßlau sah dies ebenso und stufte den Vertrieb von apothekenpflichtigen Medikamenten über Amazon als unterlaute geschäftliche Handlung ein.
Letztlich landete der Fall beim BGH.
Vorlagefragen des BGH
Dieser setzte das Verfahren aus und legte dem EuGH zwei Fragen zur Vorabentscheidung vor:
- Stehen die Regelungen in Kapitel VIII DSGVO nationalen Regelungen entgegen, die – neben den Eingriffsbefugnissen der zur Überwachung und Durchsetzung der Verordnung zuständigen Aufsichtsbehörden und den Rechtsschutzmöglichkeiten der betroffenen Personen – Mitbewerbern die Befugnis einräumen, wegen Verstößen gegen die DSGVO gegen den Verletzer im Wege einer Klage vor den Zivilgerichten unter dem Gesichtspunkt des Verbots der Vornahme unlauterer Geschäftspraktiken vorzugehen?
- Sind die Daten, die Kunden eines Apothekers, der auf einer Internet-Verkaufsplattform als Verkäufer auftritt, bei der Bestellung von zwar apothekenpflichtigen, nicht aber verschreibungspflichtigen Medikamenten auf der Verkaufsplattform eingeben (Name des Kunden, Lieferadresse und für die Individualisierung des bestellten apothekenpflichtigen Medikaments notwendige Informationen), Gesundheitsdaten im Sinne von Art. 9 Abs. 1 DSGVO sowie Daten über Gesundheit im Sinne von Art. 8 Abs. 1 der Datenschutz-Richtlinie?
Entscheidung des EuGH
Der EuGH hält zunächst fest, dass der Wortlaut der DSGVO einen Unterlassungsanspruch von Mitbewerbern nicht ausschließt.
Ein Verstoß gegen die DSGVO kann nicht nur die Interessen der betroffenen Person betreffen, sondern auch die von Dritten, wie z.B. Mitbewerbern. So stellt Art. 82 Abs. 1 DSGVO klar, dass „jede[r] Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist“, ein Recht auf Schadensersatz zusteht.
Auch hat der Gerichtshof in früheren Entscheidungen bereits festgestellt, dass ein Verstoß gegen die DSGVO ein Verstoß gegen Verbraucherschutzvorschriften oder eine unlautere Geschäftspraktik darstellen kann.
„In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass der Zugang zu personenbezogenen Daten sowie deren Verwertung im Rahmen der digitalen Wirtschaft von erheblicher Bedeutung sind. Der Zugang zu personenbezogenen Daten und die Möglichkeit ihrer Verarbeitung sind nämlich zu einem bedeutenden Parameter des Wettbewerbs zwischen Unternehmen der digitalen Wirtschaft geworden. Um der tatsächlichen wirtschaftlichen Entwicklung Rechnung zu tragen und einen lauteren Wettbewerb zu wahren, kann es also erforderlich sein, bei der Durchsetzung des Wettbewerbsrechts und der Regeln über unlautere Geschäftspraktiken die Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten zu berücksichtigen.“
In der Vergangenheit hatte der EuGH bereits entschieden, dass Verbraucherzentralen Verstöße gegen die DSGVO abmahnen können.
Der EuGH sieht in der Möglichkeit, dass Mitbewerber gegen DSGVO-Verstöße vorgehen können, eine Verstärkung der praktischen Wirksamkeit der DSGVO. Außerdem könne damit das angestrebte hohe Schutzniveau der betroffenen Personen in Bezug auf die Verarbeitung ihrer personenbezogenen Daten verbessert werden.
Keine Einschränkung der sonstigen Rechtsbehelfe
Weiter stellt der EuGH fest, dass die Möglichkeit von Unterlassungsklagen die übrigen Rechtsbehelfe aus der DSGVO nicht beeinträchtigt. So kann sich eine von der Datenverarbeitung betroffene Person z.B. weiterhin mit einer Beschwerde an die Aufsichtsbehörde wenden.
Auch Geldbußen durch die Behörden bleiben weiterhin möglich.
Effiziente Rechtsdurchsetzung
Der EuGH betont, dass Unterlassungsklagen von Mitbewerbern dazu beitragen können, zahlreiche Verletzungen der Rechte der betroffenen Personen zu verhindern.
Abmahnungen sind möglich
Nach alledem antwortet der EuGH also (zusammengefasst), dass Mitbewerber Verstöße gegen die DSGVO abmahnen und ihre Unterlassungsansprüche auch gerichtlich geltend machen können.
Gesundheitsdaten
Auf die zweite Frage antwortete der EuGH, dass in einem Fall, in dem der Betreiber einer Apotheke über eine Onlineplattform apothekenpflichtige Arzneimittel vertreibt, Daten, die seine Kunden bei der Online-Bestellung dieser Arzneimittel eingeben müssen (wie z. B. Name, Lieferadresse und für die Individualisierung der Arzneimittel notwendige Informationen), Gesundheitsdaten im Sinne dieser Bestimmungen darstellen, auch wenn der Verkauf dieser Arzneimittel keiner ärztlichen Verschreibung bedarf.
Damit gelten die strengen Regeln des Art. 9 DSGVO.
Keine DSGVO-Abmahnwellen zu befürchten
Trotz dieser Klarstellung des EuGH ist jetzt nicht mit neuen Abmahnwellen zu rechnen.
Das liegt zum einen an § 13 Abs. 4 Nr. 2 UWG. Nach dieser Vorschrift erhält der Abmahner bei Verstößen gegen die DSGVO keine Erstattung seiner Abmahnkosten, wenn der Abgemahnte weniger als 250 Angestellte hat.
Zum anderen müsste aber der Abmahner unter Umständen mit einer Gegenabmahnung rechnen. Insbesondere im Bereich Datenschutz dürften viele Unternehmen noch Angriffsflächen bieten, da die Umsetzung der DSGVO in der Praxis mit zahlreichen Herausforderungen verbunden ist.
Hier dürfte also das Motto greifen: „Was ich selbst nicht richtig kann, greif‘ ich bei keinem andern an.“
Fazit
Das Urteil des EuGH ist eine Klarstellung der Rechtslage. Eine Überraschung stellt es nicht da. Gerade in der jüngeren Vergangenheit gab es kaum noch Stimmen, die daran zweifelten, dass Mitbewerber auch Verstöße gegen die DSGVO abmahnen können.
Trotz dieser Möglichkeit ist nicht damit zu rechnen, dass jetzt Abmahnwellen durch das Land rollen werden.
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