Die EU-Kommission hat eine Anpassung der Schwellenwerte für EU-weite Vergabeverfahren vorgenommen. Demnach gelten ab dem 1. Januar 2022 die folgenden Schwellenwerte:
Im Einzelnen:
Bauleistungen:
Alle öffentlichen Aufträge: EUR 5.382.000,00 (bis 31.12.2021: EUR 5.350.000,00)
Liefer- und Dienstleistungen:
Aufträge oberster und oberer Bundesbehörden: EUR 140.000,00 (bis 31.12.2021: EUR 139.000,00)
Aufträge im Sektorenbereich: EUR 431.000,00 (bis 31.12.2021: EUR 428.000,00)
Sonstige Aufträge: EUR 215.000 ,00 (bis 31.12.2021: EUR 214.000,00)
Dieser Schwellenwert ist entscheidend für die Vergabe von IT-Projekten – diese sind in der Regel Liefer- und Dienstleistungsaufträge im Sinne der VgV!
Konzessionen:
Alle öffentlichen Aufträge: EUR 5.382.000,00 (bis 31.12.2021: EUR 5.350.000,00)
Praktische Bedeutung:
Entscheidend für den anzuwendenden Schwellenwert ist das Datum der Ausschreibung, nicht etwa die erstmalige Einleitung des Vergabeverfahrens.
Hintergründe:
Die neuen Schwellenwerte sind ab dem 1. Januar 2022 aufgrund der Rechtsform einer Verordnung ohne weiteren Umsetzungsakt unmittelbar in allen EU-Ländern einschließlich Deutschland wirksam. Hintergrund ist eine turnusmäßige Anpassung an den Wechselkurs sog. „Sonderziehungsrechte“. Die nächste Anpassung wird die Europäische Kommission erst nach Ablauf eines Zeitraums von zwei Jahren vornehmen.

Öffentliche Auftraggeber müssen in allen Vergabeverfahren prüfen, ob Ausschlussgründe gemäß §§ 123, 124 GWB vorliegen. Das bundesweite Wettbewerbsregister ermöglicht es nunmehr öffentlichen Auftraggebern ab dem 1. Dezember 2021 über ein Web-Portal des Registers zu prüfen, ob es bei einem Bieter zu einschlägigen Rechtsverstößen gekommen ist und vereinfacht damit die Prüfung des Nichtvorliegens von Ausschlussgründen im Rahmen eines Vergabverfahrens.
Strafverfolgungs- und Bußgeldbehörden sind ab dem 1. Dezember 2021 zur Mitteilung registerrelevanter Entscheidungen an das Bundeskartellamt verpflichtet.
Öffentliche Auftraggeber und Konzessionsgeber sind dann ab dem 1. Juni 2022 ab einem Auftragswert von 30.000,00 Euro verpflichtet, vor Erteilung des Zuschlags für einen öffentlichen Auftrag beim Wettbewerbsregister elektronisch abzufragen, ob das Unternehmen, das den Auftrag erhalten soll, eingetragen ist. Die bisher bestehenden Abfragepflichten (Korruptionsregister der Länder, Gewerbezentralregister) bleiben bis zum Beginn der Abfragepflicht bestehen. Die Abfrage des Gewerbezentralregisters wird noch für drei Jahre nach Anwendbarkeit der Pflicht zur Abfrage des Wettbewerbsregisters erhalten bleiben.
Die Abfrage beim Wettbewerbsregister erfolgt durch den Auftraggeber über ein Web-Portal des Registers, dessen Nutzung eine Registrierung des Auftraggebers voraussetzt. Die Registrierung ist daher für alle zur Abfrage des Wettbewerbsregisters verpflichteten Auftraggeber eröffnet. Dazu gehören:
- Öffentliche Auftraggeber auf Bundesebene und auf Landesebene, d.h. oberste, obere, mittlere und untere Bundes- bzw. Landesbehörden und deren Beteiligungsgesellschaften sowie die bundes- bzw. landesunmittelbaren juristischen Personen des öffentlichen Rechts gemäß § 99 Nr. 2 GWB
- Öffentliche Auftraggeber auf kommunaler Ebene, also Städte, Gemeinden, Kreise, Kommunalverbände und kommunale Beteiligungsgesellschaften gemäß § 99 Nr. 2 GWB
- Mischfinanzierte öffentliche Auftraggeber wie z. B. privatrechtlich organisierte Forschungsinstitute.
Für die Abfrage des Wettbewerbsregisters sollten daher – wenn noch nicht geschehen – die organisatorischen und technischen Vorbereitungen für die Abfrage des Wettbewerbsregisters getroffen werden.
Von dem Unternehmen, das den Zuschlag erhalten soll, benötigt der Auftraggeber für die Abfrage des Wettbewerbsregisters den Firmennamen, die Rechtsform, die Anschrift, die Register-Nummer, Registerart, Registergericht sowie die Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Es ist daher ratsam, diese Punkte bereits in den Vergabeunterlagen abzufragen.

Die Frage, ob eine Höchstmenge in der Bekanntmachung anzugeben ist oder nicht, ist erneut Gegenstand einer Entscheidung des EuGH geworden. Bis zum Dezember 2018 waren die Anforderungen, die bei der Ausschreibung von Rahmenverträgen zur Angabe des Auftragsvolumens des Rahmenvertrages zu erfüllen sind, in der deutschen Vergaberechtsprechung noch relativ klar. Die Rechtsprechung orientierte sich am Wortlaut des § 21 Abs. 1 S. 2 VgV. Danach war das in Aussicht genommene Austragsvolumen so genau wie möglich zu ermitteln und bekannt zu geben, brauchte aber nicht abschließend festgelegt zu werden (so z.B. VK Bund, B. v. 07.12.2017, VK 1 – 131/17; OLG Düsseldorf, B. v. 21.10.2015, VII – Verg 28/14).
Mit seinem Urteil vom 19.12.2018 hatte der EuGH – allerdings noch zu der alten Richtlinie 2004/18/EG – bereits festgestellt, dass im Rahmen der Ausschreibung eines Rahmenvertrages eine Höchstmenge für die unter dem Rahmenvertag abrufbare Leistung festgelegt werden muss und der Rahmenvertrag mit Erreichen dieser Höchstmenge endet (Rz. 61ff).
Die Vergabekammer des Bundes (Beschluss vom 19.07.2019 – VK 1 – 39/19) sowie das Berliner Kammergericht (Beschluss vom 20.03.2020 – Verg – 7/19) hatten hingegen in der Folgezeit mit wenig überzeugender Begründung entschieden, dass sich eine Pflicht zur Angabe von Höchstmengen/-werten den Vergaberichtlinien nicht entnehmen lasse; vielmehr sei die Rechtsauffassung des EuGH auf die neue Rechtslage unter der Richtlinie 2014/24/EU nicht anwendbar (siehe hierzu auch unsere kritische Stellungnahme vom 2. Dezember 2019).
Mit der Entscheidung vom 17. Juni 2021 – C-23/20 – bestätigt der EuGH nunmehr im Rahmen eines Vorabentscheidungsersuchens seine Rechtsprechung auch für die derzeit geltende Richtlinie 2014/24. Der öffentliche Auftraggeber habe danach bei der Vergabe von Rahmenvereinbarungen in der Auftragsbekanntmachung sowohl die Schätzmenge und/oder den Schätzwert als auch eine Höchstmenge und/oder einen Höchstwert der gemäß der Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren anzugeben. Zudem entschied der Gerichtshof, dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliere, wenn diese Menge bzw. dieser Wert erreicht ist.
Die Entscheidung
Der Gerichtshof verweist in seiner Begründung auf die in Art. 18 Abs. 1 der Richtlinie 2014/24/EU genannten Grundsätze der Gleichbehandlung und der Transparenz sowie auf die allgemeine Systematik der Richtlinie; es sei nicht hinnehmbar, dass öffentliche Auftraggeber keine Angaben zu einer Höchstgrenze der abrufbaren Waren machen. Die Angabe der Schätzmenge und/oder des Schätzwertes sowie eine Höchstmenge und/oder eines Höchstwertes der gemäß einer Rahmenvereinbarung zu liefernden Waren sei für den Bieter von erheblicher Bedeutung, da der Bieter nur auf der Grundlage dieser Schätzung seine Leistungsfähigkeit zur Erfüllung der Verpflichtungen aus der Rahmenvereinbarung beurteilen könne.
Wäre der Höchstwert oder die Höchstmenge der Rahmenvereinbarung nicht angegeben oder die Angabe nicht rechtlich verbindlich, würden sich öffentliche Auftraggeber über diese Höchstmenge hinwegsetzen können. Dies würde dazu führen, dass Zuschlagsempfänger wegen Nichterfüllung der Rahmenvereinbarung vertraglich haftbar gemacht werden könnten, wenn sie die von den öffentlichen Auftraggebern geforderten Mengen nicht liefern könnten, selbst wenn diese Mengen die Höchstmenge in der Bekanntmachung überschreiten. Dies würde nach den Ausführungen des Gerichtshofs den Transparenzgrundsatz verletzen.
Wie bereits in der Entscheidung vom Dezember 2018 stellt der Gerichtshof auch im Hinblick auf die geltende Vergaberichtlinie klar, dass öffentliche Auftraggeber, die von Anbeginn an an der Rahmenvereinbarung beteiligt sind, sich nur bis zu der angegebenen Höchstmenge bzw. dem angegebenen Höchstwert verpflichten können, und dass die Rahmenvereinbarung ihre Wirkung verliere, wenn diese Menge oder dieser Wert erreicht sei.
Fazit
Um keine Rüge befürchten zu müssen, sollten öffentliche Auftraggeber nun bei der Vergabe von Rahmenvereinbarungen einen Schätzwert und/oder eine Schätzmenge sowie einen Höchstwert und/oder eine Höchstgrenze angeben. Dennoch dürften nun weitere Fragen zu klären sein, z. B. wie sich die erforderliche Angabe von Höchstgrenzen auf die Auftragsänderungen gemäß § 132 GWB auswirken wird oder welche Möglichkeiten sich für öffentliche Auftraggeber bieten, wenn die Höchstgrenze erreicht, die zeitliche Geltungsdauer der Rahmenvereinbarung aber noch nicht abgelaufen ist.
Weiterhin stellt sich die Frage, wie sich das Verhältnis zwischen der Höchstmenge bzw. des Höchstwerts gegenüber dem geschätzten Auftragswert darstellt. Da der EuGH zumindest ausdrücklich zwischen beiden Angaben differenziert, ist u. E. davon auszugehen, dass die Berechnung eines „Sicherheitszuschlags“ bei der Angabe des Höchstwerts bzw. der Höchstmenge zulässig ist. Ob sich die Angabe des Höchstwerts bzw. der Höchstmenge hingegen gänzlich von dem Schätzwert entkoppeln darf, ist zumindest zweifelhaft, da die Angabe so möglicherweise ihren Zweck verfehlen würde. Hier ist die weitere Rechtsprechung abzuwarten.