Wann gilt eine Kündigung als zugegangen?

Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts (BAG) bringt Klarheit in eine der häufigsten Streitfragen im Arbeitsrecht: Wie gelingt der Nachweis der Zustellung der Kündigung? Diese Frage ist besonders relevant, da der Zugang nicht nur für die Einhaltung von Kündigungsfristen und den Beginn der Klagefrist von zentraler Bedeutung ist, sondern auch dafür, ob die Kündigung überhaupt wirksam ist.

Sachverhalt: Der Streit um den Zugang der Kündigung

Im zugrundeliegenden Fall hatte ein Arbeitgeber einer Mitarbeiterin gekündigt. Allerdings stand die Frage im Raum, ob die Kündigung der Mitarbeiterin überhaupt zugegangen war.

Denn eins steht fest: Erhält der zu kündigende Mitarbeiter die Kündigung nicht, dann ist diese nicht wirksam und das Arbeitsverhältnis infolgedessen auch nicht gekündigt.

Der Arbeitgeber hatte behauptet, dass zwei Mitarbeiterinnen das Kündigungsschreiben gemeinsam in einen Briefumschlag gesteckt hätten und dass eine von diesen den Umschlag dann zur Post gebracht hätte. Dort soll sie den Versand als Einwurf-Einschreiben veranlasst haben.

Die Entscheidung des BAG

Das BAG (Urt. v. 30.01.2025, 2 AZR 68/24) stellt klar, dass eine schriftliche Kündigung in dem Moment als zugegangen gilt, in dem sie in den Machtbereich des Empfängers gelangt und unter gewöhnlichen Umständen mit einer Kenntnisnahme gerechnet werden kann.

Allerdings ist der Arbeitgeber für den Zugang eines Kündigungsschreibens beweisbelastet. Das bedeutet, er muss konkret nachweisen, dass die Kündigung auch tatsächlich in den Briefkasten der Mitarbeiterin eingeworfen wurde – oder noch besser: dass die Kündigung persönlich übergeben wurde.

Einwurf-Einschreiben ist kein Beweis

Die Versendung der Kündigung mittels Einwurf-Einschreiben ist für die Erbringung dieses Beweises nicht ausreichend.

Dem Arbeitgeber half auch ein Ausdruck der Sendungsverfolgung nicht weiter, weil bei dieser wesentliche Informationen fehlten.

Im Urteil heißt es hierzu:

„Der Ausdruck des Sendungsstatus, auf dem dieselbe Sendungsnummer wie auf dem Einlieferungsbeleg sowie das Zustelldatum vermerkt sind, bietet ebenfalls keine ausreichende Gewähr für einen Zugang.

In diesem Fall lässt sich weder feststellen, wer die Sendung zugestellt hat noch gibt es ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass das vom Bundesgerichtshof beschriebene oder das jeweils gültige Verfahren der Deutschen Post AG für die Zustellung der eingelieferten Postsendung tatsächlich eingehalten wurde.

Der Sendungsstatus ist kein Ersatz für den Auslieferungsbeleg.

Er sagt nichts darüber aus, ob der Zusteller tatsächlich eine besondere Aufmerksamkeit auf die konkrete Zustellung gerichtet hat, die den Schluss rechtfertigen würde, dass die eingelieferte Sendung in den Briefkasten des Empfängers gelangt ist.“

Außerdem ließ sich dem Sendungsstatus auch nicht entnehmen, an wen der Brief überhaupt zugestellt wurde: an die Empfängerin persönlich oder an eine andere im Haushalt lebende Person oder nur durch Einwurf in den Briefkasten? Es war noch nicht einmal die Adresse der Zustellung vermerkt. Auch die Uhrzeit der vermeintlichen Zustellung fehlte. Darüber hinaus fanden sich im Sendungsstatus auch keine Angaben zur der Person, die das Schreiben zugestellt hat.

Kein Beweis – keine Kündigung

Da der Arbeitgeber die Zustellung der Kündigung also nicht nachweisen konnte, war die Kündigung insgesamt als unwirksam anzusehen.

Praktische Auswirkungen für Unternehmen

Das Urteil hat weitreichende Konsequenzen für Arbeitgeber.

Arbeitgeber, die Mitarbeitern kündigen wollen, müssen sicherstellen, dass die Kündigung auch innerhalb der Kündigungsfrist zugestellt wird.

Ein Einwurf-Einschreiben ist hierfür ungeeignet.

Praxishinweis: Fehler bei der Zustellung der Kündigung vermeiden

Damit eine Kündigung rechtssicher zugeht, sollten Arbeitgeber folgende Punkte beachten:

  • Nachweis der Zustellung: Der Einwurf sollte bestenfalls durch Zeugen oder Boten dokumentiert werden.
  • Keine elektronischen Mittel: Eine Kündigung per E-Mail oder Fax reicht im Arbeitsrecht nicht aus, da sie nicht das gesetzliche Schriftformerfordernis erfüllt. Auch eine „Vorabübermittlung“ der Kündigung per Mail hilft nicht weiter, da auch dies kein Nachweis darstellt, dass die Kündigung noch korrekt zugestellt wurde.
  • Zeitpunkt des Einwurfs: Idealerweise sollte der Einwurf in den Briefkasten vormittags erfolgen, um sicherzustellen, dass der Empfänger noch am selben Tag Kenntnis nehmen kann. Wird die Kündigung erst 23 Uhr in den Briefkasten eingeworfen, ist in der Regel nicht mehr von einem Zugang am gleichen Tag auszugehen. Das kann Folgen für die Kündigungsfrist haben.

Fazit

Die Zustellung einer Kündigung sollte bestenfalls per Boten erfolgen. Diese holen das Schreiben beim Arbeitgeber an und nehmen es auch zur Kenntnis, bevor es in den Umschlag gesteckt wird. Anschließend begeben sie sich zur Zustelladresse und dokumentieren die korrekte Zustellung der Sendung. Dem Arbeitgeber übermitteln sie dann diese Dokumentation.

Hierdurch hat der Arbeitgeber nicht nur eine ausreichende Dokumentation. Er kann im Prozess den Boten auch als Zeugen für die Zustellung benennen.

Bei Fragen rund um Kündigungen und bei Kündigungsschutzklagen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung.

Aktuelle Entscheidungen zum Anspruch auf immateriellen Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO

In unserem Beitrag vom 31.07.2024 sind wir auf das EuGH-Urteil vom 20.06.2024 in den Rechtssachen C‑182/22 und C‑189/22 (Scalable Capital GmbH) zum datenschutzrechtlichen Schadensersatz nach Art. 82 Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) eingegangen. Neuere Entscheidungen aus der Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit in diesem Kontext geben nun Anlass zu einer Fortsetzung:

1. LAG Düsseldorf, Urteil vom 10.04.2024 – 12 Sa 1007/23

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf hat in seinem Urteil vom 10.04.2024 festgestellt, dass eine Google-Recherche durch den Arbeitgeber zur Feststellung der Eignung eines Bewerbers zulässig sein kann. Dem Kläger wurde gleichwohl ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO in Höhe von 1.000,00 Euro zugesprochen, weil der Arbeitgeber seiner Informationspflicht gemäß Art. 14 DSGVO nicht nachgekommen war.

2. BAG, Urteil vom 20.06.2024 – 8 AZR 91/22

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat am 20.06.2024 entschieden, dass ein Anspruch auf Schadenersatz nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO kumulativ einen Verstoß gegen die DSGVO, das Vorliegen eines Schadens und einen Kausalzusammenhang zwischen Verstoß und Schaden voraussetzt. Dabei kann auch die objektiv begründete Befürchtung, personenbezogenen Daten könnten missbräuchlich verwendet worden sein (oder künftig verwendet werden), für sich genommen einen „immateriellen“ Schaden im Sinne von Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellen. Ob eine Verletzung des Auskunftsanspruchs aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO einen Anspruch aus Art. 82 Abs. 1 DSGVO zu begründen vermag, blieb offen. Der Kläger konnte keinen Schaden i.S.d. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darlegen.

3. BAG, Urteil vom 20.06.2024 – 8 AZR 124/23

In einem weiteren Urteil des BAG vom 20.06.2024 ging es ebenfalls um einen nicht erfüllten Auskunftsanspruch bzgl. der Verarbeitung personenbezogener Daten nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO sowie eine Kopie dieser Daten nach Art. 15 Abs. 3 DSGVO. Das BAG stellte fest, dass der Schadenersatzanspruch nach Art. 82 Abs. 1 DSGVO, insbesondere im Fall eines immateriellen Schadens, eine Ausgleichsfunktion hat. Eine auf Art. 82 Abs. 1 DSGVO gestützte Entschädigung in Geld soll den aufgrund des DSGVO-Verstoßes konkret erlittenen Schaden vollständig ausgleichen, aber keine zusätzliche Abschreckungs- oder Straffunktion erfüllen. Ob die Verletzung der Rechte aus Art. 15 Abs. 1 und Abs. 3 DSGVO einen Verstoß i.S.v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darstellt, blieb auch hier offen. Ein Schaden i.S.d. Art. 82 Abs. 1 DSGVO wurde nicht darlegt.

4. BAG, Urteil v. 25.07.2024 – 8 AZR 225/23

Im Urteil des BAG vom 25.07.2024 – 8 AZR 225/23 ging es um die vom Arbeitgeber veranlasste Überwachung eines Arbeitnehmers durch Privatdetektive. Die stichprobenartige Überwachung erfolgte aufgrund des Verdachts einer vorgetäuschten Arbeitsunfähigkeit. Ob die Überwachung der Aufdeckung einer Straftat i.S.v. § 26 Abs. 1 Satz 2 BDSG bezweckt hat, ob diese Norm den unionsrechtlichen Anforderungen des Art. 88 DSGVO genügt und wie ihr Verhältnis zu § 26 Abs. 3 BDSG ausgestaltet ist, blieb offen. Die Observation war rechtswidrig, weil nicht erforderlich. Der Kläger konnte einen immateriellen Schaden i.S.v. Art. 82 Abs. 1 DSGVO darlegen. Der Arbeitgeber wurde zur Zahlung von immateriellem Schadenersatz i.H.v. 1.500,00 Euro nebst Prozesszinsen verurteilt.

5. BSG, Urteil vom 24.09.2024 – B 7 AS 15/23 R

Auch das Bundessozialgericht (BSG) hat sich positioniert und in einem Urteil vom 24.09.2024 klargestellt, dass ein Anspruch auf Schadenersatz nach Artikel 82 DSGVO nur dann besteht, wenn ein Schaden nachvollziehbar dargelegt werden kann. Streitgegenstand war eine Schadensersatzforderung wegen eines Verstoßes gegen Art. 15 Abs. 1 DSGVO. Das BSG betont, dass der Zweck der DSGVO, ein hohes Niveau des Schutzes der Grundrechte und Grundfreiheiten natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten zu gewährleisten, in sein Gegenteil verkehrt würde, wenn die pauschale Behauptung eines Nachteils oder Schadens stets ausreichen würde, um einen Ersatzanspruch zu begründen. Ein abstrakter Kontrollverlust über die eigenen personenbezogene Daten stellt nicht automatisch einen immateriellen Schaden im Sinne von Artikel 82 DSGVO dar. Hinzukommen muss zumindest eine objektiv begründete Befürchtung, dass die Daten, über die der Anspruchsteller die Kontrolle verloren hat, missbräuchlich verwendet wurden oder künftig verwendet werden. Ein Anspruch auf Schadenersatz nach Art 82 DSGVO wurde verneint. 

Fazit:

Die genannten Urteile, die durch die Rechtsprechung des EuGH maßgeblich beeinflusst sind, tragen zur Weiterentwicklung des Beschäftigtendatenschutzes bei.

Die Urteile verdeutlichen,

  • dass Verstöße gegen die DSGVO ernst zu nehmen sind.
  • dass mit einem Schadenersatzprozess eher zu rechnen ist als mit einem Bußgeldverfahren.
  • das Erfordernis eines konkreten Schadens und die entsprechende Darlegungslast der Klagepartei.
  • dass der Schaden keinen bestimmten Grad an Erheblichkeit haben muss und es somit keine „Bagatellgrenze“ gibt.
  • dass für die Annahme eines immateriellen Schadens negative Gefühle wie z.B. Ärger, Unmut, Unzufriedenheit, Sorge oder Angst genügen können, wenn sie als begründet anzusehen sind.
  • dass den Tatsachengerichten bei der Bemessung der Höhe eines Schadenersatzes nach § 287 Abs. 1 ZPO ein weiter Ermessensspielraum zusteht, innerhalb dessen sie die Besonderheiten jedes einzelnen Falls zu berücksichtigen haben (Die Höhe des Arbeitsentgelts des Anspruchstellers gehört allerdings nicht dazu.)
Haftung des Franchise-Gebers für wettbewerbswidriges Verhalten des Franchise-Nehmers

Das Landgericht Augsburg hatte sich in einem Hauptsacheverfahren (Az. 081 O 1161/23) mit der Frage auseinanderzusetzen, ob ein Franchise-Geber für das wettbewerbswidrige Verhalten seines Franchise-Nehmers haften und mit einstehen muss. Das Gericht bejahte die Haftung des Franchise-Gebers gemäß § 8 Absatz 2 UWG.

I.   Sachverhalt

Der selbständige Franchise-Nehmer eines Fitnessstudio-Franchise-Systems hatte zur Anhebung der Mitgliedsbeiträge bei den laufenden Studioverträgen seiner Bestandmitglieder am Drehkreuz im Eingangsbereich der Studios Aushänge angebracht, in denen er die Gründe und den Umfang der Preiserhöhung erläuterte. Die Aushänge enthielten zudem folgende Passage: „Für Deine Zustimmung kannst Du ganz unkompliziert unser Drehkreuz passieren“, wobei das Passieren des Drehkreuzes für die Mitglieder unumgänglich war, um Zutritt zum Studio zu erhalten.

Der Franchise-Geber hatte von dieser Aktion weder Kenntnis, noch hatte er eine solche Maßnahme veranlasst oder gar daran mitgewirkt. Die Franchise-Verträge enthielten kartellrechtlich korrekt die Regelung, dass der Franchise-Nehmer in seiner Preisgestaltung frei ist, der Franchise-Geber aber Höchstpreise vorgeben kann.

Sowohl der Franchise-Nehmer als auch der Franchise-Geber wurden von einem Verbraucherverband mit der Begründung abgemahnt, die fingierte Zustimmung zu einer Preiserhöhung durch das Passieren des Drehkreuzes im Studio des Franchise-Nehmers stelle eine aggressive geschäftliche Handlung im Sinne des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) dar. Sowohl gegen den Franchise-Nehmer als auch gegen den Franchise-Geber wurde eine einsteilige Verfügung zur Unterlassung dieser geschäftlichen Handlung erwirkt. Der Franchise-Nehmer akzeptierte die Verfügung durch Abschlusserklärung, nicht aber der Franchise-Geber, woraufhin der Verbraucherverband den Unterlassungsanspruch auf Grundlage der Haftungsnorm des § 8 Absatz 2 UWG im Hauptsacheverfahren vor dem Landgericht Augsburg weiter verfolgte.

II.   Rechtlicher Rahmen

Nach § 8 Absatz 1 UWG kann auf Beseitigung und Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine unzulässige geschäftliche Handlung im Rahmen des UWG vornimmt. Absatz 2 dieser Vorschrift besagt, dass diese Ansprüche auch gegen den Inhaber eines Unternehmens begründet sind, wenn die Zuwiderhandlungen im Unternehmen von einem Mitarbeiter oder Beauftragten begangen werden.

Bereits mit Urteil vom 05.04.1995 hatte der BGH entschieden, dass der Franchise-Geber „Beauftragter“ des Franchise-Nehmers im Sinne dieser gesetzlichen Regelung sein kann,

  • wenn die Handlung, deren Unterlassung verlangt wird, innerhalb des Betriebsorganismus des Franchise-Gebers begangen wurde,
  • der Erfolg der Handlung zumindest auch dem Franchise-Geber zugutekommt und
  • dem Franchise-Geber ein bestimmender Einfluss auf die Tätigkeit eingeräumt ist – es genügt, wenn er sich einen solchen hätte sichern können -, in deren Bereich das beanstandete Verhalten fällt.

III.   Entscheidung des Gerichts

Das Landgericht Augsburg gab dem Unterlassungsanspruch des Verbraucherverbandes in seinem Urteil vom 06.10.2023 statt und bejahte die Haftung des Franchise-Gebers aus § 8 Absatz 2 UWG, obwohl das „Ob“ und „Wie“ von Preiserhöhungen einzig und allein in den Entscheidungsbereich des Franchise-Nehmers fällt und der Franchise-Geber mit dieser Aktion nichts zu tun hatte.

Das Vorliegen der Voraussetzung, dass die geschäftliche Handlung im (erweiterten) Betriebsorganismus des Franchise-Gebers stattgefunden haben muss, bejahte das Gericht unter Hinweis darauf, dass der Franchise-Geber als Systemzentrale zahlreiche Unterstützungs- und Beratungsleistungen erbringt, eine zentrale Webseite betreibt und sich zumindest im Bereich der Werbung und des Marketings Einflussmöglichkeiten durch den Erlass von Systemrichtlinien vorbehält.

Den Einwand, dass es dem Franchise-Geber gerade im Bereich der Preisgestaltung des Franchise-Nehmers kartellrechtlich untersagt sei, Einfluss zu nehmen, wies das Gericht mit dem Hinweis zurück, dass es bei der beanstandeten Maßnahme gerade nicht um die Preisgestaltung gegangen sei, sondern um die (wettbewerbswidrige) Umsetzung einer Preiserhöhung.

Auch wenn die Aktion unbestritten zu einer erheblichen Verärgerung bei den Kunden des Franchise-Nehmers geführt hat und eine Schädigung der Marke und des Rufs des Franchise-Systems darstellte, bejahte das Gericht das „Zugutekommen“ auch für den Franchise-Geber. Hier argumentiert das Gericht, dass der Franchise-Geber bei umsatzabhängigen laufenden Franchise-Gebühren mittelbar von erhöhten Mitgliedsbeiträgen des Franchise-Nehmers profitiert hätte. Dem ruf- und markenschädigenden Verhalten des Franchise-Nehmers könne der Franchise-Geber aufgrund der vertraglichen Verpflichtung des Franchise-Nehmers, gerade ein solches Verhalten zu unterlassen, Einhalt gebieten.

Die Einflussnahme des Franchise-Gebers auf die Tätigkeit des Franchise-Nehmers sieht das Landgericht darin, dass sich der Franchise-Geber vertraglich – und kartellrechtlich zulässig – die Vorgabe von Höchstpreisen vorbehalten habe.

Folgt man der Argumentation des Landgerichts Augsburg, wäre schon aufgrund der Verwirklichung lauterkeitsrechtlicher Tatbestandmerkale durch einen Franchise-Nehmer stets auch die Haftung des Franchise-Gebers gemäß § 8 Absatz 2 UWG anzunehmen. Dies ist kritisch zu sehen. Der Franchise-Geber ging im vorliegenden Fall in Berufung, die Entscheidung des OLG München bleibt abzuwarten.

SAP Cloud-Verträge und VertRäge zu Rise: Vortrag von Dr. Michael Karger auf dem DSAG-Jahreskongress 2024

Nach einer Einführung von Michael Bloch, Fachvorstand der DSAG für Lizenzen, Vertragswesen und Support, referiert TCI-Partner Dr. Michael Karger am 16.10.2024 auf dem DSAG-Jahreskongress in Leipzig zu SAP Cloud-Verträgen und Verträgen zu RISE with SAP. Themen sind u.a.:

  • Grundstruktur von Cloud-Verträgen
  • Herausforderungen: Umfang, Transparenz, Dynamik
  • Vergütung: Zahlungskonditionen, Erhöhung
  • Verfügbarkeit der Cloud Services und SLA
  • Exit-Management, Cloud Switching und Data Act
  • Datenschutz: Neues SAP DPA
  • NIS-2-Richtlinie
  • AI
  • RISE: Stilllegung von On-Premise Software
  • RISE: Guthaben als Transformation Incentive

In Anschluss: RISE with SAP – Was erwartet uns als Kunde? Vortrag von Michael Scheel, EnBw Energie Baden-Württemberg AG.

Und schließlich: Auf GruppenR(E)ISE mit der DSAG – Paneldiskussion zum Thema RISE und der vertraglichen Reise in die Cloud mit:

  • Myrja Schumacher, HONICO Systems GmbH
  • Florian Ascherl, EY GmbH & Co. KG
  • Dr. Michael Karger, TCI Rechtsanwälte München
  • Dr. Michael Sandmeier, Sandmeier Consulting GmbH
  • Michael Scheel, EnBw Energie Baden-Württemberg AG
  • Christine Grimm, DSAG-Fachvorständin Transformation & Sustainability
  • Michael Bloch, DSAG-Fachvorstand für Lizenzen, Verträge und Support
  • Moderation; Claus Krüsken 

Hier der Link zum Programm des DSAG-Jahreskongresses: DSAG-Jahreskongress 2024 (plazz.net)

Thomas Stögmüller hält Impulsreferat zu KI beim CulturiaCamp 2024

Dr. Thomas Stögmüller, Rechtsanwalt, Fachanwalt für Informationstechnologierecht und Partner von TCI Rechtsanwälte München hält auf dem CulturiaCamp 2024 am 10. Oktober 2024 ein Impulsreferat zum Thema „Künstliche Intelligenz und deren Anwendung aus rechtlicher Sicht“. Das vom CommClubs Bayern e.V. durchgeführte CulturiaCamp 2024 steht unter dem Motto „Kommunikationswirtschaft X Künstliche Intelligenz“. 32 Talente aus allen Regionen Bayerns und allen Bereichen der Kommunikations- und Kreativwirtschaft kommen dabei für zwei Tage im Werksviertel München zusammen, um in interdisziplinären Teams realisierbare Lösungen zu finden. Nähere Informationen unter https://culturiacamp.com/.

Neues vom EuGH zum datenschutzrechtlichen Schadensersatz

Gemäß Art 82 Abs. 1 DSG-VO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz.

In zwei Vorabentscheidungsersuchen hatte sich das Amtsgericht München an den EuGH gewandt, um die Auslegung von Art. 82 der DS-GVO zu klären, insbesondere in Bezug auf die Höhe des Schadensersatzes sowie die Definitionen von „immateriellem Schaden“ und „Identitätsdiebstahl bzw. -betrug“.

Mit dem nunmehr ergangenen Urteil vom 20.06.2024 in den Rechtssachen C‑182/22 und C‑189/22 (Scalable Capital GmbH) hat der EuGH seine Rechtsprechung zum Datenschutz-Schadensersatz erneut um einige Grundsätze angereichert, die sich wie folgt zusammenfassen lassen:

  • Nicht jeder Verstoß gegen die DS-GVO führt zu einem Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DS-GVO.
  • Ein Schadensersatzanspruch nach Art. 82 DS-GVO setzt im Kern dreierlei voraus:

(1) einen Verstoß gegen die DSG-VO

(2) einen materiellen oder immateriellen „Schaden“ 

(3) einen Kausalzusammenhang zwischen dem Schaden und dem Rechtsverstoß

wobei alle drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen müssen.

  • Die Darlegungs- und Beweislast für diese drei Voraussetzungen liegt beim Anspruchsteller.  
  • Eine „Bagatellgrenze“, die überschritten sein muss, um einen Schadenersatzanspruch zu begründen, gibt es nicht.
  • Ein abstrakter Kontrollverlust über Daten stellt nicht automatisch einen immateriellen Schaden im Sinne von § 82 DS-GVO dar. Hinzukommen muss zumindest eine objektiv begründete Befürchtung, dass die Daten, über die der Anspruchsteller die Kontrolle verloren hat, missbräuchlich verwendet wurden oder künftig verwendet werden. 
  • Der durch eine Verletzung des Datenschutzes verursachte Schaden ist seiner Natur nach nicht weniger schwerwiegend, als eine Körperverletzung.
  • Art. 82 DS-GVO erfüllt keine Straf-, sondern eine Ausgleichsfunktion.
  • Art 82 DS-GVO verlangt nicht, dass der Grad der Schwere oder eine etwaige Vorsätzlichkeit des Verstoßes bei der Bemessung der Höhe des Schadenersatzes zu berücksichtigen sind.
  • Die nationalen Gerichte sind nicht gehindert, einen Schadenersatz in geringer Höhe zuzusprechen, wenn und soweit dieser Schadenersatz den jeweiligen Schaden in vollem Umfang ausgleicht.
  • Art. 82 DS-GVO hindert den Verantwortlichen, dessen Haftung unterstellt wird, nicht, sich durch den Nachweis, dass ihm die Handlung, die den Schaden verursacht hat, nicht zurechenbar ist, zu exkulpieren.
  • Der Begriff „Identitätsdiebstahl“ ist nur dann erfüllt, wenn ein Dritter die Identität einer Person, die von einem Datendiebstahl betroffen ist, tatsächlich angenommen hat. Jedoch ist ein Schadensersatz nicht nur auf Fälle beschränkt, in denen der Datendiebstahl nachweislich zu einem Identitätsdiebstahl oder ‑betrug geführt hat.

Diese (erweiterten) Grundsätze werden sich – wie üblich zeitversetzt – in den Entscheidungen der nationalen Gerichte, insbesondere auch der Arbeitsgerichte, widerspiegeln. Aktuelle Beispiele hierfür sind:

  • LAG Nürnberg vom 25.1.2023 – 4 Sa 201/22 („Die verspätete Auskunftserteilung auf ein Verlangen nach Art. 15 Abs. 1 DSGVO stellt als solche keinen immateriellen Schaden dar“).
  • LAG Baden-Württemberg vom 05.03.2024 – 15 Sa 45/23 („Allein der Kontrollverlust über Daten stellt nicht automatisch einen immateriellen Schaden im Sinne von § 82 DS-GVO dar“).
  • LAG Düsseldorf vom 07.03.2024 – 11 Sa 808/23 („Nicht jeder Verstoß gegen Auskunftsansprüche aus der DSGVO verursacht „automatisch“ einen Schaden“).

Fazit: Das Urteil des EuGH vom 20.06.2024 verdeutlicht, dass die Anforderungen an die Geltendmachung und Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen in Fällen von DS-GVO-Verstößen nicht zu unterschätzen sind. Andererseits besteht kein Grund zur Annahme, dass es bei § 82 DS-GVO nur um „symbolische“ Beträge geht.

govdigital eG vergibt großen Cloud-Auftrag mit Hilfe von TCI

Die govdigital eG hat mit Unterstützung durch TCI Rechtsanwälte erfolgreich das „Cloud-Broker“-Verfahren beendet und den Zuschlag an die Business Technology Consulting AG (BTC) erteilt.Die Genossenschaft der öffentlichen IT-Dienstleister mit 28 Mitgliedern erhält dadurch Zugriff auf das Serviceportfolio sowohl der „Hyperscaler“ Amazon Web Services (AWS), Google Cloud und Microsoft Azure als auch der nationalen Cloud-Provider IONOS und StackIT.

Der Cloud Broker-Ansatz ermöglicht es den govdigital-Mitgliedern und deren Trägern, je nach spezifischem Projektbedarf die Services eines oder mehrerer Anbieter auszuwählen. Dadurch wird einem „Lock-In-Effekt“ zugunsten einzelner Provider entgegengewirkt. Die Abrechnungsprozesse bleiben dabei aufgrund des einheitlichen Vertragspartners dennoch vergleichsweise schlank. Über ein zentrales Broker-Portal können die Mitglieder jederzeit Einsicht in Reporting- und Abrechnungsdaten nehmen sowie die Zugänge zu den einzelnen Anbietern verwalten.

Mit einem geschätzten Auftragswert von 256.000.000 EUR handelte es sich bei dem Cloud-Broker-Verfahren der govdigital eG um eine der bislang größten Cloud-Ausschreibungen im Bundesgebiet. Zu den Trägern der öffentlichen IT-Dienstleister zählen zahlreiche Gebietskörperschaften und damit Behörden auf Bundes-, Länder- und Kommunalebene, sodass die Ausschreibung einen wesentlichen Meilenstein für die Digitalisierung der Verwaltung darstellt. Das u.a. auf große Vergabeverfahren im IT-Bereich spezialisierte Berliner Büro der TCI Rechtsanwälte (www.tcilaw.de) hat die govdigital eG bei der Konzeption und Durchführung der Ausschreibung sowie als externe Vergabestelle unterstützt.

HANDELSBLATT/BEST LAWYERS ZEICHNET 9 TCI ANWÄLTE/-INNEN AUS

Der amerikanische Fachverlag „Best Lawyers“ hat für das Handelsblatt die besten Wirtschaftsanwältinnen und -anwälte ermittelt. Unsere Münchner Partnerin Ruth Dünisch wurde dabei erneut als „Lawyer of the Year“ im Bereich Franchise-Recht (Bayern) geehrt. Aber auch 8 weitere Partnerinnen und Partner wurden ausgezeichnet.

Der Verlag „Best Lawyers“ ermittelt weltweit die renommiertesten Anwälte und Kanzleien in einem umfangreichen Peer-to-Peer Verfahren. Dabei werden Wirtschaftsanwälte gefragt, welche Wettbewerber sie besonders empfehlen können.

Basierend auf dem so entstandenen Best Lawyers Rating veröffentlichte das Handelsblatt am 13. Juni 2024 die besten Anwältinnen, Anwälte und Kanzleien des Jahres 2024 aus Deutschland. Juristen mit einer aktuell herausragenden Marktstellung finden sich unter den „Anwälten des Jahres 2024“.

Ruth Dünisch ist Anwältin des Jahres im Bereich Franchiserecht

Ruth Dünisch ist dort erneut als einzige Anwältin für den Bereich „Franchiserecht“ gelistet.

„Es ist für mich eine große Ehre, dass ich erneut als Anwältin des Jahres im Bereich Franchiserecht ausgezeichnet wurde. Dies spiegelt auch die Anerkennung aus dem Kollegenkreis und die Wahrnehmung im Rechtsmarkt wider. Ich freue mich sehr über diese Anerkennung und danke allen Kolleginnen und Kollegen für ihre Empfehlung“, sagt Ruth Dünisch.

Weitere TCI-Partnerinnen und Partner ausgezeichnet

Neben der Auszeichnung als Anwältin des Jahres ist Ruth Dünisch auch in der Kategorie Beste Anwälte ausgezeichnet.

Aber auch andere Partnerinnen und Partner von TCI sind als Beste Anwälte ausgezeichnet:

  • Carsten Gerlach (Berlin) im IT-Recht
  • Dr. Truiken J. Heydn (München) in den Bereichen Schiedsverfahren/Streitbeilegung/Mediation, IT-Recht, Gewerblicher Rechtsschutz und Internationales Schiedsverfahren sowie Konfliktlösung, Medien- und Urheberrecht, Produkthaftung
  • Dr. Michael Karger (München) im IT-Recht
  • Harald Krüger (München) im Arbeitsrecht
  • Stephan Schmidt (Mainz) in den Gebieten IT-Recht, Datenschutzrecht, Technologierecht
  • Dr. Andreas Stadler (München) im IT-Recht
  • Dr. Thomas Stögmüller (München) im Datenschutzrecht, IT-Recht sowie Telekommunikationsrecht
  • Christian Welkenbach (Mainz) im IT-Recht

Lawyer of the Year der vergangenen Jahre

Mit der Empfehlung „Lawyer of the year“ wurden in der Vergangenheit bereits mehrere Partnerinnen und Partner von TCI Rechtsanwälte ausgezeichnet:

  • 2023: Ruth Dünisch – Franchise-Recht (Bayern)
  • 2022: Dr. Michael Karger – Information Technology Law (Bayern)
  • 2018: Dr. Truiken J. Heydn – International Arbitration (Bayern)
  • 2014-2015: Stephan Schmitt – Information Technology Law (Frankfurt am Main)
  • 2013: Dr. Truiken J. Heydn – Litigation (München)
  • 2012: Andreas Stadler – Information Technology Law (München)

Die vollständige Liste mit allen ausgezeichneten Anwälten in Deutschland können Sie hier im Handelsblatt einsehen.

Zur Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (und was sie Wert ist)

Streiten sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber um Entgeltfortzahlung, geht es im Kern zumeist um die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung (AUB) und ihren Beweiswert. So auch in einem jüngst vom BAG entschiedenen Fall (Urteil vom 13.12.2023 – 5 AZR 137/23, zu dem bislang nur die Pressemitteilung vorliegt), der Anlass gibt, sich an folgende Grundsätze zu erinnern:

1.    Die AUB ist das gesetzlich ausdrücklich vorgesehene und insoweit wichtigste Beweismittel des Arbeitnehmers für das Vorliegen krankheitsbedingter Arbeitsunfähigkeit ist (BAG 8.9.2021 – 5 AZR 149/21).

2.    Eine AUB begründet aber keine gesetzliche Vermutung einer tatsächlich bestehenden Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 292 ZPO mit der Folge, dass nur der Beweis des Gegenteils zulässig wäre (BAG 8.9.2021 – 5 AZR 149/21).

3.    Die Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie (AU-RL, zuletzt geändert am 7.12.2023) ist für Arbeitnehmer und Arbeitgeber als Parteien des Arbeitsverhältnisses nicht verbindlich.

Dennoch können Verstöße gegen Regelungen der AU-RL, die auf medizinischen Erkenntnissen zur sicheren Feststellbarkeit der Arbeitsunfähigkeit beruhen, nach den Umständen des Einzelfalls geeignet sein, den Beweiswert einer AUB im Rahmen der nach § 286 ZPO vorzunehmenden Beweiswürdigung zu erschüttern (BAG Urt. v. 28.6.2023 – 5 AZR 335/22).

       Gemeint sind insbesondere die folgenden Regelungen:

  • Die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit setzt die Befragung der oder des Versicherten durch die Vertragsärztin oder den Vertragsarzt zur aktuell ausgeübten Tätigkeit und den damit verbundenen Anforderungen und Belastungen voraus (§ 2 Abs. 5 AU-RL).
  • Die Feststellung der Arbeitsunfähigkeit darf nur auf Grund einer ärztlichen Untersuchung erfolgen. Diese erfolgt unmittelbar persönlich oder mittelbar persönlich im Rahmen einer Videosprechstunde oder nach telefonischer Anamnese nach Maßgabe von Absatz 5a. (§ 4 Abs. 5 AU-RL).
  • Die Arbeitsunfähigkeit soll für eine vor der ersten ärztlichen Inanspruchnahme liegende Zeit grundsätzlich nicht bescheinigt werden. Eine Rückdatierung des Beginns der Arbeitsunfähigkeit auf einen vor dem Behandlungsbeginn liegenden Tag ist ebenso wie eine rückwirkende Bescheinigung über das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit nur ausnahmsweise und nur nach gewissenhafter Prüfung und in der Regel nur bis zu drei Tagen zulässig (§ 5 Abs. 3 AU-RL).
  • Die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit soll nicht für einen mehr als zwei Wochen im Voraus liegenden Zeitraum bescheinigt werden (§ 5 Abs. 4 AU-RL).

4.    Der Beweiswert einer AUB kann demnach erschüttert sein, wenn

  • der Arzt den Arbeitnehmer vor der Ausstellung der AUB nicht untersucht (BAG, 11.8.1976 – 5 AZR 422/75);
  • der Arzt die AUB entgegen der Vorgaben der AU-RL zurückdatiert (LAG Köln, 21.11.2003 – 4 Sa 588/03; LAG Rheinland-Pfalz, 13.1.2015 – 8 Sa 373/14).

5.    Der Beweiswert einer AUB ist außerdem erschüttert, wenn nach Maßgabe eines verständigen Arbeitgebers Tatsachen vorhanden sind, die erhebliche Zweifel an der tatsächlichen Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers belegen.

Dies kann z.B. der Fall sein, wenn

  • der arbeitsunfähige Arbeitnehmer nach Zugang der Kündigung des Arbeitgebers eine oder mehrere Folgebescheinigungen vorlegt, die passgenau die Dauer der Kündigungsfrist umfassen, und er unmittelbar nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine neue Beschäftigung aufnimmt (BAG, 13.12.2023 – 5 AZR 137/23);
  • ein Arbeitnehmer zeitgleich mit seiner Eigenkündigung eine solche Bescheinigung einreicht, die passgenau die noch verbleibende Dauer des Arbeitsverhältnisses abdeckt (BAG, 8.9.2021 – 5 AZR 149/21);
  • der Arbeitnehmer seine “Krankmeldung” ankündigt (LAG Köln, 17.4.2002 – 7 Sa 462/01);
  • der Arbeitnehmer während der Arbeitsunfähigkeit einer Nebenbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber nachgeht (BAG, 26.8.1993 – 2 AZR 154/93);
  • der Arbeitnehmer Freizeitaktivitäten nachgeht, die mit der Arbeitsunfähigkeit nur schwer in Einklang zu bringen sind (BAG, 2.3.2006 – 2 AZR 53/05 (Skiurlaub trotz Hirnhautentzündung);

Arbeitsunfähigkeit ist aber nicht gleichzusetzen mit Bettlägerigkeit oder häuslicher Ruhe. Es kommt allein darauf an, ob der Arbeitnehmer in der Lage ist, seine Arbeit auszuüben, nicht, ob er einkaufen, spazieren gehen, Sport treiben, Freunde treffen oder ins Kino gehen kann.

Die Inflationsausgleichsprämie – eine Halbzeit-Bilanz

Millionen Arbeitnehmer haben sie bereits erhalten: eine steuer- und abgabenfreie „Inflationsausgleichsprämie“ (IAP). Alle anderen bleibt noch bis zum 31.12.2024 die Hoffnung, dass ihnen ihr Arbeitgeber zur Abmilderung der gestiegenen Verbraucherpreise freiwillig bis zu 3.000.- Euro zusätzlich zum Arbeitslohn gewährt.  

Da die Halbzeit des Begünstigungszeitraums bald erreicht ist, ziehen wir eine kurze Zwischenbilanz:

1.    Die IAP wird flächendeckend umgesetzt, von unzähligen kleinen Betrieben bis hin zu den Dax-Konzernen. Die Voraussetzungen und Gestaltungsoptionen sind dabei weitgehend geklärt und bekannt:

  • Die IAP muss zusätzlich zum ohnehin geschuldeten Arbeitslohn gewährt werden. Dies ist gemäß § 8 Abs. 4 Satz 1 EStG (nur) der Fall, wenn

1. die Leistung nicht auf den Anspruch auf Arbeitslohn angerechnet,

2. der Anspruch auf Arbeitslohn nicht zugunsten der Leistung herabgesetzt,

3. die verwendungs- oder zweckgebundene Leistung nicht anstelle einer bereits vereinbarten künftigen Erhöhung des Arbeitslohns gewährt und

4. bei Wegfall der Leistung der Arbeitslohn nicht erhöht wird.

Somit darf (z.B.) ein vereinbartes Weihnachts- oder Urlaubsgeld nicht in eine IAP „umgewidmet“ werden.

  • Begünstigt sind nur Leistungen an Arbeitnehmer. Für Leistungen an freie Mitarbeiter oder arbeitnehmerähnliche Selbständige sieht § 3 Nummer 11c EStG keine Steuerfreiheit vor.
  • Schwankungen des Verbraucherpreisindex bzw. der Inflationsrate während des Begünstigungszeitraums sind irrelevant. Fragen der individuellen Betroffenheit des einzelnen Arbeitnehmers oder der Angemessenheit der Leistung spielen ebenfalls keine Rolle.
  • Antworten auf zahlreiche weitere Fragen finden sich in den vom Bundesministerium der Finanzen erstellten „FAQ zur Inflationsausgleichsprämie gemäß § 3 Nr. 11c EStG“ i.d.F. vom 24.05.2023 (abrufbar unter https://www.bundesfinanzministerium.de).

2.    Weiterhin nicht abschließend geklärt ist insb., ob und inwieweit

  • es arbeitsrechtlich zulässig ist, die IAP an bestimmte Auszahlungs- oder Rückzahlungsbedingungen wie z.B. bestandene Probezeit, ungekündigtes Arbeitsverhältnis, Betriebstreue, etc. zu knüpfen.  – Dass solche Bedingungen steuerunschädlich sind, steht zumindest fest.
  • die IAP der Pfändung unterliegt.  – Nach Auffassung des AG Köln (Beschl. vom 4.1.2023 – 70 k IK 226/20) soll die IAP dem Pfändungsschutz des § 850c ZPO unterliegen, weil sie das Kriterium einer „wiederkehrend zahlbaren Vergütung für persönlich geleistete Arbeiten“ erfüllt.