Beim „Crowdworking“ schreiben Unternehmen Arbeitsaufträge über digitale Plattformen aus. Die Zahl solcher Plattformen (Uber, Lieferando, Roamler u.a.) und die Anzahl der „Crowdworker“ in Deutschland nimmt zu, nicht zuletzt verstärkt durch die Corona-Pandemie.
Die Arbeitsbedingungen, die Tätigkeiten (gering bis hoch qualifiziert) und auch die Verdienstmöglichkeiten variieren. Gleichermaßen unterscheiden sich die „Crowdworker“: für die einen stellt Plattformarbeit einen Nebenverdienst dar, andere bestreiten damit ihren Lebensunterhalt.
Der Status des „Crowdworkers“ (Selbstständiger oder Arbeitnehmer) ist vielfach ungeklärt, ebenso die Rolle des Plattformbetreibers (Vermittler oder Arbeitgeber). Eine allgemeingültige Bewertung wird es angesichts der Dynamik, mit der sich die Geschäftsmodelle entwickeln und verändern, nicht geben. Einzelfälle, die vor Gericht landen, schlagen (zeitverzögert) aber zumindest ein paar Trampelpfade durchs Dickicht.
Ein solcher Einzelfall wurde kürzlich vom Bundesarbeitsgericht (9 AZR 102/20) entschieden. Die Pressemitteilung lässt bereits erahnen, worauf es bei der Orientierung künftig ankommt. Nicht nur auf den wohlformulierten „Rahmenvertrag“, der dem Crowdworker jede Freiheit lässt, Aufträge anzunehmen oder abzulehnen. Nicht nur auf die „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“, die ausdrücklich keine Mindestaktivität vorsehen. Auch nicht nur auf die Gewerbeanmeldung des Crowdworkers. Sondern auch auf die Organisationsstruktur der Online-Plattform, die ausschlaggebend sein kann, um aus dem Crowdworker (von Anfang an oder im Laufe der Zeit?) einen „Arbeitnehmer“ des Plattformbetreibers zu machen, indem sie ihn faktisch dazu veranlasst, immer mehr Aufträge anzunehmen und nach detaillierten Vorgaben zu erledigen.
Der Schutzzweck des § 611 a BGB scheint in diesem Urteil also voll zur Geltung gekommen zu sein: wer (letztlich) seine gesamte Arbeitskraft fremdnützig und fremdbestimmt einsetzt, dem ist auch der gesamte arbeitsrechtliche Schutz zu gewähren, einschließlich Bestandsschutz und Sozialschutz.
„Fair enough“ mag man sich denken, doch scheint im Ministerium für Arbeit und Soziales das Vertrauen in die Rechtsprechung begrenzt zu sein. Denn nur wenige Tage vor der Verkündung des o.g. Urteils wurde ein Eckpunktepapier zu „Fairer Arbeit in der Plattformökonomie“ veröffentlicht, u.a. mit dem Ziel, Plattformtätige in die gesetzliche Rentenversicherung einzubeziehen, bestimmte Vertragspraktiken von Plattformen zu unterbinden und eine Beweisverlagerung bei Prozessen zur Klärung des Arbeitnehmerstatus einzuführen und so die Hemmschwelle für Plattformtätige zu senken, ihre Rechte vor Gericht geltend zu machen.
Ob die Plattformen einen solchen „Klimawandel“ überleben würden oder der digitalen Arbeitswelt ein Artensterben droht, bleibt abzuwarten.