Der Bayrische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) entschied durch Ablehnung eines Antrages auf Zulassung der Berufung, durch Beschluss vom 20.08.2020 (Az. 7 ZB 19.1999), dass eine zu schnelle Information der Presse durch die Staatsanwaltschaft das Recht des Beschuldigten auf ein faires Verfahren verletze.
Dem Verfahren liegt eine Anklage der Staatsanwaltschaft Regensburg im Jahre 2017 gegen den Kläger, wegen Bestechung, Vorteilsgewährung und Verstößen gegen das Parteiengesetz zugrunde. Bereits zwei Stunden nachdem die Staatsanwaltschaft die Verteidiger des Klägers über die Anklage informierten und ihnen den 25-seitigen Anklagesatz der Anklageschrift zufaxten, informierte die Staatsanwaltschaft per Pressemitteilung und mündlicher Presseinformation über die Anklage. Gegen diese Vorgehensweise erhob der Kläger erfolgreich vor dem VG Regensburg Klage. Diese Vorgehensweise habe sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt.
Am 24.08.2020 gab der BayVGH bekannt, dass er die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 23.07.2020 bestätigte, indem er den vom Freistaat Bayern gestellten Antrag auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des VG Regensburg ablehnte.
Die Pressearbeit der Staatsanwaltschaft habe tatsächlich gegen das Recht des Klägers auf ein faires Verfahren verstoßen. Der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen Staatsanwaltschaft und Beschuldigtem, der sich aus dem Recht auf ein faires Verfahren ergebe, sei auch im Rahmen der Pressearbeit der Staatsanwaltschaft zu berücksichtigen. Die Verteidiger hätten das wesentliche Ermittlungsergebnis erhalten müssen. Zudem sei ein Zeitraum von nur zwei Stunden zwischen der Information der Verteidiger und der Information der Presse nicht ausreichend gewesen.
Wolle die Staatsanwaltschaft die Presse bereits kurz nach der Anklageerhebung informieren, so müsse sie dem Beschuldigten laut dem BayVGH zuvor jedenfalls die vollständige Anklageschrift übermitteln und ihm die Möglichkeit einräumen, angemessen hierauf zu reagieren.
Fraglich ist, ob diese Rechtsprechung auch auf das Fairnessgebot in anderen Rechtsgebieten übertragen werden kann, beispielsweise wenn im Zivilrecht Klage erhoben wird und die Presse hierüber informiert wird, bevor die Klage überhaupt zugestellt wurde. Hier ist zu berücksichtigen, dass dem Recht auf ein faires Verfahren im Strafrecht eine besondere Bedeutung zukommt. Der Angeklagte im Strafverfahren verdient eine höhere Schutzwürdigkeit als eine Partei Zivilprozess. Insofern müssen sich die Parteien in anderen Verfahren nicht in gleicher Weise daran messen lassen.
(Der Beitrag wurde mit Unterstützung von RA Joscha Falkenhagen erstellt.)