BGH: Zugang einer E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr

BGH: Zugang einer E-Mail im unternehmerischen Geschäftsverkehr

Mit Urteil vom 6.10.2022 – VII ZR 895/21 (BGHZ 234, 316-324; CR 2023, 412) hat der BGH zu der im Geschäftsleben wichtigen Frage entschieden, wann eine E-Mail zugegangen ist.

Der Zugang ist im unternehmerischen Geschäftsverkehr grundsätzlich erfolgt, wenn die E-Mail auf dem Mailserver des Empfängers abrufbereit zur Verfügung steht. Dies gelte jedenfalls innerhalb der „üblichen Geschäftszeiten“. Unmaßgeblich für den Zugang ist, ob der Empfänger die E-Mail tatsächlich abgerufen und zur Kenntnis genommen hat. Es genügt, dass die E-Mail in den Machtbereich des Empfängers gelangt, sodass er sie unter gewöhnlichen Umständen zur Kenntnis nehmen kann.

Offen bleibt die Frage, wie der Begriff der „üblichen Geschäftszeiten“ zu definieren ist. Dies wird vom Einzelfall und insbesondere der betroffenen Branche abhängen.

Einzelfragen diesbezüglich sind indes nach wie vor umstritten.

Bislang wird zum Teil vertreten, dass eine E-Mail dem Empfänger zugeht, wenn sie abrufbereit in seinem elektronischen Postfach eingegangen ist. Etwas anderes soll nur dann gelten, wenn die E-Mail zur Unzeit oder außerhalb der üblichen Geschäftszeiten eintrifft. Für diesen Fall wird der Zugang für den Folgetag angenommen.

Nach anderer Ansicht wird im unternehmerischen Verkehr darauf abgestellt, wann der Absender mit dem Abruf der E-Mail nach dem üblichen Geschäftsablauf rechnen kann. Danach könne ein Abruf spätestens zum Ende der jeweiligen Geschäftszeit angenommen werden.

In dem entschiedenen Fall ist die E-Mail um 9:19 Uhr und somit jedenfalls innerhalb der üblichen Geschäftszeiten eingegangen. Vor diesem Hintergrund hat der BGH die vorstehenden umstrittenen Rechtsfragen explizit offengelassen.

Beraterhinweis: Bei der rechtlichen Würdigung der Zugangsproblematik wird man – um rechtlich auf der sicheren Seite zu sein – grundsätzlich auf den Zugang auf dem Empfangsmailserver abstellen müssen, wodurch die Kenntnisnahmemöglichkeit für den Empfänger gegeben ist. Die rechtliche Folge für den Absender besteht darin, dass er die zugegangene Willenserklärung nicht mehr widerrufen bzw. die Nachricht nicht mehr zurückholen kann (§ 130 Abs. 1 S. 2 BGB). Als Berater wird man hiervon wohl nur dann eine Ausnahme annehmen können, wenn der Zugang in einem Zeitraum erfolgt ist, der im betreffenden Fall unter keinen Umständen noch den „üblichen Geschäftszeiten“ zugerechnet werden kann.

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