Die neuen EVB-IT Cloud: Mustervertragswerk auch für private Auftraggeber?

Die neuen EVB-IT Cloud: Mustervertragswerk auch für private Auftraggeber?

Anwendungsbereich der Anfang März 2022 veröffentlichten EVB-IT Cloud ist die Beschaffung von Cloud-Services durch die Öffentliche Hand.

Das gut durchstrukturierte Mustervertragswerk deckt alle cloud-basierten Modelle, wie insbesondere SaaS, PaaS, IaaS und Managed Cloud Services ab. Aber auch wichtige ergänzende Leistungen, die in klassischen Cloud-Verträgen meist sehr stiefmütterlich behandelt werden, wie z.B. „initiale Leistungen“ im Bereich der Implementierung oder auch die „Migrationsunterstützung“ bei der Überführung der Cloud-Leistungen in ein anderes (Nachfolge-)System sind miterfasst.

Alle klassischen Themen, wie z.B. die Vereinbarung des Leistungsortes, Datenschutz, IT-Sicherheit und Vertraulichkeit, Verfügbarkeit und Reporting, Störungsklassifizierung und Störungsbeseitigung, Einbindung von Unterauftragnehmern, Zurückbehaltungs- und Leistungsverweigerungsrechte, etc. sind in den EVB-IT Cloud-AGB angesprochen.

Sehr hilfreich ist auch der „Kriterienkatalog“, in dem die wichtigsten Leistungen und Leistungsmerkmale wie in einer Checkliste aufgeführt sind und bei dem die entsprechenden Optionen einfach durch Ankreuzen gewählt werden können.

Es ist daher absehbar, dass viele Anwender künftig überlegen werden, ob sie bei RFPs die Bedingungen der EVB-IT Cloud zugrunde legen sollen. Immerhin sind die EVB-IT zwischen Öffentlicher Hand und der IT-Branche ausgehandelt und sollten deshalb als ausgewogenes Vertragswerk gelten. Ein allgemein als sachgerecht und fair erachtetes Vertragswerk hat den Vorteil, dass sich damit Vertragsverhandlungen erheblich abkürzen lassen.

Eignen sich die EVB-IT Cloud deshalb auch als „Vergabebedingungen“ für private Auftraggeber? Dies kann nur eingeschränkt bejaht werden. Insbesondere folgende Gesichtspunkte sind hierbei wichtig:

  • Das Mustervertragswerk ist naturgemäß auf die Rechtsbeziehung zwischen einem Auftraggeber der Öffentlichen Hand und einem Auftragnehmer der Privatwirtschaft ausgerichtet. Manche Klauseln, die für die Öffentliche Hand akzeptabel sind, wären für einen privaten Auftraggeber problematisch. Dies gilt z.B. für die Haftungsklausel, in der die Haftung des Auftragnehmers für entgangenen Gewinn pauschal ausgeschlossen ist. Auftraggeber der Öffentlichen Hand sind im Regelfall nicht auf Gewinnerzielung ausgerichtet, Auftraggeber der Privatwirtschaft hingegen schon. Wie das Beispiel zeigt, müssen alle Regelungen des Mustervertragswerks daraufhin geprüft werden, ob sie auch wirklich für den Auftraggeber im konkreten Fall passen. Von einer Übernahme 1:1 ist abzuraten.
  • Auftraggeber aus regulierten Branchen haben besondere Anforderungen der Aufsichtsbehörden zu beachten, wie z.B. die MA-Risk oder vergleichbare Vorgaben. Auch hier sollte abgeglichen werden, ob die regulatorischen Vorgaben im Vertragswerk ausreichend berücksichtigt sind.
  • Eine Besonderheit der EVB-IT Cloud im Vergleich zu anderen EVB-IT ist, dass hier in beschränktem Umfang auch die Geltung von auftragnehmerseitigen AGB vereinbart werden kann. Als Grundmechanismus ist vorgesehen, dass die Auftragnehmer-AGB nachrangig zu den EVB-IT Cloud AGB gelten. In begrenzten Ausnahmefällen kann aber auch vereinbart werden, dass einzelne Klauseln der Auftragnehmer-AGB vorrangig gelten sollen. Es ist recht wahrscheinlich, dass sich im Hinblick auf die Frage der Einbeziehung der Auftragnehmer-AGB künftig eines der größeren rechtlichen „Schlachtfelder“ bei Vertragsverhandlungen entwickeln wird. Denn ebenso wie die technischen Modelle der Anbieter hoch standardisiert sind, möchten die Anbieter auch ihre standardisierten Geschäftsbedingungen durchsetzen. Die Auftragnehmerseite wird deshalb absehbar versuchen, nach Möglichkeit ihre AGB insgesamt durchzusetzen (was aber nach Maßgabe der EVB-IT Cloud unzulässig ist) oder jedenfalls möglichst viele Einzelklauseln mit Vorrang vereinbaren.

Nachdem die EVB-IT Cloud derzeit quasi noch druckfrisch sind, ist abzuwarten, wie sich ihre Verwendung in der Praxis im Bereich B2B entwickeln wird. Festzuhalten bleibt jedenfalls, dass mit den EVB-IT Cloud ein gut durchdachtes und strukturiertes Werk vorliegt, das als Maßstab und Referenz auch für andere Muster-Cloud-Verträge dienen kann.

Autor

Dr. Michael Karger
Dr. Michael Karger

Partner, Fach­an­walt für In­for­ma­ti­ons­tech­no­lo­gie­recht, Fach­an­walt für Ver­wal­tungs­recht

TCI Rechts­an­wäl­te Mün­chen

  • Twitter
  • LinkedIn