Neue Rechtsprechung des BGH zur Form von Unterlassungserklärungen

Neue Rechtsprechung des BGH zur Form von Unterlassungserklärungen

Unterlassungserklärung per PDF-Datei ist ausreichend

Eine Unterlassungsverpflichtungserklärung kann als PDF-Datei per E-Mail übersandt werden. Das hat der für gewerblichen Rechtsschutz, Urheberrecht und unlauteren Wettbewerb zuständige I. Zivilsenat des BGH entschieden (Urteil vom 12.1.2023 – I ZR 49/22). Aber Vorsicht: Das gilt zum einen nur für Kaufleute, und zum anderen kann der Abmahnende die Annahme der Unterlassungserklärung ablehnen, wenn er eine Übersendung in Schriftform per Post verlangt hat.

Sachverhalt

Eine Gewerbetreibende hatte im Jahr 2021 ohne Zustimmung eine Werbe-E-Mail für medizinische Masken und eine weitere Werbe-E-Mail für Corona-Schnelltests erhalten. Sie mahnte den Absender der E-Mails ab und forderte ihn unter Fristsetzung zur Unterzeichnung einer Unterlassungsverpflichtungserklärung auf. In der Abmahnung wies sie darauf hin, dass eine Versendung der Erklärung vorab per Fax oder E-Mail genüge, sofern das entsprechende Original spätestens zwei Tage nach Ablauf der gesetzten Frist eingehe. Der Absender der Werbe-E-Mails übersandte innerhalb der gesetzten Frist die gewünschte Erklärung in Textform per E-Mail und hängte an die E-Mail die unterschriebene Unterlassungserklärung als PDF an. Daraufhin teilte die Gewerbetreibende dem Absender der Werbe-E-Mails mit, dass die Angelegenheit mit der Übersendung per E-Mail nicht erledigt sei und dass sie den Vorgang zur Klageerhebung weitergeleitet habe und beauftragte ihren Rechtsanwalt mit der Klageerhebung. Es ging also nur um die Frage, in welcher Form eine Unterlassungsverpflichtungserklärung abgegeben werden muss, und ob eine unterschriebene, als PDF übersandte Unterlassungsverpflichtungserklärung ausreichend ist.

Entscheidung

Wiederholungsgefahr als Voraussetzung für den Unterlassungsanspruch

Die unverlangte Zusendung von Werbe-E-Mails an Gewerbetreibende stellt einen rechtswidrigen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Nach ständiger Rechtsprechung begründet die Begehung einer unerlaubten Handlung eine Wiederholungsgefahr. Die Gewerbetreibende kann daher gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB Unterlassung verlangen. Die Wiederholungsgefahr entfällt, wenn der Verletzer eine strafbewehrte Unterlassungsverpflichtungserklärung abgibt. Bestehen jedoch Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Unterlassungserklärung, entfällt die Wiederholungsgefahr nicht.

Form der Unterlassungsverpflichtungserklärung

Die Unterlassungsverpflichtungserklärung unterliegt zwar keinem gesetzlichen Formzwang im Sinne von § 126 Abs. 1 BGB; die Vereinbarung, auf die die Unterlassungsverpflichtungserklärung abzielt, stellt aber ein abstraktes Schuldanerkenntnis dar und unterliegt daher grundsätzlich dem Schriftformerfordernis gemäß §§ 780 Satz 1, 781 Satz 1 BGB. Wird die Unterlassungsverpflichtungserklärung allerdings von einem Kaufmann im Rahmen seines Handelsgewerbes abgegeben, entfällt das Schriftformerfordernis gemäß §§ 343 Abs. 1, 350 HGB.

Keine Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Unterlassungsverpflichtungserklärung

Der BGH hatte vor mehr als 30 Jahren entschieden, dass eine Unterlassungsverpflichtungserklärung per Fernschreiben nicht ausreichend ist, weil ein Fernschreiben maschinell gefertigt und nicht unterzeichnet ist, woraus sich Zweifel an der Urheberschaft der Erklärung ergeben können. Diese Zweifel, so der BGH in der aktuellen Entscheidung, bestehen bei der Übersendung einer unterschriebenen Unterlassungserklärung per E-Mail nicht. Bei der Beurteilung der Ernsthaftigkeit müssen die seit dem Gebrauch von Fernschreiben fortgeschrittene Entwicklung der Technik und die Usancen des Rechtsverkehrs berücksichtigt werden, dass sich zwischenzeitlich die Übermittlung von rechtsverbindlichen Erklärungen per E-Mail im Geschäfts- und Rechtsverkehr durchgesetzt hat.

Überraschende Wendung

In dem Fall gab es dann aber doch noch eine überraschende Wendung. Denn der BGH hat Ende 2022 seine Rechtsprechung zum Wegfall der Wiederholungsgefahr geändert. Nach früherer Rechtsprechung genügte für den Wegfall der Wiederholungsgefahr der Zugang einer einseitig vom Unterlassungsschuldner abgegebenen strafbewehrten Unterlassungserklärung, und zwar auch dann, wenn der Gläubiger die Annahme der Unterlassungserklärung ablehnte.

Ablehnung der Unterlassungserklärung durch den Unterlassungsgläubiger

Von dieser Rechtsprechung ist der I. Zivilsenat des BGH abgerückt: Mit Urteil vom 1.12.2022 – I ZR 144/21 hat er entschieden, dass es an einem Wegfall der Wiederholungsgefahr fehlt, wenn und sobald der Unterlassungsgläubiger die Annahme der Unterlassungserklärung gegenüber dem Schuldner ablehnt. Denn dann kommt der vom Schuldner durch Abgabe der Unterlassungserklärung angebotene Unterlassungsvertrag nicht zustande, und der Gläubiger kann im wiederholten Verletzungsfall die Vertragsstrafe nicht verlangen. Da auch im aktuellen Fall die Gläubigerin die per E-Mail übersandte strafbewehrte Unterlassungserklärung abgelehnt hat, war mit der Ablehnung des Unterlassungsvertrags die Wiederholungsgefahr nicht mehr weggefallen.

Verlangen einer bestimmten Unterlassungserklärung durch den Gläubiger

Anders ist es nur, wenn der Gläubiger mit der Abmahnung eine bestimmte Unterlassungserklärung verlangt, und der Schuldner diese unverändert abgibt. Denn dann hat der Gläubiger dem Schuldner ein Angebot zum Abschluss eines Unterlassungsvertrages unterbreitet, und der Schuldner hat dieses angenommen. Gibt der Schuldner hingegen eine Unterlassungserklärung ab, die von der vom Gläubiger verlangten Unterlassungserklärung nur geringfügig und unwesentlich abweicht, stellt dies keine Annahme des Angebots des Gläubigers dar, sondern ein neues Angebot auf Abschluss eines (abgeänderten) Unterlassungsvertrages (§ 150 Abs. 2 BGB).

Im aktuellen Fall sah der BGH in der Abmahnung eine Aufforderung zum Abschluss eines Unterlassungsvertrages unter Einhaltung einer gewillkürten Schriftform gemäß § 127 Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 126 Abs. 1 BGB. Dieser Aufforderung kam der Schuldner nicht nach, da er lediglich eine nicht der Schriftform genügende PDF-Datei per E-Mail übersandt hatte. Die Übersendung der PDF-Datei stellte daher eine Ablehnung der Vereinbarung der gewillten Schriftform verbunden mit einem neuen Angebot auf Abschluss eines Unterlassungsvertrages in Textform dar. Dieses Angebot konnte die Unterlassungsgläubigerin ablehnen.

Fazit

Bei der Abgabe von Unterlassungserklärungen sind die Anweisungen des Abmahnenden hinsichtlich der Form der Unterlassungserklärung genau zu befolgen. Nur wenn der Abgemahnte Kaufmann ist und in der Abmahnung keine besondere Form der Unterlassungserklärung verlangt wird, ist die Unterzeichnung und Übersendung als PDF-Datei ausreichend.

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